Vulkanexplosivitätsindex

Der Vulkanexplosivitätsindex, abgekürzt VEI (von englisch Volcanic Explosivity Index), ist eine Angabe der Stärke eines explosiven Vulkanausbruchs in Werten von 0 bis 8 auf einer logarithmisch gestuften Skala. Messgrößen sind vorrangig die Menge an ausgestoßenem vulkanischem Lockermaterial (Tephra), daneben die Höhe der Eruptionssäule sowie auch qualitative Beschreibungen. Der Index wurde 1982 von den US-amerikanischen Geologen Christopher G. Newhall und Stephen Self eingeführt.

Die Skala beginnt mit Stufe 0 und ist ab Stufe 2 logarithmisch aufgebaut, sodass die Klassengrenzen der nächsthöheren Stufen gemessen am Volumen ausgeworfenen pyroklastischen Materials einem jeweils zehnmal größeren Vulkanausbruch entsprechen. Beginnend mit einem harmlosen vulkanischen Ereignis reicht sie bis hin zu einem gigantischen Ausbruch mit globalen Auswirkungen der Stufe 8. Die Skala ist nach oben offen. Wissenschaftler weisen darauf hin, dass es sehr schwierig ist, die Stärke von Vulkanausbrüchen genau zu messen.[1]

Vulkanexplosivitätsindex

VEI012345678
Klassifikationnicht explosivkleinmäßigmäßig–großgroßsehr groß
Ausgeworfenes Tephra-Volumen (m³)Anm. 1Anm. 2≤ 104104–106106–107107–108108–109109–10101010–10111011–1012≥ 1012
Ausgeworfenes Tephra-Volumen (km³)0,000010,000010,0010,010,1–11–1010–100100–1000≥ 1000
typische Höhe der Eruptionssäule (km)Anm. 3≤ 0,10,1–11–53–1510–25≥ 25
Anzahl der Ereignisse seit der letzten Kaltzeit vor 11.700 Jahren[2]fortlaufendtäglich36319243071064650
Bekanntes Beispiel
(Jahr des Ausbruchs)
Kīlauea
(1977)
Poás
(1991)
Ruapehu
(1971)
Nevado del Ruiz
(1985)
Eyjafjallajökull
(2010)
Mount St. Helens
(1980)
Krakatau
(1883)
Tambora
(1815)
Taupō
(ca. 24.500 v. Chr.)
Anm. 1 
Tephra-Mengen bis 104 m³ werden als VEI-Stufe 0 klassifiziert, größere bis 106 m³ als 1 und erst die darüber liegenden sind jeweils um den Faktor 10 abgestuft (die Skala ist erst ab Index 2 dekadisch-logarithmisch gestuft).[3]
Anm. 2 
Tephra-Mengen lassen sich zum einen nicht messen, sondern nur grob schätzen. Zum anderen ist deren Volumen nicht konstant, da das Material schon kurz nach dem Niedergang anfängt, sich zu verdichten. Aus 1 km³ Stammmagma bilden sich typischerweise 2,7 bis 3,3 km³ Tephra, die schon beim ersten Regen Volumen verlieren. Mit der Zeit bildet sich daraus Tuffstein.
Anm. 3 
Die Klassifizierung erfolgt nach der ausgeworfenene Tephra-Menge, nicht nach Höhe der Eruptionssäule. Ausbrüche über längere Zeiträume haben tendenziell niedrigere Eruptionssäulen als Ausbrüche mit kurzen, heftigen Eruptionen.

Beispiele aus der Erdgeschichte

Hinweis: Tephra-Mengenangaben sind immer Schätzwerte, gleiches gilt für (prä-)historische Zeitangaben. Historische Zeitangaben sind häufig aus auffälligen Wetterveränderungen und Ascheablagerungen rekonstruiert.

