Virale hämorrhagische Septikämie

Virale hämorrhagische Septikämie

Die virale hämorrhagische Septikämie (VHS, Syn. Egtved-Krankheit) ist eine mit Blutungen (Hämorrhagien) in die Organe einhergehende Viruserkrankung, die vor allem Forellenfische (Salmoniden), aber auch andere Fischarten befällt. Sie gehört zu den Anzeigepflichtigen Tierseuchen. Der Erreger ist ein Rhabdovirus (VHSV).

Erreger

Virales hämorrhagisches Septikämievirus

Elektronenmikroskopische Negativ-
Aufnahme des Piscine novirhabdovirus

Systematik
Klassifikation:Viren
Realm:Riboviria[2][1]
Reich:Orthornavirae[1]
Phylum:Negarnaviricota
Subphylum:Haploviricotina
Klasse:Monjiviricetes
Ordnung:Mononegavirales
Familie:Rhabdoviridae
Gattung:Novirhabdovirus
Art:Piscine novirhabdovirus
Taxonomische Merkmale
Genom:(-)ssRNA linear unsegmentiert
Baltimore:Gruppe 5
Symmetrie:helikal
Hülle:vorhanden
Wissenschaftlicher Name
Piscine novirhabdovirus
Kurzbezeichnung
VHSV
Links

Die virale hämorrhagische Septikämie (VHS) wird durch das Piscine novirhabdovirus (vormals Virales hämorrhagisches Septikämievirus, englisch Viral hemorrhagic septicemia virus, VHSV) verursacht. Es infiziert über 50 Arten von Süßwasser- und Meeresfischen in mehreren Teilen der nördlichen Hemisphäre.[3] Verschiedene Stämme des Virus treten auf in verschiedenen Regionen und bei den verschiedenen Wirtsarten. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Krankheit die menschliche Gesundheit beeinträchtigt. VHS ist auch bekannt als Egtved-Krankheit, und das Virus als Egtved-Virus.[4]

VHSV ist eine Spezies von Einzelstrang-RNA-Viren negativer Polarität in der Ordnung Mononegavirales, Familie Rhabdoviridae, und Gattung Novirhabdovirus.[5] Eine weitere verwandte Fisch-Rhabdovirus-Spezies ist das Salmonid novirhabdovirus (veraltet Infektiöses hämatopoetisches Nekrosevirus, Infectious hematopoietic necrosis virus, IHNV, Typusspezies in der Gattung Novirhabdovirus), das bei Lachsen (Salmonidae) eine infektiöse hämatopoetische Nekrose (IHN) verursacht.

Die virale Ursache der Krankheit wurde 1963 von M. H. Jenson entdeckt.[6] Die Virionen (Virusteilchen) von VHSV sind umhüllt, sphärisch (kugelförmiges), etwa 180 nm lang, mit einem Durchmesser um 60 nm, bedeckt mit 5 bis 15 nm langen Peplomeren.[4]

Epizootiologie

Die Erkrankung tritt akut vor allem bei Regenbogenforellen und Hechten auf, andere Forellenfische sind meist nur symptomlos infiziert. Wichtig für die Bekämpfung ist die Tatsache, dass Fische die die Krankheit überleben und symptomlos infizierte Fische lebenslang Virusträger bleiben und somit ein Erregerreservoir darstellen. Die Übertragung erfolgt über verseuchtes Wasser, infizierte Fische und Wasservögel, aber auch Geräte und Personal von Teichwirtschaften.

