Vierfingerschwarm
Vierfingerschwarm wird eine Flugformation genannt, welche insbesondere im Zweiten Weltkrieg von Jagdfliegern angewendet wurde. Sie besteht aus vier Flugzeugen, wobei vier dieser Formationen zu einer Staffelformation kombiniert werden können. Ihren Namen hat die Formation durch die asymmetrische Anordnung der Flugzeuge, welche den Fingerenden von Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinem Finger zueinander ähnelt.
Aufbau
Die Formation besteht aus vier Flugzeugen. Dieser sogenannte Schwarm besteht aus einem „führenden Element“ und einem „zweiten Element“, im deutschen meist als Rotten bezeichnet. Jede Rotte besteht aus zwei Flugzeugen, einem Rottenführer und einem Flügelmann. Von oben betrachtet ähnelt die Formation den angelegten Fingerspitzen der Hand (ohne Daumen), was der Formation ihren Namen gab. Die führende Rotte besteht aus dem Schwarmführer, welcher die gesamte Formation anführt, und einem Flügelmann links dahinter.
Die zweite Rotte besteht aus einem Rottenführer, welcher sich rechts hinter dem Schwarmführer hält und seinem Flügelmann, rechts hinter seinem Rottenführer. Beide Rottenführer haben offensive Aufgaben, eröffnen also das Feuer auf gegnerischer Flugzeuge, solange der Schwarm besteht. Die Flügelmänner haben defensive Rollen – der Flügelmann des Schwarmführers schützt das zweite Element, der Flügelmann des zweiten Elements die führende Rotte. Vier Schwärme können zu einer Staffelformation zusammengefasst werden, wobei je zwei Schwärme nebeneinander fliegen. Üblicherweise wird bei der NATO jeder Schwarm mit einer Farbe benannt (z. B. rot, blau, gelb und grün).
Geschichte
Die Formation wurde vor dem Zweiten Weltkrieg von mehreren Luftwaffen unabhängig voneinander entwickelt. Die finnische Luftwaffe führte sie 1934–35 ein, die deutsche Luftwaffe 1938 im Spanischen Bürgerkrieg, in welchem sie erstmals im Luftkampf eingesetzt wurde. Werner Mölders entwickelte während seines Einsatzes mit der Legion Condor die Formation.[1] Schnell zeigte sich, dass der Vierfingerschwarm anderen zeitgenössischen Formationen weit überlegen war. So erlaubten die relativ weit gefächerte Formation und leicht unterschiedlichen Flughöhen der beteiligten Flugzeuge weit mehr Manövrierfähigkeit und besseren gegenseitigen Schutz. Die losere Formation verlangte von den Piloten weniger Konzentration auf ihre Einhaltung und sie konnten hierdurch besser nach gegnerischen Flugzeugen Ausschau halten. Auch wurde eine Sichtung durch gegnerische Flugzeuge durch die lockere Formation erschwert.
Auch konnten sich beide Rotten jederzeit aus dem Schwarm lösen und getrennt Ziele angreifen. Hierbei übernahm der jeweilige Rottenführer den Angriff, während der Flügelmann nach Bedrohungen Ausschau halten und Schutz geben konnte. Bei der finnischen Luftwaffe hingegen übernahm jener Pilot die Führung der Rotte oder des gesamten Schwarms, welcher ein Ziel zuerst entdeckt hatte, was zusätzliche Flexibilität brachte. Als Begründung galt, dass dieser Pilot die beste Übersicht über das Geschehen hatte und am schnellsten reagieren konnte. Die Luftwaffe setzte die Formation auch während der Luftschlacht um England ein, wobei sich schnell zeigte, dass sie der britischen Standardformation „Vic“ (deutsche Bezeichnung: „Kette“) weit überlegen war. Die „Vic“-Formation der Royal Air Force war eine V-Formation aus drei Flugzeugen in enger Formation, was den Nachteil hatte, dass nur der Schwarmführer nach feindlichen Flugzeugen Ausschau halten konnte, während die beiden anderen Piloten hauptsächlich damit beschäftigt waren, die enge Formation kollisionsfrei einzuhalten.[2] Im Verlauf des Krieges wurde der Vierfingerschwarm die Standardformation fast aller am Konflikt beteiligten Luftwaffen. So übernahm die RAF bereits 1940 die Formation, die United States Army Air Forces setzte ab 1940/41 auf ein ähnliches Konzept und auch Japan und die Sowjetunion nutzten sie bis Kriegsende 1945. Die Überlegenheit wurde am deutlichsten im Winterkrieg zwischen Finnland und der Sowjetunion, in welchem es der finnischen Luftwaffe gelang, trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit ein Abschussverhältnis von 16:1 zu erzielen. Die sowjetischen Piloten im Spanischen Bürgerkrieg übernahmen früh den Vierfingerschwarm gegen die Legion Condor, mussten jedoch nach ihrer Rückkehr in die UdSSR wieder zur V-Formation zurückkehren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Vierfingerschwarm immer seltener in Kampfeinsätzen verwendet, bildet aber heute noch die Grundlage für die „Missing Man Formation“.[3]
Anmerkungen
- ↑ Im Gegensatz zur Kette, in der jeder Flugzeugführer an seinem Platz innerhalb der Formation in gleichbleibendem Abstand zum Formationsführer bleibt und dementsprechend seine Geschwindigkeit anpassen muss, über- bzw. unterschneiden die Piloten des Vierfingerschwarms bei gleichbleibender Geschwindigkeit die Flugbahn ihres Führers und bilden nach Ausführung der Kurve die Formation spiegelverkehrt. Dieses Manöver ermöglicht schnellere und einfacher zu fliegende Kurswechsel des Schwarms.
Einzelnachweise
- ↑ WDR: 22. November 1941 - Werner Mölders stirbt bei Breslau
- ↑ Helmut Ettinger: Der Zweite Weltkrieg. C. Bertelsmann Verlag 2014, ISBN 3-641-1079-03.
- ↑ Bärbel Krauß: „Die Bundeswehr nutzt auch Waffen, Strategien und Doktrinen aus der Wehrmachtszeit“ stuttgarter-zeitung.de vom 17. Mai 2017.
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Draufsicht auf eine Vier-Finger-Formation von Kampfflugzeugen
Overview: A Four Finger Formation of F-16s from the 457th Fighter Squadron, about to execute a missing man formation over Dallas - Fort Worth National Cemetery, Texas, for "A Tribute to Veterans".
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Der Unterschied zwischen einer Ketten- (links) und einer Schwarmformation (rechts). In der älteren Kette muss der Pilot des roten Flugzeugs die Geschwindigkeit reduzieren, wenn die Formation eine Kurve fliegt, während der Pilot des blauen Flugzeugs die Geschwindigkeit erhöhen muss. Dies machte Kursänderungen langsam und kompliziert. Im moderneren Schwarm, erfunden von Werner Mölders, konnten alle Piloten auch in einer 90°-Kurve die gleiche Geschwindigkeit halten. Beachten Sie, dass die Flugzeuge die Plätze im Schwarm tauschen, aber da die Flugzeuge auf unterschiedlichen Höhen gehalten wurden, wurden Kollisionen dennoch vermieden.