Viererkoalition
Eine Viererkoalition ist der auf Zeit angelegte parlamentarische Zusammenschluss von vier Parteien zur Bildung und Unterstützung einer Regierung oder in der Oppositionsrolle. Da die Partner unterschiedliche politische Strömungen repräsentieren, findet eine Einigung auf einen gemeinsamen Nenner statt.
Viererkoalition in Bayern
Als Viererkoalition wird in der bayerischen Politikgeschichte die Regierungszeit unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner bezeichnet. Vier Parteien, die SPD, die Bayernpartei, die FDP und der GB/BHE, stützten seine Regierung von 1954 bis 1957.
Die Landtagswahl vom 28. November 1954 brachte der zuvor gemeinsam mit der CSU regierenden SPD einen Stimmenanteil von 28,1 Prozent ein und die CSU war mit 38 Prozent nach wie vor stärkste Partei, doch schmiedete der SPD-Landesvorsitzende Waldemar von Knoeringen in Gesprächen mit den kleineren Parteien unter dem Motto „Licht für Bayern“ im Maximilianeum eine Mehrheit gegen die CSU. Obwohl die Regierungsparteien sehr unterschiedliche politische Richtungen vertraten, gelang der Coup. Am 14. Dezember 1954 wurde das Kabinett Hoegner vereidigt.
Neben Ärger über die CSU-Machtarroganz einte die Koalitionäre die Unzufriedenheit über die Bildungspolitik im Freistaat. Die Lehrerausbildung sollte dem bisherigen Einfluss der Kirche entzogen werden, was die CSU – bedingt durch interne Gegensätze – jahrelang eisern ablehnte.
Ihr angestrebtes Ziel sollte die Regierung Hoegner am Ende verfehlen. Dafür beeindruckte sie mit anderen Leistungen während der Dauer der Viererkoalition:
- der staatlichen Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung („Rucker-Plan“),
- der Schaffung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik
- dem Zurückholen von Stadt und Landkreis Lindau in den Freistaat (1. September 1955) und
- der Reform landesrechtlicher Vorschriften, die teilweise bis 1802 zurückreichten.
Von der CSU wurde die Viererkoalition scharf kritisiert. Der Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, politisch beheimatet in Fürth, wetterte damals über eine „volksfremde Staatsstreichregierung“ und „widernatürliche Unzucht“.[1]
Nach wenigen Monaten gerieten Kabinettsmitglieder der Bayernpartei in der ominösen Spielbankenaffäre in ein schiefes Licht. Am 21. April 1955 hatte der bayerische Landtag die Konzessionsvergabe an Privatleute zum Betrieb von Spielbanken gebilligt. Innenminister August Geislhöringer (Bayernpartei) ging wohlgemut ans Werk. Bei Umsetzung der Lizenzvergaben soll Geld geflossen sein, entsprechende Belege erwiesen sich jedoch im Ermittlungsverfahren einige Jahre später als gefälscht. Nach einem Artikel in der Boulevardpresse sollten Bestechungsvorwürfe im Zusammenhang mit der Konzession für die Bad Kissinger Spielbank erhellt werden. Als Vorsitzender des Ermittlungsausschusses zur Aufklärung der Vorgänge um hohe Regierungsmitglieder der Viererkoalition (neben dem Innenminister auch der stellvertretende Ministerpräsident Joseph Baumgartner) fungierte Alois Hundhammer (CSU). Der Untersuchungsausschuss wurde nicht fündig. Die Staatsregierung betonte die Erkenntnis, der politisch verantwortliche Minister habe sich nichts zuschulden kommen lassen und stellte erfolgreich Strafanträge gegen Verleumder.
Der CSU gelang es in der Folgezeit mit Kabalen, die Bayernpartei aus der Viererkoalition herauszulösen. Die BP erlag den Lockungen der Konservativen, und der Skandal um die bayerischen Spielbanken (wegen der Lizenzvergabe lastete auf der Bayernpartei der Ruch der Bestechlichkeit) brachte die Koalition in moralischen Verruf.
