Villa Willmer

Straßenseite der Villa Willmer auf einer historischen Fotografie von Karl Friedrich Wunder, aufgenommen um 1890 (Lage)
Die Tränenburg an der Hildesheimer Straße, Blick in Richtung Döhren; Foto um 1900

Die Villa Willmer (auch: Tränenburg oder „Rittergutshaus Döhren“) war ein schlossartiges Gebäude in Hannover. Standort der im 19. Jahrhundert erbauten und 1971 abgerissenen „prächtigsten und größten Villa der klassischen Hannoverschen Architekturschule[1] war die Hildesheimer Straße Ecke Güntherstraße[2] im Stadtteil Waldhausen,[1] das Gelände des heutigen Parkplatzes nahe dem Döhrener Turm.[3][4]

Geschichte

Hintergründe und Entstehung

Die Villa entstand auf dem Hintergrund der Biographie des Unternehmers Friedrich Willmer. Dieser hatte durch Heirat und Schenkung eine Ziegelei an der Hildesheimer Straße erworben, deren Gelände er durch Zukäufe kontinuierlich vergrößerte. Nachdem er 1878 die Ritterschafts-Stimme des Gutes „Luttmersen II“ erworben hatte, gab er seinem Grundbesitz zunächst den Namen „Rittergut Döhren II“, ab 1894, in Abgrenzung zu seinem Konkurrenten, dem Ziegeleibesitzer Carl Georg Fiedeler, den Namen „Rittergut Waldhausen“.[2]

Um seinen sozialen Aufstieg aus dem Bürgertum in den Adelsstand Ausdruck zu verleihen, mangelte es Friedrich Willmer an einem repräsentativen und möglichst weithin sichtbaren Herrenhaus.[3] Auf Anregung des Architekten Conrad Wilhelm Hase hatte Willmer die Herstellung von Verblend- und Formsteinen sowie Terrakotten in sein eigenes Ziegelei-Programm aufgenommen. Nun beauftragte er Carl Börgemann,[2] einen Schüler von Hase,[5] mit dem Bau des gewünschten „Schlosses“ mit den eigenen Ziegeln.[2]

Um 1900: Der Döhrener Turm mit der Umsteigestation der Straßenbahnen, dahinter die nachgezeichnete Tränenburg;
kolorierte Ansichtskarte

So entstand von 1884 bis 1886[1] an der Hildesheimer Chaussee 2 (später: Hildesheimer Straße 200),[3] auf dem später bis auf mehr als 106 Hektar vergrößerten Grundstück,[2] doch weit entfernt vom Lärm der eigenen Ziegelei,[3] die „Tränenburg“. Den Spitznamen für die Villa mit ihren rund 75 Zimmern vergab der Volksmund „wohl wegen Willmers harter Behandlung seiner Arbeiter“:[1] Nach anderen Quellen soll Willmer beauftragte Handwerker dermaßen im Preis für Lieferungen und Leistungen gedrückt haben, dass ihnen „die Tränen kamen“.[3]

Wiederaufbaujahre und Zerstörung

Protest!“-Anzeige gegen den Abriss des Baudenkmals Villa Willmer und für ein Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz;
1970 in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung

Die Luftangriffe auf Hannover im Zweiten Weltkrieg hatte die Tränenburg vergleichsweise unbeschadet überstanden. Stattdessen fiel sie 1971 der Abrissbirne zum Opfer, wegen eines seinerzeit noch fehlenden Denkmalschutzgesetzes für das Land Niedersachsen – und wegen des Stadtbaurates Rudolf Hillebrecht: Der Bund Deutscher Architekten hatte in den Wiederaufbaujahren der Nachkriegszeit einen Ersatz für die fehlende Gesetzgebung vorgelegt in Form eines Satzungsentwurfes für den Rat der Stadt Hannover. Dem Entwurf war 1964 eine detaillierte Liste schützenswerter Bauten beigefügt, darunter die Villa Willmer. Hillebrecht hatte eine solche Schutzregelung jedoch verhindert, um der „Neugestaltung unserer Stadt“ keinerlei Einschränkungen entgegenzusetzen. Nachdem die Erben von Friedrich Willmers Tränenburg die Villa 1970 an die Hannoversche Industrie- und Wohnungsbaubetreuungs-Gesellschaft Wolf KG verkauft hatten, stellte diese nun den Antrag auf Abriss zwecks Baus neuer Appartementwohnungen. Nun bedauerte Hillebrecht, „ihm [fehle] jegliche baurechtliche Handhabe“ zur Verhinderung des Abrisses. Immerhin konnte etwa der Bauhistoriker Günther Kokkelink in buchstäblich „letzter Minute“ noch einige Fotos für die Nachwelt aufnehmen von der Stelle, an der sich heute ein Parkplatz befindet.[3]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Villa Willmer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b c d Helmut Knocke: Tränenburg (siehe Literatur)
  2. a b c d e Waldemar R. Röhrbein: Willmer, Friedrich. In: Stadtlexikon Hannover, S. 680
  3. a b c d e f Friedrich Lindau: Villa Willmer, im Volksmund „Tränenburg“ genannt. Ein bedeutendes Bauwerk ... (siehe Literatur)
  4. Anmerkung: Die Ortsangabe erschließt sich auch mittels der Geokoordinaten (oben rechts über diesem Artikel, dort anklicken und dann einen Geodienst-Anbieter auswählen)
  5. Helmut Knocke: Börgemann, Karl. In: Stadtlexikon Hannover, S. 72

