Vittore Carpaccio

Profilbild des Malers,
anonymer Kupferstich um 1700
Die Grablegung Christi (Gemäldegalerie Berlin)
Der Traum der Heiligen Ursula (1495)

Vittore Carpaccio (* um 1465 in Venedig; † 1525/26 ebenda) war ein bedeutender Maler und Zeichner der Frührenaissance in Venedig.

Leben und Hauptwerke

Carpaccio wuchs in Venedig als Sohn des Kürschners Scarpazo auf, diese venezianische Namensform erscheint noch in der Signatur seines frühesten erhaltenen Werks, einem Christus Salvator, um 1485/1490. Seine Familie war albanischer Herkunft. Sie war von Korça vor den Osmanen nach Venedig geflüchtet.[1] Über seine Ausbildung gibt nur der Stil seiner frühen Werke Auskunft. Man nimmt an, dass er ein Schüler Gentile Bellinis oder eines Malers aus dessen Umkreis war, aber auch Einflüsse älterer Venezianer wie Alvise Vivarini, Antonello da Messina (um 1430–1479) und Giovanni Bellini (1437–1516) sind aufgezeigt worden.

Das Hauptwerk seiner Frühzeit, die Gemälde des neunteiligen Zyklus Legende der Hl. Ursula, entstand für die gleichnamige scuola in den Jahren 1490–1495. Es bildet den Auftakt für Aufträge zu Bilderzyklen für mindestens drei weitere scuole. In den 1490er Jahren entstand auch das motivisch ungewöhnliche Genrebild der beiden venezianischen Edeldamen auf dem Balkon (früher als „Zwei Kurtisanen“ gedeutet). Es bildete einst mit der Jagd in der Lagune eine zusammenhängende Tafel. Als weiterer Höhepunkt seines Schaffens gilt die noch am Ursprungsort, der Scuola di S. Giorgio degli Schiavoni hängende Bilderfolge (1502–1507). 1511–20 schuf er fünf Gemälde für die Scuola di Santo Stefano, von denen heute nur noch vier in den Museen zu Berlin, Mailand, Paris und Stuttgart zu sehen sind. Im Alter arbeitete er auch für Kirchen in Dalmatien und Istrien, dort ließ sich auch sein Sohn Benedetto (um 1500–nach 1560) als Maler nieder.

Die Szenerien seiner Bilderzählungen nutzte Carpaccio, um auch die Stadtgestalt Venedigs und deren genau beobachtetes alltägliches Leben, ihre Bräuche und Feierlichkeiten wiederzugeben. Im allegorischen Hintergrund seiner Themen und der prächtigen Ausgestaltung mancher Motive spiegelt sich die Aktualität der Türkenkriege. Die Episoden werden dabei eher poetisch als mit Pathos stilisiert. Gesicherte Porträts sind von Carpaccio kaum erhalten. Seine symbolisch angereicherte Bildersprache zeigt, wie belesen und gebildet er war. Auch finden sich aus damaliger Sicht revolutionäre Objekte als Details, wie zum Beispiel die im Jahr 1502 noch recht unbekannte Brille.[2] Die Architekturen haben etwas exotisch-phantastisches, doch sind sie klar gebaut, fest umrissen und folgen einer streng geometrischen Perspektive. Die Landschaft schmückt er fabulierfreudig und detailreich aus. Das Licht in allen Variationen vom Morgendämmern bis zum indirekten Lichteinfall der Interieurs spielt bei Carpaccio eine besondere Rolle – selbst wenn man bedenkt, wie sehr dieser Aspekt generell die venezianische Malerei bestimmt. Eine charakteristische Farbpalette, besonders in den Rottönen, spielt damit zusammen. Carpaccios Spätwerk wird als schwächer angesehen, eine gewisse Erstarrung, die abnehmende Klarheit der Farbgebung und Atmosphäre dürfte auf einen zunehmenden Anteil von Werkstattgehilfen zurückgehen.

Werke (Auswahl)

