Volkstag

Das Volkstagsgebäude in Danzig

Der Volkstag war vom 6. Dezember 1920 bis zum 1. September 1939 das Parlament der Freien Stadt Danzig. Dieser bestand zunächst (I.–III. Volkstag) aus 120, später (IV.–VI. Volkstag) aus 72 Abgeordneten, die im D’Hondt-Verfahren auf vier Jahre gewählt wurden. Aktives Wahlrecht: Männer und Frauen ab 20 Jahre im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte (Art. 8. Abs. 1 u. 3 DanV[1]). Das passive Wahlrecht hatten Männer und Frauen ab 25 Jahre mit aktivem Wahlrecht (Art. 8 Abs. 2 DanV). Wahlsystem: eine Stimme je Wähler, ein Wahlkreis.

Der Danziger Volkstag tagte im Gegensatz zu den meisten anderen Parlamenten, die feste und zeitlich begrenzte Tagungen abhalten, als ständige Institution. Der Volkstag wählte den Senat der Freien Stadt Danzig als Regierung der Freien Stadt Danzig (Exekutive).

Geschichte des Volkstags

Das Gebiet der Freien Stadt Danzig war im Deutschen Kaiserreich Teil der preußischen Provinz Westpreußen. In der Provinzhauptstadt Danzig bestand der Provinziallandtag der Provinz Westpreußen als Volksvertretung und damit Vorgänger des Volkstags. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Teile der Provinz Westpreußen Polen zugeschlagen. Gegen den Willen der Bevölkerung wurde Danzig und das Danziger Umland 1920 von Reich abgespalten und zur Freien Stadt Danzig erklärt. Die Interalliierte Verwaltung berief einen Staatsrat als quasi-All-Parteien-Regierung. Am 16. Mai 1920 fand die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung in Danzig 1920 statt. Die gewählte Verfassungsgebende Versammlung verabschiedete am 13. August 1920 die Verfassung der Freien Stadt Danzig und erklärte sich am 6. Dezember 1920 zum ersten Volkstag.

Der I. Volkstag amtierte vom 6. Dezember 1920 bis zum 31. Dezember 1923. Er wählte am 6. Dezember 1920 den Senat Sahm I. Er wurde von einer bürgerliche Koalition aus DNVP, Zentrum DDP und der ebenfalls liberalen Freien Wirtschaftlichen Vereinigung gebildet. Die Sozialdemokraten standen in Opposition.

Am 18. November 1923 fand die Volkstagswahl in Danzig 1923 zum II. Volkstag statt. Der zweite Volkstag amtierte vom 1. Januar 1924 bis 31. Dezember 1927. Am 13. November 1927 fand die Volkstagswahl in Danzig 1927 zum III. Volkstag statt. Der dritte Volkstag amtierte vom 1. Januar 1928 – 15. November 1930. Mit der Verfassungsänderung vom 4. Juli 1930 wurde der Volkstag von 120 auf 72 Mitglieder verkleinert. Weiterhin sah das Gesetz zur Verfassungsänderung eine Auflösung des Volkstages und eine Neuwahl in der neu bestimmten Größe vor.

Die vorgezogene Volkstagswahl in Danzig 1930 zum IV. Volkstag fand am 16. November 1930 statt. Der vierte Volkstag amtierte vom 16. November 1930 bis 27. Mai 1933. Mit der Volkstagswahl in Danzig 1933 am 28. Mai 1933 erfolgte auch in Danzig die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Die NSDAP hatte eine absolute Mehrheit erhalten. Der fünfte Volkstag amtierte vom 28. Mai 1933 bis zum 6. April 1935. Bedingt durch den Status der Freien Stadt Danzig (die Verfassung stand unter dem Schutz des Völkerbundes) konnte die Gleichschaltung der demokratischen Institutionen nicht sofort erfolgen. Die NSDAP ließ daher am 7. April 1935 eine vorgezogene Volkstagswahl in Danzig 1935 zum 6. Volkstag durchführen. Trotz massiver Beeinflussung und Wahlfälschung gelang es die Nationalsozialisten jedoch nicht, eine verfassungsändernde Mehrheit zu erhalten. Dieser amtierte vom 7. April 1935 bis zum Ende der Freien Stadt Danzig am 1. September 1939. Mit Drohungen, Verhaftungen und Bestechung wurden einige demokratische Abgeordnete zum Übertritt zur NSDAP gezwungen und die demokratischen Parteien verboten.