Subtypen

Verschiedene Isolate (isolierbare Stämme) von VHSV werden üblicherweise anhand ihres Genotyps gruppiert. Ein Gruppierung nach der Geographie des Auftretens erscheint bei dieser Spezies zweckmäßiger als nach Wirtsarten. Frühere Studien verwendeten unterschiedliche Benennungssysteme,[7][8] aber inzwischen hat das folgende System allgemeine Verbreitung gefunden. Dieses basiert auf der Ähnlichkeit des Genotyps (ermittelt durch Sequenzanalyse der N- und G-Gene). Die Typen I-III sind in Europa und Typ IV in Nordamerika enzootisch. Die Typen I- und IV werden noch weiter nterteilt wie folgt:

TypeVorherrschende Wirtsart und Standort
  I-aZuchtanlagen von Regenbogenforellen und einige andere Süßwasserfischen in Kontinentaleuropa[9]
  I-bSalzwasserfische der Ostsee, Skagerrak, Kattegat, Nordsee, Japan[3]
  I-cZuchtanlagen von Regenbogenforellen in Dänemark
  I-dZuchtanlagen von Regenbogenforellen in Norwegen, Finnland, und dem Bottnischen Meerbusen
  I-eRegenbogenforellen in Georgien, gezüchteter und wilder Steinbutt im Schwarzen Meer[10]
  IISalzwasserfische der Ostsee
  IIISalzwasserfische der Britischen Inseln und Nordfrankreichs, gezüchteter Steinbutt in Großbritannien und Irland sowie Schwarzer Heilbutt (Reinhardtius hippoglossoides) in Grönland.[11]

Zucht von Regenbogenforellen in Norwegen.[12]

  IV-aSalzwasserfische des Nordwestpazifiks (Nordamerika), der nordamerikanischen Nordatlantikküste,[13] Japans und Koreas[3][14]
  IV-bSüßwasserfische in der nordamerikanischen Region der Großen Seen[14]

Der erste entdeckte Stamm war Typ I-a im Jahr 1963, erst Ende 1988 folgte der zweite. I-a wurde von Fischfarmen in Kontinentaleuropa isoliert und betraf hauptsächlich Regenbogenforellen, gelegentlich auch Bachforellen oder Hechte.[15]

1988 wurde der erste marine Stamm der VHSV, jetzt als Typ IV bezeichnet, in normal erscheinenden Lachsen gefunden, als sie vom Pazifik in die Flüsse des US-Bundesstaates Washington zurückkehrten. Dieser Stamm und andere Meeresstämme waren für Regenbogenforellen nicht tödlich. Die Entdeckung führte aber zu weiteren Untersuchungen, und Mitte der neunziger Jahre wurde marines VHSV in acht Arten entlang der nordamerikanischen Pazifikküste und in 14 Arten in und um die atlantische Nordsee gefunden.[16] 1996 fand in Japan fand man erstmals VHSV in japanischen Flundern (Paralichthys olivaceus), die in der Seto-Inlandsee gezüchtet wurden.[17] Seitdem sind in verschiedenen Gebieten unterschiedliche Genotypen aufgetreten.[7] Typ IV wurde später vor der nordamerikanischen Atlantikküste gefunden beim Atlantischem Hering (Clupea harengus),[18] beim Mummichog (Fundulus heteroclitus), beim Dreistachligen Stichling (Gasterosteus aculeatus aculeatus), bei der Bachforelle (Salmo trutta) und dem Streifenbarsch (Morone saxatilis).[11] Dazu kommen Dutzende Arten von Süßwasserfischen in den Großen Seen.

VHSV ist seitdem in weiteren geografischen Gebieten und bei weiteren Fischarten anzutreffen. Es wird vermutet, dass dies sowohl die Ausbreitung des Virus in neuen Gebieten durch VHSV-infizierte Eier und durch Lebendfischtransfers von Nordamerika nach Asien verursacht wird, als auch durch die Fütterung von rohem Meeresfisch an im Inland gezüchtete Forellen (wie in Finnland).[9] Als weitere Möglichkeit kommt die Entdeckung von bereits bestehenden Populationen, wie etwa ein anscheinend gut etabliertes Meeresreservoir im Schwarzen Meer.[10]

Um die Verteilung der verschiedenen VHSV-Genotypen zu verfolgen, wurde eine Datenbank namens Fishpathogens.eu erstellt, in der Daten zu verschiedenen Fischpathogenen (einschließlich VHSV) und deren Sequenzen gespeichert werden.[19]

Symptome

Die VHS kann in verschiedenen Krankheitsbildern auftreten.

