Volumen-Funktionsplanung in der Leberchirurgie

Lebertumore, wie das Leberzellkarzinom oder kolorektale Lebermetastasen, können kurativ durch leberchirurgische Eingriffe mit Entfernung des erkrankten Leberparenchyms therapiert werden. Nicht alle Patienten können aufgrund bestimmter Vorerkrankungen eine solche Leberresektion verkraften. Entscheidendes Kriterium für die Operabilität ist, dass noch genügend funktionelles Lebergewebe übrigbleibt, um auch postoperativ die physiologischen Funktionen der Leber zu erfüllen. Die präoperative Volumen-Funktionsplanung in der Leberchirurgie dient der Bestimmung der nach der Operation zu erwartenden Restleberfunktion (FLRF, Future Liver Remnant Function) und findet in der Klinik zur Risikoabschätzung eines postoperativen Leberversagens (posthepatectomy liver failure, PHLF[1]) Anwendung. Grundlegendes Ziel ist dabei die zuverlässige Identifikation derjenigen Patienten, bei denen eine Leberresektion möglichst komplikationslos erfolgen kann.

Beschreibung

Zur Bestimmung der FLRF wird die Leberfunktion mittels LiMAx-Test bestimmt und mit einer schnittbildbasierten (CT, MRT) Lebervolumenberechnung kombiniert. Es existieren weitere Methoden zur dynamischen Leberfunktionsmessung, deren Anwendung zur Volumen-Funktionsplanung bislang jedoch nicht im Detail erforscht wurde. Im Detail werden, gemäß Stockmann et al., bei präoperativen LiMAx-Werten ≥315 µg/kg/h Majorresektionen (>4 Segmente) als sicher durchführbar eingestuft.[2][3] Bei niedrigen präoperativen LiMAx-Werten im Bereich 140–314 µg/kg/h ist eine präoperative Volumen-Funktions-Analyse indiziert, da diese Patienten nach der Operation in einem Bereich kritisch niedriger Leberfunktionen landen und daher ein erhöhtes Risiko für postoperative Komplikationen (einschließlich PHLF) tragen. In diesen Fällen ist, für eine bestmögliche Unterstützung der chirurgischen Entscheidungsfindung, eine möglichst exakte präoperative Erhebung der FLRF erwünscht.

Die Bestätigung, dass ein signifikanter Zusammenhang (r=0.85, p<0.001) zwischen der präoperativen Prädiktion der FLRF mit der tatsächlichen FLRF, gemessen innerhalb von 24 h nach der Operation, besteht, wurde ebenfalls von Stockmann et al. erbracht.[3] Im Mittel lag eine Differenz (± Standardabweichung) von −36 ± 43 µg/kg/h zwischen präoperativ vorhergesagtem und postoperativ tatsächlich gemessenem LiMAx. Vergleichbare Ergebnisse liefert auch die Studie von Malinowski et al., die als mögliche Ursachen der Diskrepanz zwischen präoperativer Prädiktion der FLRF und tatsächlich postoperativ gemessener Funktion die intraoperative Ischämie und postoperative Hypoperfusion einzelner Leberareale diskutiert und die Einführung eines „Sicherheitsintervalls“ vorschlägt.[4] Ein weiterer Einfluss auf die FLRF könnte das Vorhandensein von CYP1A2-Restaktivität in tumorösen Lebergeweben haben, deren CYP1A2-Aktivität in o. g. Formel mit 0 angenommen wird. Eine Studie von Wuensch et al. konnte diesbezüglich zeigen, dass die CYP1A2-Restaktivität in tumorösen Lebergewebe (hepatozelluläres Karzinom, kolorektale Lebermetastasen) vernachlässigbar gering ist (<2 % der CYP1A2-Aktivität im gesunden Lebergewebe), während die CYP1A2-Restaktivität in hepatozellulärem Adenomgewebe, mit ca. 12 % der CYP1A2-Aktivität im gesunden Lebergewebe, einen deutlicheren Einfluss auf die Gesamt-CYP1A2-Leberleistung hat.[5] Diese Daten bestätigen, dass die Berechnung der Restleberfunktion in Fällen von hepatozellulären Karzinomen und kolorektalen Lebermetastasen mit oben genannter Formel eine akkurate Vorhersage liefert.

Exemplarische Darstellung eines MRT-Scans mit Markierung der Gesamtleberfläche (gelb), der Tumorfläche (rot) und der Restleberfläche (grün). Zur volumetrischen Berechnung werden sämtliche Schnittbilder analog des Beispiels markiert und die Volumina der gesamten Leber (VG), des Tumors (VT) und der Restleber nach OP (VFLRV) mittels Software bestimmt.

Methodisches Vorgehen und Berechnung

Zur Bestimmung der Restleberfunktion wird zunächst aus Schnittbildern mit einer geeigneten Software das Gesamtlebervolumen (VG) identifiziert. Anschließend wird der tumoröse Bereich (VT) markiert und die chirurgische Schnittfläche eingezeichnet, die die Aufteilung in Resektat- (VR) und Restlebervolumen (VFLRV, Future Liver Remnant Volume) ermöglicht (Abbildung 1). Das eben beschriebene, dezidierte Vorgehen ist nötig, da angenommen wird, dass das tumoröse Volumen keine CYP1A2-Aktivität innehat und somit keinen Beitrag zu der mittels LiMAx ermittelten Gesamtleberfunktion beiträgt. Zur Berechnung der FLRF wird folgende Formel genutzt: [4]

