Victoria Nuland

Victoria Nuland (2021)
Donald Rumsfeld und Victoria Nuland während der NATO-Ukraine-Konsultationen in Vilnius, 2005

Victoria Jane Nuland (* 1. Juli 1961 in New York City) ist eine US-amerikanische Diplomatin. Sie war von 2013 bis 2017 Assistant Secretary of State im US-Außenministerium und ab Mai 2021 Staatssekretärin für politische Angelegenheiten. Vom 28. Juli 2023 bis zum 12. Februar 2024 war sie geschäftsführende US-amerikanische Vizeaußenministerin,[1]

Leben

Familie und Ausbildung

Nuland wurde 1961 als ältestes der vier Kinder des Chirurgen, Professors für Bioethik, Medizingeschichte und Sachbuchautors Sherwin B. Nuland geboren. Ihre orthodox-jüdischen Großeltern (Meyer und Vitsche Nudelman – der Name wurde 1947 von Sherwin B. Nuland offiziell in ‚Nuland‘ geändert) waren Anfang des 20. Jahrhunderts aus Bessarabien, das zu dieser Zeit noch zu Russland gehörte, in die USA eingewandert.[2][3] Bis 1979 besuchte sie die Choate-Rosemary-Hall-Internatsschule, anschließend erreichte sie einen Bachelor-Abschluss an der Brown University. Nuland spricht Russisch, Französisch und ein wenig Chinesisch.

Diplomatische Karriere

Seit 1984 ist Nuland im Außenministerium der Vereinigten Staaten tätig.[4] Als Diplomatin war sie unter anderem in der Mongolei, China und Russland akkreditiert. Parteipolitisch war sie ungebunden: Unter dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton war sie von 1993 bis 1996 die Stabschefin eines stellvertretenden Außenministers Strobe Talbott, von 2003 bis 2005 arbeitete sie zu Hochzeiten des Irakkriegs als sicherheitspolitische Beraterin des republikanischen US-Vizepräsidenten Dick Cheney.

Vom 20. Juni 2005 bis 2. Mai 2008 war sie Repräsentantin der USA bei der NATO (United States Permanent Representative to NATO). Von 2008 bis 2009 war sie Professorin an der National Defense University. Vom 31. Mai 2011 bis 11. Februar 2013 war sie Sprecherin des US-Außenministeriums und vom 18. September 2013 bis 25. Januar 2017[5] war sie dort als Assistant Secretary of State für Europa und Eurasien zuständig.

Victoria Nuland und Botschafter Geoffrey R. Pyatt begrüßen Petro Poroschenko in Warschau am 4. Juni 2014

Am 4. Februar 2014 publizierte vermutlich Russland ein abgehörtes Telefongespräch Nulands mit dem US-Botschafter für die Ukraine, Geoffrey R. Pyatt, auf der Video-Plattform YouTube unter dem suggestiven Titel Die Marionetten des Maidan (Марионетки Майдана).[6][7] Die beiden Diplomaten diskutieren darin die aktuelle Euromaidankrise in der Ukraine und ihre Unzufriedenheit mit der zögerlichen EU.[7] Nuland fand es nicht nötig und keine gute Idee, „Klitsch“ (Vitali Klitschko) in die ukrainische Regierung aufzunehmen. Sie favorisiere aufgrund dessen Erfahrung „Jats“ (Arsenij Jazenjuk), den Vorsitzenden der größten Oppositionspartei. Pyatt seinerseits erklärt Nuland, er sei froh, dass sie Jazenjuk zu einer Antwort gedrängt habe, wo dieser am besten in das Szenario passe. („And I’m glad you sort of put him on the spot on where he fits in this scenario.“[7] – die Redewendung to put someone on the spot bedeutet etwa „jemanden unter Zugzwang setzen“.) Um die Neubesetzung der Regierung voranzutreiben und die Rolle der UN zu aktivieren, habe sie – so Nuland – den stellvertretenden UN-Generalsekretär für politische Angelegenheiten Jeffrey Feltman gebeten, dass der Nahost-Beauftragte Ban Ki-moons, Robert Serry, intervenieren möge: „Ich denke das wäre sehr gut, um zu helfen, die Sache festzumachen und auch, dass die UN dabei helfen, sie festzumachen, und Du weißt schon … Scheiß auf die EU.“ („Fuck the EU“), woraufhin Pyatt erwiderte: „Oh, genau, und ich denke wir müssen etwas machen …“ („Oh, exactly, and I think we’ve got to do something …“).[8] Das US-Außenministerium erklärte später, Nuland habe sich bei ihren EU-Kollegen entschuldigt. Nulands Bemerkungen spiegelten nicht wider, was sie tatsächlich über die Beziehungen der USA zur EU denke.[9][10] Laut Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, sage das Video auch etwas über Russlands Rolle aus,[11] also zu den bekannten russischen Versuchen, die uneinigen USA und EU weiter zu spalten.[12] Nuland bezeichnete die gegen sie gerichtete Abhöraktion als eine „ziemlich eindrucksvolle Spionagearbeit“.[13]