Präsidenten des Volkstags

Wahlergebnisse

Übersicht

Übersicht über die Wahlen 1919–1935
 ’19 a ’20’23’27’30’33’35 
Wahlbeteil. 70,0481,6085,4389,0792,0999,5Wahlbeteil.
NSDAP...0,81 d16,4050,1259,31NSDAP
DSP..6,251,16...DSP
WVgg.9,712,90 b1,223,22..WP
DNVP15,3328,2026,9819,5913,116,354,17 hDNVP
DVG....3,39 e..DVG
NLBP...4,562,22..NLBP
DDVP..4,494,38...DDVP
BAG...2,312,37..BAG
DDP23,788,766,68 c3,391,64..DLP
Zentrum16,2713,8812,8114,2715,2814,6313,41Zentrum
SP38,5115,9324,1233,7925,2517,6916,05SP
USP6,1217,45.....USP
KP..9,096,4010,216,803,37KP
Polen.6,084,383,153,23 f3,15 g3,53Polen
Sonstige..2,294,973,681,250,16Sonstige
 grafische Übersicht
Sitze 120120120727272Sitze
NSDAP..1 d123843NSDAP
DSP.71...DSP
WVgg123 b12..WP
DNP3433251043 hDNVP
DVG...3 e..DVG
NLBP..52..NLBP
DDVP.65...DDVP
BAG..32..BAG
DDP108 c41..DLP
Zentrum171518111010Zentrum
SP193042191312SP
USP21.....USP
KP.118752KP
Polen7532 f2 g2Polen
Sonstige.241Sonstige

a Wahl zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung.
b FrVgg
c DPWF
d NSDAP und Vrp
e Davon DVG „Landliste“ 2,68 %, 3 Sitze, DVG „Stadtliste“ 0,71 %.
f Davon Polen 2,41 %, 2 Sitze, PKP 0,82 %.
g Davon Polen 2,04 %, 1 Sitz, PLM 1,11 %, 1 Sitz.
h „Liste Weise“

Ergebnisse

19. Januar 1919

Wahl zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung

Ergebnis im Landkreis und Stadtkreis Danzig[2]Stimmen
überhauptv.H.
Wahlberechtigte  
Wähler  
  Wahlbeteiligung  
ungültige Stimmen  
gültige Stimmen144.577 
davon:
Sozialdemokratische Partei55.67738,51
Deutsche demokratische Partei34.37523,78
Christliche Volkspartei23.51616,27
Deutschnationale Volkspartei22.16815,33
Unabhängige sozialdemokratische Partei8.8416,12

1. Volkstag

16. Mai 1920, Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung[3]StimmenSitze
überhauptv.H.überh.v.H.
Wahlberechtigte219.14966,28 
Wähler153.488 
  Wahlbeteiligung 70,04
ungültige Stimmen2540,17
gültige Stimmen153.23499,83120 
davon:
Deutschnationale Partei43.20628,203428,33
Unabhängige sozialdemokratische Partei26.73417,452117,50
Sozialdemokratische Partei der Freien Stadt Danzig24.40915,931915,83
Zentrumspartei21.26213,881714,17
Freie Wirtschaftliche Vereinigung14.8789,711210,00
Deutsche demokratische Partei13.4248,76108,33
Polnische Partei9.3216,0875,83

2. Volkstag

Wahl zum 2. Volkstag am 18. November 1923[4]StimmenSitze
überhauptv.H.überh.v.H.
Wahlberechtigte202.59952,76 
Wähler165.311 
  Wahlbeteiligung 81,60
ungültige Stimmen5170,31
gültige Stimmen164.79499,69120 
davon:
Deutschnationale Partei44.45926,983327,50
Sozialdemokratische Partei der Freien Stadt Danzig39.75524,123025,00
Zentrumspartei21.11412,811512,50
Kommunistische Partei14.9829,09119,17
Deutsche Partei für Fortschritt und Wirtschaft11.0096,6886,67
Deutschsoziale Partei10.3016,2575,83
Deutsch-Danziger Volkspartei7.4064,4965,00
Polnische Partei7.2124,3854,17
Freie Vereinigung der Beamten, Angestellten und Arbeiter4.7822,9032,50
Vereinigung der Fischer, Räucherer, des Kleingewerbes
und der Handwerker
1.8101,1010,83
Mieter- und Wirtschaftspartei1.6861,0210,83
Nationale, christlich-soziale Ausgleichspartei2780,17