Der GB/BHE kam der BP aber noch zuvor. Deren Fraktionsvorsitzender Walter Becher hatte sich bereits mit dem CSU-Vorsitzenden Hanns Seidel auf eine Koalition geeinigt und verkündete am 8. Oktober 1957 den Koalitionsaustritt des GB/BHE und den Rücktritt ihrer Minister. Noch am Abend desselben Tages trat Ministerpräsident Hoegner zurück, acht Tage später wurde Hanns Seidel (CSU) sein Nachfolger an der Spitze einer Koalitionsregierung von CSU, FDP und GB/BHE. SPD und Bayernpartei gingen in die Opposition. Unter veränderten politischen Vorzeichen wurden die ehedem genehmigten Konzessionen nun wieder zum Thema.
Viererkoalition in Tschechien
In Tschechien existierte von 1998 bis 2002 eine Viererkoalition der Oppositionsparteien. Als Reaktion auf das regierende Bündnis von Sozialdemokraten (ČSSD) und der Demokratischen Bürgerpartei (ODS) entstand diese Viererkoalition. Ihr gehörten die mittelgroßen und kleinen Mitte-rechts ausgerichtete Parteien KDU-ČSL, US, DEU und ODA an.
Vor den Senatswahlen im September 1998 einigten sich diese Parteien auf ein Zweckbündnis, weil sie eine Verfassungsmehrheit von ODS und ČSSD in dieser Kammer verhindern wollten. Im Laufe der Zeit gedieh diese Kooperation, nicht zuletzt gestärkt durch gute Wahlergebnisse für die obere Kammer 1998 und 2000 und den Wahlen zu den Parlamenten der Regionen im November 2000.
Trotz erheblicher Spannungen und Konflikte innerhalb der Viererkoalition konnte sich die Gruppierung mehr als drei Jahre lang als parlamentarische Opposition bewähren. Dann kam es 2001 zur Spaltung. Den Christdemokraten (KDU-ČSL) war die ungeklärte Finanzlage der ODA ein Dorn im Auge. Die Allianz war seit Mitte der 1990er Jahre mit 70 Millionen Kronen hoffnungslos verschuldet und zur Schuldentilgung unfähig. Ende Januar 2002 attestierte die KDU-ČSL der ODA deshalb in einem Beschluss, dass die ODA kein seriöser und vertrauenswürdiger Partner mehr sei. Die Allianz hingegen vermutete darin nur eine vorgeschobene Begründung. Tatsächlich tat sich durch den Weggang der rechtsgerichteten ODA aus der Viererkoalition für die drei anderen Parteien Spielraum für ein Zusammengehen mit den Sozialdemokraten nach der Wahl auf. Spätestens Anfang Februar 2002 zerfiel die ursprüngliche Viererkoalition. Unie svobody (US) und Demokratická unie (DEU) fusionierten zur neuen Partei Unie svobody – Demokratická unie (Freiheitsunion–Demokratische Union).
Literatur
- Bernhard Taubenberger: Licht übers Land – Die bayerische Viererkoalition (1954–1957), München 2002; ISBN 3-9340-3689-9.
- Wer bietet mehr? in DER SPIEGEL 50/1954 vom 8. Dezember 1954.
- Der schwarzen Mächte Hand in DER SPIEGEL 51/1954 vom 15. Dezember 1954.
- Heike Bretschneider: Die Bildung der Viererkoalition. Die parteipolitische Konstellation in Bayern in der ersten Hälfte der Fünfziger Jahre, in: ZBLG 41,1978.
Weblinks
- Kabinett Dr. Wilhelm Hoegner (1954–1957) beim Bayerischen Landesportal
- Hans Kratzer: Der Albtraum der CSU (Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 8. Dezember 2004 zur bayerischen Viererkoalition)
- Frank Spengler: Viererkoalition löst sich auf (Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung vom 14. Februar 2002 zur tschechischen Viererkoalition)
Einzelnachweise
- ↑ Vor 50 Jahren trat der SPD-Ministerpräsident zurück, Artikel vom 8. Oktober 2007 von Till Hofmann auf Augsburger Allgemeine.de