Wenn nicht anders angegeben, handelt es sich um Gemälde auf Leinwand.
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BildTitelJahrMaßeSammlung
Christus Salvator zwischen den vier Evangelisten1485–1490Riverdale/N.Y., Stanley Moss Collection
Einsegnung des Hl. Stephanus1511148 × 231 cmBerlin, Gemäldegalerie
Grablegung Christi1500 ca.145 × 185 cmBerlin, Gemäldegalerie
Junger Ritter1510219 × 145 cmMadrid, Museo Thyssen-Bornemisza
Streitgespräch des Hl. Stephanus1514147 × 142 cmMailand, Pinacoteca di Brera
Das Wunder der Kreuzreliquie am Rialtoum 1496365 × 389 cmVenedig, Accademia
Meditation über die Passion1510 ca.71 × 87 cmNew York, Metropolitan Museum of Art
Predigt des Hl. Stephanus vor den Toren Jerusalems1511–14 ca.152 × 195 cmParis, Louvre
Steinigung des Hl. Stephanus1520149 × 170 cmStuttgart, Staatsgalerie
Jagd in der Lagune, auf Holz1490 ca.75 × 64 cmMalibu (Kalifornien), J. Paul Getty Museum
Christus mit den Marterwerkzeugen1496162 × 162Udine, Galleria d’Arte Antica
Ursulazyklus: 1. Ankunft der englischen Gesandten1496–1498275 × 589 cmVenedig, Accademia
Ursulazyklus: 2. Abschied der Gesandten1496–1498280 × 253 cmVenedig, Accademia
Ursulazyklus: 3. Rückkehr der Gesandten1496–1498297 × 527 cmVenedig, Accademia
Ursulazyklus: 4. Begegnung der Verlobten und Einschiffung der Pilger1495280 × 611Venedig, Accademia
Ursulazyklus: 5. Empfang der Pilger durch Papst Cyriacus vor den Mauern Roms1492–1494281 × 307 cmVenedig, Accademia
Ursulazyklus: 6. Der Traum der heiligen Ursula1495 ?274 × 267 cmVenedig, Accademia
Ursulazyklus: 7. Hl. Ursula, die Pilger und der Papst erreichen Köln1490280 × 255 cmVenedig, Accademia
Ursulazyklus: 8. Martyrium der Pilger und Begräbnis der Hl. Ursula1493271 × 561 cmVenedig, Accademia
Ursulazyklus: 9. Verklärung der Hl. Ursula und ihrer Gefährtinnen1491481 × 336 cmVenedig, Accademia
Der Patriarch von Grado heilt einen Besessenen1494365 × 389 cmVenedig, Accademia
Darbringung im Tempel (auf Holz)1490–1495421 × 236 cmVenedig, Accademia
Zwei wartende Venezianerinnen („Zwei Kurtisanen“) (auf Holz)1490 ca.94 × 64 cmVenedig, Museo Correr
Der Hl. Georg tötet den Drachen1502–1507136 × 354 cmVenedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Der Hl. Georg bringt den Drachen in die Stadt1502–1507136 × 355 cmVenedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Der Hl. Georg tauft König Aius1502–1507136 × 355 cmVenedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Der Hl. Trifonius befreit die Tochter des Kaisers Gordianus1508 ?141 × 300 cmVenedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Christus im Garten Gethsemane1502144 × 104 cmVenedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Die Berufung des Hl. Matthäus1502144 × 114 cmVenedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Der Hl. Hieronymus bringt den Löwen ins Kloster1502–1507 ca.144 × 208 cmVenedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Tod des Hl. Hieronymus1502144 × 208 cmVenedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Der Hl. Hieronymus im Gehäus1502–1507 ca.144 × 208 cmVenedig, Scuola di San Giorgio degli Schiavoni
Die Hl. Familie mit zwei Stiftern150590 × 136 cmLissabon, Museu Calouste Gulbenkian
Die lesende Gottesmutter1505 ca.78 × 51 cm, urspr. auf HolzWashington, National Gallery of Art
Madonna mit Kind1505 – 1510 ca.84,8 × 68,3 cmWashington, National Gallery of Art
Die Flucht nach Ägypten1515 ca.72 × 111 cm, auf HolzWashington, National Gallery of Art
Hl. Katharina und Hl. Veneranda1500 ca.Verona, Museum Castelvecchio

Ausstellungen

  • 7. März bis 28. Juni 2015: „Carpaccio. Vittore e Benedetto da Venezia all’Istria. L’autunno magico di un maestro“, Ausstellung in Conegliano, Palazzo Sarcinelli, Via XX Settembre.

Siehe auch

  • Giovanni di Niccolò Mansueti
  • Carpaccio, ein Fleischgericht, das nach dem charakteristischen Carpaccio-Rot benannt ist.

Literatur

  • Friedrich Wilhelm BautzCarpaccio, Vittore. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage. Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 935–936.
  • A. Gentili: Carpaccio, Vittore. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 16, Saur, München u. a. 1997, ISBN 3-598-22756-6, S. 528–532.
  • Fritz Heinemann: Vittore Carpaccio. Zur Ausstellung im Dogenpalast in Venedig, 15. Juni – 6. Oktober 1963 In: Kunstchronik, 1963, S. 237–246, (Digitalisat).
  • Ines Kehl: Vittore Carpaccios Ursulalegendenzyklus der Scuola di Sant'Orsola in Venedig. Eine venezianische Illusion (= Manuskripte der Kunstwissenschaft in der Wernerschen Verlagsgesellschaft 36=.) Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 1992. ISBN 3-88462-935-2
  • Jan Lauts: Carpaccio. Gemälde und Zeichnungen. Gesamtausgabe. Phaidon-Verlag, Köln 1962.
  • Vittorio Sgarbi: Carpaccio. Leben und Werk. Hirmer Verlag, München 1999, ISBN 978-3-7774-8320-7 (272 S.).
Commons: Vittore Carpaccio – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Irena Ndreu: Albanian Cultural Representation In The City Of Venice. Through Albanian Painters in Italy. In: International Journal of Social and Educational Innovation. Nr. 7. Bukarest 2017, S. 22 (14 S., online).
  2. Historische Brillenabbildung in Vittore Carpaccio's Tod des heiligen Hieronymus. In: optikum, Fachmagazin für Augenoptik und Optometrie. 16. Februar 2020, abgerufen am 18. Februar 2020 (deutsch).

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Accademia - Miracle of the Holy Cross at Rialto by Vittore Carpaccio.jpg
Vittore Carpaccio, Miracle of the Relic of the Cross at the Ponte di Rialto, c. 1496 Strukturierte Daten auf Commons bearbeiten
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Vittore Carpaccio (um 1466- um 1525)
Accademia - Sogno di sant'Orsola - Vittore Carpaccio.jpg
The Dream of St. Ursula, Vittore Carpaccio, 1495; tempera on canvas, 274 × 267 cm, Gallerie dell'Accademia, Venice Strukturierte Daten auf Commons bearbeiten
Carpaccio the virgin reading.jpg
Vittore Carpaccio.

The Virgin Reading, c. 1505 oil on panel transferred to canvas 78 x 51 cm

The National Gallery of Art, Washington