Stärke 8

Der Ausbruch des Toba auf Sumatra vor 74.000 Jahren war die nachweislich größte Eruption in den letzten zwei Millionen Jahren. Dabei wurde erheblich mehr an Tephra ausgeworfen als vor rund 630.000 Jahren beim Doppelausbruch des Yellowstone-Vulkans (Mesa-Falls)[4] und auch mehr als vor etwa 2,1 Millionen Jahren beim Dreifachausbruch des Yellowstone (Huckleberry-Ridge). Nach der kontrovers diskutierten Toba-Katastrophentheorie soll infolge des Toba-Ausbruchs die damalige Menschheit auf einige tausend Individuen dezimiert worden sein und somit einen sogenannten „genetischen Flaschenhals“ passiert haben. Seit dem Ende der letzten Kaltzeit vor rund 12.000 Jahren hat sich kein Vulkanausbruch der Stärke 8 im Holozän ereignet.

Vulkan / AusbruchAlter
(in Jahren)
Tephra (ca.)
Wah Wah Springs Caldera
(Basin and Range Province, Utah)
30 Mio.5500 km³[5][6]
La-Garita-Caldera (Colorado)28–26 Mio.5000 km³
Yellowstone, Huckleberry-Ridge-Ausbruch02,1 Mio.2500 km³[7]
Yellowstone, Lava-Creek-Ausbruch00,64 Mio.1000 km³[8]
Tobaknapp 74.0002800 km³
Taupō (Neuseeland), Oruanui-Ausbruch26.5001170 km³

Stärke 7

Der Ausbruch der Phlegräischen Felder vor 39.000 Jahren mit 250 km³ Tephra ist ein Beispiel dieser Stufe. Die Minoische Eruption des Vulkans von Santorin vor etwa 3.600 Jahren war geringer, erreichte aber wohl Stärke 7. Jüngere Eruptionen mit einem Tephraauswurf von 100 km³ oder mehr ereigneten sich beim Taupō im 2. oder 3. Jahrhundert, beim Paektusan 946, beim Samalas 1257 und beim Tambora 1815. Gravierende globale Folgen hatte auch die Tierra Blanca Joven-Eruption des Ilopango (539/540), die die Klimaanomalie 536–550 mit auslöste.[9]

In den letzten 10.000 Jahren gab es keine Ausbrüche der Stärke 8, doch mindestens acht der Stärke 7:[10]

Vulkan / AusbruchJahrTephra (ca.)
Kurilenseevulkanum 6450 v. Chr.155 km³
Mount Mazamaum 5700 v. Chr.150 km³
Kikaium 4350 v. Chr.200 km³
Cerro Blancoum 2300 v. Chr.110 km³[11]
Santorinum 1600 v. Chr.120 km³
Ilopangoum 539 / 540106 km³[9]
Samalasum 1257100 km³
Tambora5.–17. April 1815160 km³

Daneben sind aus den letzten 2000 Jahren weitere Ausbrüche bekannt, die annähernd Stärke 7 hatten:

Vulkan / AusbruchJahrTephra (ca.)
Taupō, Hatepe-Ausbruchum 232 (± 15)50–60 km³
Paektusanum 94696 (± 19) km³

Stärke 6

Ein großer Ausbruch in Mitteleuropa fand vor rund 13.000 Jahren am Laacher Vulkan statt. Der Laacher See stellt die abgesackte Caldera des Vulkans dar. Bei der Eruption wurden 1300 km² Fläche von einer bis zu 10 m dicken Lavaschicht bedeckt. Die Aschesäule stieg bis zu 40 km hoch.[12]

Vulkan / AusbruchJahrTephra (ca.)
Laacher Vulkan10.920 v. Chr.20 km³
Ambrymum 5070 km³
Kuwae145332–39 km³
Huaynaputinaum 160030 km³
Krakatau188320 km³
Santa María190220 km³
Novarupta191213–15 km³
Pinatubo199110 km³
Hunga Tonga-Hunga Haʻapai202215–20 km³

Stärke 5

Vulkan / AusbruchJahrTephra (ca.)
Ätna122 v. Chr.
Vesuv00793,3 km³
Eldgjá0939 / 9401,4 km³
Fujisan17072,1 km³
Mount St. Helens19801,2 km³
Cerro Hudson19917,6 km³

Stärke 4

Vulkan / AusbruchJahrTephra (ca.)
Parker1641knapp 1 km³
Laki-Krater17830,91 km³
Mont Pelé19020,2 km³
Eyjafjallajökull20100,14 km³

Magnitude

In der vulkanologischen Literatur und den einschlägigen Datenbanken taucht zusätzlich zum VEI zunehmend auch der Begriff Magnitude (M) auf, definiert als:

M = log10(eruptierte Masse in kg) − 7 .