3. Volkstag

13. November 1927, Wahl zum 3. Volkstag[5]StimmenSitze
überhauptv.H.überh.v.H.
Wahlberechtigte214.64155,90 
Wähler183.363 
  Wahlbeteiligung 85,43
ungültige Stimmen5270,29
gültige Stimmen182.83699,71120 
davon:
Sozialdemokratische Partei der Freien Stadt Danzig61.77933,794235,00
Deutschnationale Volkspartei35.82619,592520,83
Zentrumspartei26.09614,271815,00
Kommunistische Partei11.7006,4086,67
Nationalliberale Bürgerpartei8.3314,5654,17
Deutsch-Danziger Volkspartei8.0104,3854,17
Deutschliberale Partei6.2043,3943,33
Polnische Partei5.7643,1532,50
Bürgerliche Arbeitsgemeinschaft4.2272,3132,50
Mieter- und Gläubigerpartei3.5771,9621,67
Wirtschaftsliste2.2251,2210,83
Deutschsoziale Partei2.1301,1610,83
Fischerpartei1.8581,0210,83
Vereinigte Listen der Nationalsozialistischen

Deutschen Arbeiterpartei (Hitler) und der Aufwertungs-
und Volksrechtpartei (Für Volksrecht und Aufwertung)

1.4830,8110,83
Danziger Hausbesitzerpartei1.3920,7610,83
Deutsche Mittelstands- und Arbeiterpartei1.0050,55
Danziger Wirtschaftsblock5830,32
Allgemeine Rentnerpartei5780,32
Arbeitnehmergruppe680,04

4. Volkstag

16. November 1930, Wahl zum 4. Volkstag[6]StimmenSitze
überhauptv.H.überh.v.H.
Wahlberechtigte222.56654,62 
Wähler198.237 
  Wahlbeteiligung 89,07
ungültige Stimmen3660,18
gültige Stimmen197.87199,8272 
davon:
Sozialdemokratische Partei der Freien Stadt Danzig49.96525,251926,39
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Hitlerbewegung)32.45716,401216,67
Zentrumspartei30.23015,281115,28
Deutschnationale Volkspartei25.93813,111013,89
Kommunistische Partei20.19410,2179,72
Deutsch-Danziger Wirtschaftspartei6.3683,2222,78
Deutsche Volksgemeinschaft »Landliste«5.3122,6834,17
Polen4.7632,4122,78
Bürgerliche Arbeitsgemeinschaft4.6852,3722,78
Nationalliberale Bürgerpartei4.4002,2222,78
Berufsvertretung Danziger Eisenbahn- und Hafenbediensteter3.4801,7611,39
Deutschliberale Partei3.2541,6411,39
Polnisch-Katholische Partei1.6140,82
Christliche Volkspartei1.6050,81
Deutsche Volksgemeinschaft »Stadtliste«1.3960,71
Mieterpartei1.3120,66
Fischer und Räucherer8980,45

5. Volkstag

28. Mai 1933, Wahl zum 5. Volkstag[7]StimmenSitze
überhauptv.H.überh.v.H.
Wahlberechtigte233.84257,38 
Wähler215.341 
  Wahlbeteiligung 92,09
ungültige Stimmen1.2130,56
gültige Stimmen214.12899,4472 
davon:
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei (Hitlerbewegung)107.33150,123852,78
Sozialdemokratische Partei der Freien Stadt Danzig37.88217,691318,06
Zentrumspartei31.33614,631013,89
Kommunistische Partei14.5666,8056,94
Deutschnationale Volkspartei13.5966,3545,56
Polen4.3582,0411,39
Polnische Liste Doktor Moczynski2.3851,1111,39
Jungdeutsche Bewegung1.6980,79
Deutsch-Danziger Hausbesitzerpartei9760,46

6. Volkstag

7. April 1935, Wahl zum 6. Volkstag[8]StimmenSitze
überhauptv.H.überh.v.H.
Wahlberechtigte237.16561,76 
Wähler  
  Wahlbeteiligung ca. 99,5
ungültige Stimmen  
gültige Stimmen235.062 72 
davon:
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei (Hitlerbewegung)139.42359,314359,72
Sozialdemokratische Partei37.72916,051216,67
Zentrumspartei31.52213,411013,89
Liste Weise9.8054,1734,17
Polen8.2943,5322,78
Kommunistische Partei Deutschlands7.9163,3722,78
Sonstige3730,16

Weblinks

  • Volkstag. In: Gedanopedia, abgerufen am 25. Juni 2023 (polnisch, übersetzt, mit einigen Abbildungen, siehe auch Tabelle: Volkstagsabgeordnete 1920–1939 / Tabela: Posłowie do Volkstagu w latach 1920–1939*)

Einzelnachweise

  1. Die Verfassung der Freien Stadt Danzig. Vom 17. November 1920. In: verfassungen.de, abgerufen am 25. Juni 2023.
  2. StatVJDR 1920, Heft 4, S. 278
  3. StatDan 1929, S. 56ff.
  4. StatDan 1929, S. 56ff
  5. StatDan 1929, S. 56ff.
  6. StatMDan 1933, S. 28
  7. StatMDan 1933, S. 28
  8. Falter u. a. 1986, S. 115

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