Die akute Form ist durch plötzlich auftretendes Massensterben gekennzeichnet. Die Fische sind apathisch, färben sich dunkel, haben blasse Kiemen und hervortretende Augäpfel (Exophthalmus). Pathologisch-anatomisch finden sich punktuelle Blutungen in Muskulatur, Haut, Augen und inneren Organe sowie eine Enteritis, erkennbar an einer Füllung des Darmes mit gelbem Schleim.

Die chronische Form schließt sich an die akute Form an. Die Symptome sind ähnlich, die Anzahl der Todesfälle jedoch gering.

Bei der nervösen Form treten kaum Todesfälle auf und auch die klassischen Symptome fehlen. Stattdessen zeigen die Fische Anzeichen einer Störung des Zentralnervensystems wie Gleichgewichtsstörungen und abnorme Schwimmbewegungen.

Gesetzliche Grundlagen

In Deutschland sind die Maßnahmen zur Bekämpfung der VHS geregelt durch:

In der Schweiz ist die Virale hämorrhagische Septikämie eine auszurottende und somit meldepflichtige Tierseuche.[21]

In Österreich ist die Virale Hämorrhagische Septikämie Anzeigepflicht.[22] Tiere, bei denen die Erkrankung nachgewiesen wurde, sind zu töten.[23]

Nachweis

Für den definitiven Nachweis der Erkrankung ist in einem Verdachtsfall eine virologische Diagnostik gesetzlich vorgeschrieben. Sie erfolgt durch Anzüchtung des Virus in einer Zellkultur und Nachweis mittels VHS-Antikörpern. Auch ein Nachweis der Virus-Ribonukleinsäure durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist möglich.