Bei einer errechneten Restleberfunktion (FLRF) von >100 µg/kg/h kann der Eingriff für den Patienten als sicher angenommen werden, während eine FLRF zwischen 80 und 100 µg/kg/h mit einem erhöhten Risiko verbunden ist und bei einer FLRF <80 µg/kg/h sollte von einer Operation gänzlich abgesehen werden (38,1 % postoperative Mortalität).[2]

Klinische Anwendung

Eine Auswertung von Patientendaten konnte zeigen, dass die mittels LiMAx und Bildgebung antizipierte residuale postoperative Leberfunktion prädiktiven Wert sowohl für unmittelbar postoperativ auftretenden Komplikationen als auch für das PHLF besitzt.[4][6] Darüber hinaus konnte der Nachweis erbracht werden, dass der Einsatz des LiMAx-Tests tatsächlich zur Verbesserung der Patientenversorgung in der Leberchirurgie beiträgt. In einer retrospektiven Analyse von 1170 Patienten, die sich zwischen 2006 und 2011 einer elektiven Hepatektomie unterzogen, konnte gezeigt werden, dass nach Implementation des LiMAx-Entscheidungsalgorithmus die Rate an postoperativen Leberversagens sowie der damit verbundenen Mortalität signifikant abnahm.[7] In einer randomisiert-kontrollierten Multicenterstudie wurden chirurgische Patienten mit intrahepatischen Tumoren entweder nach dem vorherrschenden klinischen Standard (Kontrollgruppe) behandelt oder erhielten zwei perioperative LiMAx-Tests (Interventionsgruppe). Der präoperative LiMAx-Test diente der präoperativen Risikoabschätzung (inkl. Volumen-Funktionsplanung) und OP-Planung gem. des LiMAx-Algorithmus und der postoperative LiMAx-Test zur Optimierung der postoperativen Behandlung. Die Rate schwerer Komplikationen war signifikant reduziert in der Interventionsgruppe, bei im Mittel gleichzeitig signifikant verkürzter Gesamtkrankenhausverweildauer und Verweildauer auf der Intensivstation.[8]

Einzelnachweise

  1. Nuh N. Rahbari, O. James Garden, Robert Padbury, Mark Brooke-Smith, Michael Crawford: Posthepatectomy liver failure: A definition and grading by the International Study Group of Liver Surgery (ISGLS). In: Surgery. Band 149, Nr. 5, 2011, S. 713–724, doi:10.1016/j.surg.2010.10.001 (elsevier.com [abgerufen am 7. Juni 2019]).
  2. a b Martin Stockmann, Johan F. Lock, Björn Riecke, Karsten Heyne, Peter Martus: Prediction of Postoperative Outcome After Hepatectomy With a New Bedside Test for Maximal Liver Function Capacity. In: Annals of Surgery. Band 250, Nr. 1, Juli 2009, ISSN 0003-4932, S. 119–125, doi:10.1097/sla.0b013e3181ad85b5.
  3. a b Martin Stockmann, Johan F. Lock, Maciej Malinowski, Stefan M. Niehues, Daniel Seehofer: The LiMAx test: a new liver function test for predicting postoperative outcome in liver surgery. In: HPB. Band 12, Nr. 2, März 2010, ISSN 1365-182X, S. 139–146, doi:10.1111/j.1477-2574.2009.00151.x.
  4. a b c Maciej Malinowski, Johan Friso Lock, Daniel Seehofer, Bernhard Gebauer, Antje Schulz: Preliminary study on liver function changes after trisectionectomy with versus without prior portal vein embolization. In: Surgery Today. Band 46, Nr. 9, 31. Dezember 2015, ISSN 0941-1291, S. 1053–1061, doi:10.1007/s00595-015-1293-1.
  5. Tilo Wuensch, Niklas Heucke, Jonas Wizenty, Janina Quint, Bruno Sinn: Hepatic CYP1A2 activity in liver tumors and the implications for preoperative volume-function analysis. In: American Journal of Physiology-Gastrointestinal and Liver Physiology. Band 316, Nr. 5, Mai 2019, ISSN 0193-1857, S. G608–G614, doi:10.1152/ajpgi.00335.2018.
  6. Elisabeth Blüthner, Maximilian Jara, Ritesh Shrestha, Wladimir Faber, Johann Pratschke: The predictive value of future liver remnant function after liver resection for HCC in noncirrhotic and cirrhotic patients. In: HPB. Februar 2019, ISSN 1365-182X, doi:10.1016/j.hpb.2018.11.012.
  7. Maximilian Jara, Tim Reese, Maciej Malinowski, Erika Valle, Daniel Seehofer: Reductions in post‐hepatectomy liver failure and related mortality after implementation of the LiMAx algorithm in preoperative work‐up: a single‐centre analysis of 1170 hepatectomies of one or more segments. In: HPB. Band 17, Nr. 7, Juli 2015, ISSN 1365-182X, S. 651–658, doi:10.1111/hpb.12424.
  8. M. Stockmann, F. W. R. Vondran, R. Fahrner, H. M. Tautenhahn, J. Mittler: Randomized clinical trial comparing liver resection with and without perioperative assessment of liver function. In: BJS Open. Band 2, Nr. 5, 14. Juni 2018, ISSN 2474-9842, S. 301–309, doi:10.1002/bjs5.81.

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Exemplarische Darstellung eines CT-Scans mit Markierungen.png
Autor/Urheber: Dr.TiloWuensch, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Zur volumetrischen Berechnung werden sämtliche Schnittbilder analog des Beispiels markiert und die Volumina der gesamten Leber (VG), des Tumors (VT) und der Restleber nach OP (VFLRV) mittels Computersoftware bestimmt.