Vogelschauplan
Vogelschauplan ist die Bezeichnung für einen Plan oder eine Bildkarte, die eine Siedlung, Landschaft oder Sehenswürdigkeit aus der Vogelperspektive in Schrägansicht und meist detailgetreu zeigt. Diese entstanden bereits im frühen 15. Jahrhundert und stellen heute ergiebige Forschungsquellen dar. Die Künstler bemühten sich dabei um eine maßstabsgerechte und lagegenaue Darstellung und eine wirklichkeitsgetreue Wiedergabe selbst kleinster Details der Gebäude, Straßen und Plätze. Erhaltene Vogelschaupläne liegen aus dem frühen 15. Jahrhundert vor. Ab wann dieser Begriff verwendet wurde, ist unklar. Auftraggeber für die Vogelschaupläne waren meist reiche Landesherren oder Adelige. Die anfangs als Kupferstiche, Radierungen oder Tuschzeichnungen in Schwarz-Weiß produzierten Pläne wurde teilweise von Hand nachkoloriert. Im 19. Jahrhundert entstanden sie auch als farbige Gemälde wie beispielsweise der Vogelschauplan von Köln von Jakob Scheiner oder als farbige Lithographien wie der Vogelschauplan von Basel von Johann Friedrich Mähly.
Viele Vogelschaupläne gingen im Laufe der Jahrhunderte verloren und existieren nur noch als Reproduktionen. Die wenigen erhaltenen Originale sind heute im Besitz von Museen, Sammlungen, Bibliotheken oder Archiven.
Bekannte Vogelschaupläne werden oft nach ihren Erstellern benannt, so
- der Alerdinck-Plan von Münster nach Everhard Alerdinck,
- der Sickinger-Plan von Freiburg nach Gregorius Sickinger,
- der Corputius-Plan von Duisburg nach Johannes Corputius,
- der Murerplan von Zürich von Jos Murer oder
- die Bollmann-Bildkarten vom Bollmann-Bildkarten-Verlag.
Bedeutung und Nutzen
Heute sind die Vogelschaupläne Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Für Historiker, Stadtarchäologen, Geographen, Soziologen und Archivare sind sie wertvolle Quellen ihrer Arbeit. Sie ermöglichen die Lokalisierung längst nicht mehr vorhandener Gebäude, Straßen und Gewässerläufe und die Erforschung und Dokumentation der Stadtentwicklung und -geschichte. Auch können sie zum Verständnis alter Ortsbezeichnungen und der Schilderungen von Gegebenheiten und Gepflogenheiten beitragen, die in Briefen, Abhandlungen und Ratsprotokollen aus ihrer Entstehungszeit erwähnt werden. So wurde beispielsweise erst mithilfe des Vogelschauplans von Ulm klar, was mit dem in alten Ratsprotokollen erwähnten Begriff „Sandhäuslein“ gemeint war, wie es damals aussah und wo es sich befand. Es handelte sich um einen kleinen straßenseitigen Anbau an ein Wohnhaus am alten Marktplatz, der zur Lagerung von Streusand diente. Auf dem Vogelschauplan von 1597 noch deutlich zu erkennen, ist das Gebäude auf späteren Plänen nicht mehr zu finden.
Schon im Mittelalter dienten Vogelschaupläne dem Zweck, Reisenden die Orientierung in einer fremden Stadt zu erleichtern. Dies galt insbesondere für größere Städte wie beispielsweise Rom, die von Pilgern aufgesucht wurden, die oft des Lesens nicht mächtig waren.
Die Stadt Ravensburg verwendet heute eine graphisch bearbeitete Reproduktion des Vogelschauplans von Matthäus Merian aus dem Jahr 1623 mit farbig hervorgehobenen Sehenswürdigkeiten auf einer Informationstafel für Touristen. Die Stadt Frankfurt am Main bildet in ihren Informationsbroschüren über einzelne unter Denkmalschutz stehende Gebäude zur Lagekennzeichnung ebenfalls farbige Ausschnitte aus einem Merian-Vogelschauplan ab.
Bekannte Vogelschaupläne (Auswahl)
- 1521 Augsburg (Georg Seld)
- 1566 Duisburg (Johannes Corputius)
- 1576 Zürich (Jos Murer)
- 1589 Freiburg im Breisgau (Gregorius Sickinger)
- 1613 München (Tobias Volckmer)
- 1614 Regensburg (Hans Georg Bahre)
- 1615 Basel (Matthäus Merian)[1]
- 1626 Augsburg (Wolfgang Kilian, der „Kilianplan“)
- 1636 Münster (Westfalen) (Everhard Alerdinck)
- Brockenkarte von 1732, L. S. Bestehorn
- 1778 Wien (Joseph Daniel von Huber)[2]
- 1845 Freiburg im Breisgau (Joseph Wilhelm Lerch)
Literatur
- Alice Hecht: Vorstellung historischer Garten- und Vogelschaupläne ... In: Leipzig im Kartenbild. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2001, ISBN 978-3-935693-19-6, S. 51 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Hans-Werner Klünner: Vogelschau-Pläne und -Ansichten von Berlin: eine Edition der schönsten "Vogelschau-Ansichten" von der Berliner Mitte: sieben Blätter, gezeichnet und fotografiert zwischen 1766 und 1992. Bien & Giersch, Berlin 1994, ISBN 978-3-928710-17-6.
- Gert Kaster: Die Vogelschaupläne von Tsingtau 1898–1912: The birds`s view maps of Tsingtao 1898–1912. E. S. Mittler, Hamburg (geplant für Oktober 2017), ISBN 978-3-8132-0972-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Matthias: Basler Bauten. In: basler-bauten.ch. Abgerufen am 28. März 2017.
- ↑ Wien Geschichte Wiki: Vogelschauplan, Joseph Daniel Huber (1769–1773)
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Ravensburg, Marienplatz, touristische Informationstafel vor dem Blaserturm zu Sehenswürdigkeiten anhand des Stichs von Merian aus dem 17. Jh. (der im Bereich der Altstadt immer noch weitgehend zutrifft)
The plan of the Eternal City depicted from a bird's eye view, with north at bottom of the page and south at top. Represented are only monuments from antiquity and Christianity, but no residential buildings or any street. The plan seems to be centred on the Capitol.
Autor/Urheber: Original Everhard Alerdinck (Everhardus Alerdinck), Reproduction Heinrich Guttermann (Vermessungs- und Katasteramt Stadt Münster), Coloured version by Vermessungs- und Katasteramt Stadt Münster, Lizenz: Copyrighted free use
Vogelschauplan von Münster, Westfalen, nach Everhard Alerdinck, 1636