Einzelnachweise

  1. a b ICTV: ICTV Taxonomy history: Akabane orthobunyavirus, EC 51, Berlin, Germany, July 2019; Email ratification March 2020 (MSL #35)
  2. ICTV Master Species List 2018b.v2. MSL #34, März 2019
  3. a b c Disease Factsheets: Viral Hemorrhagic Septicemia Iowa State University, The Center for Food Security & Public Health. Last updated May 17, 2007. Abgerufen am 12. Juli 2007.
  4. a b McAllister, Philip E.: Fish Disease Leaflet 83: Viral Hemorrhagic Septicemia of Fishes (Memento desOriginals vom 30. August 2004 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lsc.usgs.gov. United States Department of the Interior, U.S. Fish and Wildlife Service. 1990. Abgerufen am 12. Juli 2007.
  5. NCBI Taxonomy browser (Viral hemorrhagic septicemia virus). NCBI Taxonomy Database. United States Department of Health and Human Services, National Institutes of Health, National Library of Medicine, National Center for Biotechnology Information. Abgerufen am 14. Juli 2007.
  6. Kipp, Rebekah M., Anthony Ricciardi: @1@2Vorlage:Toter Link/www.glerl.noaa.govVHS Factsheet (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Februar 2022. Suche in Webarchiven). 2006-12-08. Abgerufen am 16. Juli 2007.
  7. a b T Nishizawa, H Iida, R Takano, T Isshiki, K Nakajima, K Muroga: Genetic relatedness among Japanese, American and European isolates of viral hemorrhagic septicemia virus (VHSV) based on partial G and P genes. In: Diseases of Aquatic Organisms. 48. Jahrgang, Nr. 2, 2002, S. 143–8, doi:10.3354/dao048143, PMID 12005236.
  8. R Thiéry, C De Boisséson, J Jeffroy, J Castric, P De Kinkelin, A Benmansour: Phylogenetic analysis of viral haemorrhagic septicaemia virus (VHSV) isolates from France (1971-1999). In: Diseases of Aquatic Organisms. 52. Jahrgang, Nr. 1, 2002, S. 29–37, doi:10.3354/dao052029, PMID 12517003.
  9. a b K. Einer-Jensen: Evolution of the fish rhabdovirus viral haemorrhagic septicaemia virus. In: Journal of General Virology. 85. Jahrgang, Nr. 5, 2004, S. 1167–79, doi:10.1099/vir.0.79820-0.
  10. a b T. Nishizawa, H. Savas, H. Isidan, C. Ustundag, H. Iwamoto, M. Yoshimizu: Genotyping and Pathogenicity of Viral Hemorrhagic Septicemia Virus from Free-Living Turbot (Psetta maxima) in a Turkish Coastal Area of the Black Sea. In: Applied and Environmental Microbiology. 72. Jahrgang, Nr. 4, 2006, S. 2373–8, doi:10.1128/AEM.72.4.2373-2378.2006, PMID 16597932, PMC 1449023 (freier Volltext) – (hokudai.ac.jp [PDF]).
  11. a b N Gagné, A-M MacKinnon, L Boston, B Souter, M Cook-Versloot, S Griffiths, G Olivier: Isolation of viral haemorrhagic septicaemia virus from mummichog, stickleback, striped bass and brown trout in eastern Canada. In: Journal of Fish Diseases. 30. Jahrgang, Nr. 4, 2007, S. 213–23, doi:10.1111/j.1365-2761.2007.00802.x, PMID 17394523.
  12. OB Dale, I Ørpetveit, TM Lyngstad, S Kahns, HF Skall, NJ Olesen, BH Dannevig: Outbreak of viral haemorrhagic septicaemia (VHS) in seawater-farmed rainbow trout in Norway caused by VHS virus Genotype III. In: Diseases of Aquatic Organisms. 85. Jahrgang, Nr. 2, 2007, S. 93–103, doi:10.3354/dao02065, PMID 19694169.
  13. ICES. Report of the ICES Advisory Committee on Fishery Management, Advisory Committee on the Marine Environment and Advisory Committee on Ecosystems, 2006. (Memento desOriginals vom 31. Oktober 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ices.dk 2006. ICES Advice. Books 1 - 10. 1,68 pp.
  14. a b Whelan, Gary E. Viral Hemorrhagic Septicemia (VHS) Briefing Paper. Michigan Department of Natural Resources. 2007-02-26. Abgerufen am 13. Juli 2007.
  15. Crane, M. Chapter 2.1.5: Viral Hemorrhagic Septicaemia (Memento vom 5. Juli 2007 im Internet Archive) Manual of Diagnostic Tests for Aquatic animals 2006. Abgerufen am 16. Juli 2007.
  16. Importation of pilchards (Sardinops sagax) for direct introduction into natural waters: Biosecurity policy review of viral haemorrhagic septicaemia virus (VHSV), Draft Report, June 2003. Commonwealth of Australia. 2003. Abgerufen am 16. Juli 2007.
  17. T Isshiki, T Nishizawa, T Kobayashi, T Nagano, T Miyazaki: An outbreak of VHSV (viral hemorrhagic septicemia virus) infection in farmed Japanese flounder Paralichthys olivaceus in Japan. In: Diseases of Aquatic Organisms. 47. Jahrgang, Nr. 2, 2001, S. 87–99, doi:10.3354/dao047087, PMID 11775799.
  18. E Elsayed, M Faisal, M Thomas, G Whelan, W Batts, J Winton: Isolation of viral haemorrhagic septicaemia virus from muskellunge, Esox masquinongy (Mitchill), in Lake St Clair, Michigan, USA reveals a new sublineage of the North American genotype. In: Journal of Fish Diseases. 29. Jahrgang, Nr. 10, 2006, S. 611–9, doi:10.1111/j.1365-2761.2006.00755.x, PMID 17026670.
  19. European Union Reference Laboratory for Fish Diseases Fish Pathogens Database.
  20. Fischseuchenverordnung
  21. https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/tiere/tierseuchen/uebersicht-seuchen/alle-tierseuchen/virale-haemorrhagische-septikaemie.html
  22. https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/tiere/krankheiten/anzeigepflichtig/anzeigepflichtig.html
  23. https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/tiere/krankheiten/VHS.html

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