Mit der Verwendung der ausgeworfenen Masse als Bezugsgröße werden Dichteunterschiede der verschiedenen Magmatypen sowie ein unterschiedlicher Blasengehalt des abgelagerten Materials ausgeglichen, sodass die Eruptionen vergleichbarer werden. Das Ergebnis hat jetzt eine Nachkommastelle, bewegt sich aber überwiegend in der Größenordnung des vorher vergebenen VEI.[13] Beispielsweise ergibt sich für 200.000 Tonnen ausgeworfenen Materials eine Magnitude von

M = log10(2 · 108) − 7 ≈ 1,3 .

Weitere Klassifikationsmethoden von Vulkanausbrüchen

Dense-rock equivalent (DRE)
zurückgerechnetes Volumen des ausgeworfenen Magma, ohne Hohlräume, Tephra wie auch effusive Anteile
Tsuya-Klassen
Die Einteilung erfolgt ähnlich dem VEI logarithmisch in die Klassen I bis IX. Diese 1955 von dem japanischen Vulkanologen Hiromichi Tsuya vorgeschlagene Klassifikation war der erste Versuch, die Stärke von Vulkanausbrüchen anhand eines Index zu beschreiben.[14][15]
Intensität
logarithmierte Rate des gesamten Masseaustritts:
I = 3 + log10(Masseneruptionsrate in kg/s)
Der Index zeigt, unabhängig von der Dichte, an, wie rasch welche Materialmenge austritt. Besonders heftige plinianische Eruptionen haben eine maximale Intensität von 10–12, kleine einen Wert von 4–6. Die Intensität ist ein Indiz, bis in welche Höhe ausgeworfenes Material gelangt. Sie ändert sich im Verlauf des Eruptionsgeschehens, unter anderem mit Änderungen der Größe der Vulkanöffnung. Die maximale Intensität (peak intensity) ist der größte Intensitätswert eines vulkanischen Ereignisses.[14]
Trübungsindex
Der Trübungsindex besitzt einen Wert von 1000 für den Krakatau-Ausbruch von 1883 und dient als Parameter, um die vulkanischen Störungen in Atmosphärenschichten, die dann das Klima beeinflussen können, zu beschreiben.
Volcano Population Index (VPI)
Der Index gibt an, wie viele Menschen bei einem Vulkanausbruch innerhalb eines bestimmten Radius vom Ausbruchsort in einem gefährlichen Bereich leben. Verwendet werden oft VPI5 und VPI10, die für VPIs mit dem Radius 5 bzw. 10 km stehen, den relevanten Bereichen für Ausbrüche mit VEI 2 bis 4.[16]

Siehe auch

Literatur

  • Christopher Newhall, Stephen Self: The volcanic explosivity index (VEI). An estimate of explosive magnitude for historical volcanism. In: Journal of Geophysical Research 87, 1982, S. 1231–1238, doi:10.1029/JC087iC02p01231.
  • H. Graf: Klimaänderungen durch Vulkane. In: promet – Meteorologische Fortbildung. 28. Jahrgang, Heft 3/4, 2002 (PDF; 1,8 MB).
Wiktionary: Vulkanexplosivitätsindex – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Anmerkungen