Koordinaten: 52° 20′ 44,5″ N, 9° 45′ 40,2″ O

Auf dieser Seite verwendete Medien

Hannover Villa Willmer Tränenburg 1900.jpg
Villa Willmer ("Tränenburg") in Hannover, historisches Foto um 1900. Errichtet 1890 an der Hildesheimer Straße/Ecke Güntherstraße von Karl Börgemann für den Ziegeleibesitzer Friedrich Willmer. Überstand den Zweiten Weltkrieg und wurde trotz lebhafter Proteste 1971 zugunsten eines Verlagsneubaus abgerissen.
Anonymer Fotograf PC Hannover. Döhrener Turm Bildseite koloriert Straßenbahn Linie 1 Richtung Döhren.jpg
Autor/Urheber: anonymous photographer, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Der Döhrener Turm mit angebauter Ausflugs-Gaststätte und End-Haltepunkt von zwei Straßenbahn-Linien; Passagiere mussten hier umsteigen, wollten sie in gleicher Richtung weiterfahren ... Im Vordergrund hält die Linie 6 Richtung Stöcken ...
Villa Willmer Hildesheimer Strasse Waldhausen Hannover Germany photograph Karl Friedrich Wunder 1890.jpg
Zeitgenössische Aufnahme der Villa Willmer an der Hildesheimer Chaussee (heute: Hildesheimer Straße) im Stadtteil Waldhausen von Hannover. Foto von Karl Friedrich Wunder, um 1890.
1970-12-01 Annonce Protest gegen den Abriss der Villa Wilmer, Hannoversche Allgemeine Zeitung.tif
Anzeige in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 1. Dezember 1970 als öffentlicher Protest gegen den Abbruch der Villa Willmer in Hannover mit folgendem Inhalt:

PROTEST!
Die Unterzeichneten protestieren gegen den geplanten Abbruch der Villa Willmer in Hannover-Waldhausen. Sie fordern die Stadtverwaltung auf, alle im Runderlass des niedersächischen Finanzministers vom 7. Juli 1952 gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um zu verhindern, daß dieses kostbare Baudenkmal sinnlos vernichtet wird. Den Eigentümer bitten die Unterzeichneten, die Interessen der Allgemeinheit auch unter diesem Gesichtspunkt zu bedenken.

Die Unterzeichneten protestieren weiterhin gegen die fortschreitende Uniformierung der Umwelt, gegen eine weitere Zerstörung der Stadt nach dem Kriege und den damit zusammenhängenden Ausverkauf von einzigartigen Merkzeichen der Stadt zugunsten privater Interessen. Sie sind der Meinung, daß ein Image nicht nur gewonnen werden kann, sondern auch erhalten werden muß.

Die Unterzeichneten fordern darüber hinaus den niedersächsischen Landtag auf, endlich - wie bereits in einigen anderen Bundesländern geschehen - ein wirksames Denkmalschutzgesetz zu erlassen und im Haushalt die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.

Die Unterzeichneten fordern Gleichgesinnte auf, sich diesem Protest anzuschließen (Zuschriften bitte an: Ursula Uthe, 3 Hannover, Schaumburgstraße 2).

Klaus Behrens, Prokurist; Ing. (grad.) Helmut Dettmer, Architekt, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure; cand. arch. Horst Faltz, TU Hannover; Claus Harms, Journalist; Dipl.-Chem. Adolf Helms, TU Hannover; Prof. Dr. phil. Georg Hoeltje, Ordinarius, TU Hannover; Günter Kleindienst, Journalist; Dr. phil. Heinrich Klotz, Kunsthistoriker, Universität Göttingen; Dr.-Ing. Günther Kokkelink, TU Hannover; Dipl-Ing. Friedrich Lindau, Architekt, Präsident der Architektenkammer Niedersachsen; Dr. phil. Jochen Mangelsen, Redakteur; Dr.-Ing. Hermann Mewes, Regierungsbaumeister a.D.; Prof. Dr.-Ing. Bruno Meyer-Plath; Gert Müller-Fehn, Redakteur; Werner Rode, Kaufmann; Dipl.-Ing. Karl Rogge, Bundesbahn-Baudirektor a.D.; Dipl.-Ing. Friedrich Salfeld, Vizepräsident der Architektenkammer Niedersachsen; Dr. phil. Ludwig Schreiner, Privatdozent, TU Hannover; Clara Stendel, Kunstmalerin; Dipl.-Ing. Walter von Stülpnagel, Kirchenbaudirektor; Ursula Uthe, Sekretärin; Dipl.-Ingenieur Gerhard Wattenberg, Ministerialdirigent a.D.; Dr. med. habil. Rudolf Wohlrab, Medizinaldirektor; Dipl.-Ing. Paul Wolters, Baudirektor.“

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