Vitali Alekseenok

Vitali Alekseenok (2021)

Vitali Alekseenok (belarussisch Віталь Алексяёнак, transkribiert Wital Aleksjajonak; russisch Виталий Алексеёнок, transkribiert Witali Aleksejonok; * 4. Januar 1991 in Wilejka, Belarussische SSR[1]) ist ein belarussischer Dirigent und Autor, der mit Aufenthaltstitel in Deutschland lebt. Er ist seit 2022 Kapellmeister und ab 2024 designierter Generalmusikdirektor an der Deutschen Oper am Rhein.

Leben

Vitali Alekseenok ist der Sohn einer Zahntechnikerin und eines Mechanikers.[2] Er wuchs in Wilejka auf, einer Provinzstadt mit rund 30.000 Einwohnern. Wie er im Interview erzählt, wuchs er bilingual auf, also mit zwei Sprachen: Russisch und Belarussisch. Als Jugendlicher lernte er Posaune und war vom Jazz fasziniert.[3] In Minsk absolvierte er ein College of Music[4] und begann sein Dirigierstudium im Alter von 20 Jahren am Sankt Petersburger Konservatorium bei Alexander Alexejew. 2015 erhielt er eine Einladung an die Hochschule für Musik Weimar, wo er bei Nicolás Pasquet, Gunter Kahlert und Ekhart Wycik studierte. Zudem absolvierte er Meisterkurse bei unter anderem Bernard Haitink, Bruno Weil und Rüdiger Bohn.[5][6]

Von 2018 bis 2022 war Alekseenok Chefdirigent und musikalischer Leiter des Abaco-Orchesters in München.[7] Als Dirigent und Assistent wirkte Alekseenok bisher an Opernhäusern wie der Bayerischen Staatsoper, dem Gran Teatre del Liceu, dem Theater an der Wien, der Oper Graz, dem Nationaltheater Weimar, der Nationaloper Kiew (Tristan und Isolde) sowie der Nationaloper Odessa und dirigierte Orchester wie das MDR-Sinfonieorchester, die Staatskapelle Weimar und das Sinfonieorchester Kiew.[5] Zudem gastierte er im Rahmen von Konzerten zum Beispiel beim Rossini Opera Festival Pesaro,[8] beim Beethovenfest Bonn,[9] bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen,[10] am Teatro Communale di Bologna[11] und am Teatro Massimo Bellini.[12]

Am Teatro alla Scala dirigierte er 2022 die Uraufführung der Oper Il piccolo principe von Pierangelo Valtinoni, einer Vertonung von Der kleine Prinz.[13] Im Rahmen des Bonner Beethovenfests brachte er das Werk The Sky of Mary der belarussischen Komponistin Olga Podgajskaja zur Uraufführung, gewidmet der Minsker Musikpädagogin, Bürgerrechtlerin und politischen Gefangenen Maryja Kalesnikawa.[14]

Seit 2022 ist Alekseenok Kapellmeister an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf.[5] Ab August 2023 übernimmt er dort die Position des Ersten Kapellmeisters und Stellvertreters des Generalmusikdirektors Axel Kober, dessen designierter Nachfolger er ab August 2024 für drei Spielzeiten ist.[15][16]

Alekseenok ist außerdem Gründer und künstlerischer Leiter des ensemble paradigme[5] und seit 2021 künstlerischer Leiter des Charkiw-Musikfests.[17] Das für März 2022 geplante Charkiw-Musikfest leitete er von Berlin aus in Kooperation mit den örtlichen Musikern und Behörden. Trotz der russischen Bombardierungen fanden Konzerte in einem Bunker und einer U-Bahn-Station statt.[18]

Politisches Engagement

Im Jahr 2020 reiste Alekseenok für sechs Wochen nach Belarus und beteiligte sich in Minsk an Protesten und Streiks gegen den belarussischen Präsidenten Aljaksandr Lukaschenka. In seinem 2021 veröffentlichten Buch Die weißen Tage von Minsk setzte er sich mit der politischen Situation und den Freiheitsbestrebungen in seinem Heimatland Belarus auseinander.[19]

Nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 fuhr er mit Hilfsgütern an die polnisch-ukrainische Grenze und blieb dort eine Woche, um als Fahrer, Dolmetscher und Vermittler auszuhelfen.[20] Er holte dort auch den 84-jährigen ukrainischen Komponisten Walentyn Sylwestrow ab, der aus Kiew an die Grenze geflohen war.[21]

Auszeichnungen

  • 2021: Erster Preis beim Internationalen Dirigierwettbewerb Arturo Toscanini in Parma[5]

Publikationen

  • Vitali Alekseenok: Die weißen Tage von Minsk. Unser Traum von einem freien Belarus. Vorwort Valzhyna Mort. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021, ISBN 978-3-10-397098-2
  • Vitali Alekseenok, Hans Jürgen Balmes, Alexander Roesler, Julia Heinen, Sophie von Heppe: Nachdenken über die Ukraine. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022, ISBN 978-3-10-809163-7

Weblinks

Commons: Vitali Alekseenok – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Vitali Alekseenok: Die weißen Tage von Minsk. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021, S. 192.
  2. Bettina Röder: „Ich bin seither ein anderer Mensch.“ In: SozDia Stiftung Berlin (Hrsg.): Ansichtssache, 2/2021, S. 22–23 ([1]).
  3. Raoul Mörchen: Zwischentöne mit Vitali Alekseenok. Deutschlandfunk Audiothek, 26. Februar 2023, abgerufen am 26. Februar 2023 (72:30 min).
  4. Vitali Alekseenok: Die weißen Tage von Minsk, S. 30.
  5. a b c d e Deutsche Oper am Rhein: Vitali Alekseenok. Abgerufen am 5. Februar 2023.
  6. Landestheater Niederbayern: Vitali Alekseenok. Abgerufen am 5. Februar 2023.
  7. Vitali Alekseenok (2018–2022). abaco-orchester.de.
  8. Rossini Opera Festival: Alekseenok Vitali – Artists. Abgerufen am 5. Februar 2023 (italienisch).
  9. Beethovenfest: Konzerte zwischen Explosionen. Abgerufen am 5. Februar 2023.
  10. Schlossfestspiele Ludwigsburg: Vitali Alekseenok. Abgerufen am 5. Februar 2023.
  11. Bologna Città della Musica UNESCO: Vitali Alekseenok e Sara Cortolezzis. 14. November 2022, abgerufen am 5. Februar 2023 (italienisch).
  12. Operabase
  13. Teatro alla Scala: The Little Prince. Abgerufen am 5. Februar 2023.; Il piccolo principe bei Boosey & Hawkes; Operabase.
  14. Ein Mitschnitt ist zu sehen und zu hören auf YouTube.
  15. Deutsche Oper am Rhein: Vitali Alekseenok. Abgerufen am 13. Juli 2023.
  16. Vitali Alekseenok neuer Chefdirigent bei Deutscher Oper am Rhein. In: nmz Neue Musikzeitung. 23. Juni 2023, abgerufen am 14. Juli 2023.
  17. Kharkiv Music Fest. Abgerufen am 1. Februar 2022.
  18. Musikfestival in Charkiw. Konzerte zwischen den Explosionen. Deutschlandfunk Kultur, 27. März 2022. Audio.
  19. Perlentaucher: Vitali Alekseenok. Abgerufen am 6. Februar 2023.
  20. Hartmut Welscher: Musiker in Odessa schützen das Theater jetzt von außen. In: VAN Magazin vom 9. März 2022.
  21. Kathrin Hasselbeck: Interview mit Dirigent Vitali Alekseenok. BR-Klassik, 10. März 2022. Audio.

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Conductor Vitali Alekseenok (2021)