  1. Siehe z. B.Archivierte Kopie (Memento desOriginals vom 28. Februar 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.geology.sdsu.edu Nasa: Eruption Variability, How Volcanoes Work; abgerufen am 23. September 2012.
  2. Anzahl der bekannten Ausbrüche der jeweiligen Stärke im Holozän, basierend auf den Daten des Smithsonian Institute.
  3. Diagramm der USGS zur Definition des VEI Die Tabelle im Artikel beruht im Wesentlichen auf diesem Diagramm. Zu beachten ist die Diskontinuität in Zehnerpotenzen von Obergrenzen der Auswurfmenge zwischen VEI 0 und VEI 1, die in der Originalquelle leider nicht erläutert wurde.
  4. Geological Society of America, 27. Oktober 2017: Yellowstone erlebte Doppel-Ausbruch, auf [1], abgerufen am 13. März 2018.
  5. M. Best, E. Christiansen, A. Deino, S. Gromme, G. Hart, D. Tingey: The 36–18 Ma Indian Peak–Caliente ignimbrite field and calderas, southeastern Great Basin, USA: Multicyclic super-eruptions. In: Geosphere. 9. Jahrgang, Nr. 4, 1. August 2013, S. 864–950, doi:10.1130/GES00902.1 (geoscienceworld.org).
  6. Volcanic Explosivity Index: Measuring the size of an eruption. In: geology.com.
  7. Brooks Mitchell: What Was the Biggest Volcanic Eruption in History?, auf [2], abgerufen am 10. Juni 2018.
  8. Marc Szeglat: Supervulkane und Flutbasalte, auf [3], abgerufen am 13. März 2018.
  9. a b Robert A. Dull, John R. Southon, Steffen Kutterolf, Kevin J. Anchukaitis, Armin Freundt, David B. Wahl, Payson Sheets, Paul Amaroli, Walter Hernandez, Michael C. Wiemann, Clive Oppenheimer: Radiocarbon and geologic evidence reveal Ilopango volcano as source of the colossal ‘mystery’ eruption of 539/40 CE. In: Quaternary Science Reviews. Band 222, 2019, doi:10.1016/j.quascirev.2019.07.037.
  10. C. Newhall, S. Self, A. Robock: Anticipating future Volcanic Explosivity Index (VEI) 7 eruptions and their chilling impacts. In: Geosphere. Februar 2018. Band 14, Nr. 2, doi:10.1130/GES01513.1, S. 572–603. Anmerkung: Newhall u. a. nennen sieben Ausbrüche der Stärke 7, hinzu kommt der 2019 als Ausbruch der Stärke 7 klassifizierte Ausbruch des Ilopango.
  11. W. Báez, E. Bustos, A. Chiodi, F. Reckziegel, M. Arnosio, S. Silva, G. Giordano, J. Viramonte, M. Sampietro-Vattuone, J. Peña-Monné: Eruptive style and flow dynamics of the pyroclastic density currents related to the Holocene Cerro Blanco eruption (Southern Puna plateau, Argentina). In: Journal of South American Earth Sciences. Band 98, 1. März 2020, doi:10.1016/j.jsames.2019.102482.
  12. Felix Riede: Der Ausbruch des Laacher See-Vulkans vor 12.920 Jahren und urgeschichtlicher Kulturwandel am Ende des Alleröd. Eine neue Hypothese zum Ursprung der Bromme-Kultur und des Perstunien, auf [4], abgerufen am 11. Juni 2018.
  13. DM Pyle: Sizes of volcanic eruptions. In Encyclopedia of Volcanoes. Academic Press, London 2000, ISBN 0-12-643140-X
  14. a b David M. Pyle: Sizes of Volcanic Eruptions. In: Haraldur Sigurdsson, Bruce Houghton, Steve McNutt, Hazel Rymer, John Stix (Hrsg.): The Encyclopedia of Volcanoes. 2. Ausgabe Auflage. 2015, ISBN 978-0-12-385939-6, doi:10.1016/B978-0-12-385938-9.00013-4.
  15. Tsuyas Originalartikel: Hiromichi Tsuya: Geological and petrological studies of Volcano Fuji, V : On the 1707 eruption of Volcano Fuji. In: Bulletin of the Earthquake Research Institute, University Tokyo. Band 33, Nr. 3, 1955 (u-tokyo.ac.jp).
  16. John W. Ewert und Christopher J. Harpel: In Harm’s Way: Population and Volcanic Risk. In: Geotimes. April 2004