Vollmachtenregime

Der Begriff Vollmachtenregime wird in der Schweiz verwendet, um insbesondere Vollmachten der Bundesversammlung (beide Parlamentskammern) für den Bundesrat (Regierung) zu kennzeichnen, durch die vorübergehend im Zweiten Weltkrieg auch eine verfassungswidrige Gesetzgebung allein durch den Bundesrat ermöglicht wurde.[1] Auf französisch wird es les pleins pouvoirs, auf italienisch pieni poteri genannt. Dieses extrakonstitutionelle, auch Staatsnotrecht genannte Verfahren wurde wiederholt in Krisen-, Vorkriegs- und Kriegsjahren beschlossen bzw. angewendet. Als frühere Beispiele nennt das Historische Lexikon der Schweiz den Neuenburgerhandel (1856), den oberitalienischen Unabhängigkeitskrieg (1859), den Deutsch-Französischen Krieg (1870), den Ersten Weltkrieg (1914) und die Weltwirtschaftskrise (1936). Der Bundesbeschluss über Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität vom 30. August 1939 übertrug dem Bundesrat ausserordentliche – normalerweise nur dem Parlament zustehende – Befugnisse.[2]

Der Bundesrat stützte danach viele seiner Massnahmen darauf, z. B. die Einführung einer direkten Bundessteuer. Auch nach dem Krieg hielten Bundesrat und Bundesversammlung das Vollmachtenregime noch länger bei.

Ab 1946 sammelten unterschiedliche Interessengruppen Unterschriften gegen dessen Fortsetzung. 1950 hob die Bundesversammlung insbesondere auf den politischen Druck durch die knapp angenommene Eidgenössische Volksinitiative «Rückkehr zur direkten Demokratie» hin das Vollmachtenregime zum Ende des Jahres 1952 vollständig auf. Nach wie vor enthält die Bundesverfassung der Schweiz keinen Notstandsartikel; das Gesetzgebungsverfahren wird in den Artikeln 143–173 geregelt.[3]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Andreas Kley: Geschichte des Öffentlichen Rechts in der Schweiz, Zürich/St. Gallen 2011. S. 119 ff.
  2. Andreas Kley: Vollmachtenregime. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  3. Andreas Kley: Mit Macht durch den Krieg In: NZZ am Sonntag vom 4. Mai 2015