Im Februar 2015 erklärte Nuland in einem Briefing: Die Europäer „fürchten sich vor Schäden für ihre Wirtschaft, Gegensanktionen der Russen“. Die USA könnten moderat Panzerabwehrwaffen liefern, dies laut anwesendem General Breedlove, um den Preis für Putin auf dem Schlachtfeld zu erhöhen.[14] Die Europäer lehnten Waffenlieferungen ab und wollten „diplomatische Lösungen“; die Reise der deutschen Kanzlerin Angela Merkel im Laufe der Waffenstillstandsverhandlungen von Minsk zum russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin bezeichnete Nuland als „Merkels Moskau-Zeug“ („Moscow stuff“).[15][16]

Gemäß Garri Kasparow verwendet die russische Propaganda Nulands verbale Unterstützung der Revolution der Würde als „Beweis“ dafür, dass der Euromaidan von der CIA geplant worden sei (“… whose support for the protests is still used by Russian propaganda to ‘prove’ the entire Euromaidan was a coup plot run by the CIA”).[17] Ebenfalls in diesem Sinne wird Nulands Aussage von 2013 verwendet, wonach in den 22 vorangegangenen Jahren seit 1991 fünf Milliarden US-Dollar aus US-Steuermitteln für Demokratisierung, Wohlstand, Sicherheit und Demokratie in der Ukraine eingesetzt worden seien.[18] Der Unterstützung der USA müsse man ohnehin die nicht mindere Einflussnahme Moskaus gegenüber stellen, so der Kommentar in der BBC.[7]

Im Januar 2017 verließ Nuland das Außenministerium, nachdem die neu ins Amt gekommenen Trump-Administration zahlreiche hochrangige Diplomaten zum Abschied gedrängt hatte.[19]

Nach der Bildung der Regierung Biden im Januar 2021 wurde Nuland vom neuen Präsident Joe Biden im April 2021 als Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten im US-Außenministerium nominiert und trat die Position im Mai des Jahres an.[20][21]

Neben dem Außenminister Antony Blinken und dem Sicherheitsberater Jake Sullivan wird Nuland oft als einer der drei wichtigsten Lenker und Gestalter der Außenpolitik der Biden-Regierung angesehen.

Die Urteile bezüglich der Klugheit und Effektivität von Nulands Agieren als Außenpolitikerin gehen, seit sie in exponierte Stellungen aufgerückt ist, weit auseinander: So hat sie sowohl starke Anerkennung und großes Lob, als auch scharfe Kritik geerntet. Beispiele für positive Beurteilungen ihrer Fähigkeiten und ihres Wirkens sind etwa die Einschätzung von Strobe Talbott, Direktor des Thinktanks Brookings Institute, der sie als „consummate professional“ (vollendete Expertin) auf ihrem Gebiet gelobt hat[22], oder von Daniel Silverberg, des Stabschefs des demokratischen Mehrheitsführers im US-Repräsentantenhaus, der ihr attestierte, eine „Kämpferin“ (warrior) zu sein, die „wichtige Arbeit geleistet habe“ („have done [...] important work“).[23] Und auch der republikanische Senator Marco Rubio hat ihr in einer kritischen Anhörung konzediert, in hohem Maße für ihre Tätigkeit qualifiziert zu sein.[24] Der Ökonom Jeffrey Sachs, Berater von vier UN-Generalsekretären und des ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk, hat Nuland demgegenüber als eine führende Exponentin eines „anachronistischen“, geistig in der Zeit des Kalten Krieges arretierten Denkens und als eine personelle Verkörperung einer verfehlten Kontinuität in der US-Außenpolitik eingestuft[25], während der investigative Journalist Seymour Hersh die Auffassung bekundet, dass Nuland zusammen mit Sullivan und Blinken ein „Triumvirat“ bilde, das die Außenpolitik der Biden-Regierung in der Hand habe, wobei er die drei als die am wenigsten fähige außenpolitische Führung ansieht, die die USA zu seinen Lebzeiten je gehabt hätten.[26]

Ehe und Familie

Nuland ist mit dem Historiker Robert Kagan verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder: Die Tochter Elena (* 1997) und den Sohn David (* 1999).[27]

Schriften

  • Richard Lugar, Victoria Nuland: Russia, its neighbors, and an enlarging NATO: report of an independent task force. Council on Foreign Relations, New York 1997, ISBN 978-0-87609-203-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Weblinks

Commons: Victoria Nuland – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. On the Retirement of Deputy Secretary Sherman. In: United States Department of State. 24. Juli 2023, abgerufen am 20. August 2023 (englisch).
  2. Cathy Shufro: In Lost in America, a Yale surgeon opens up memories of his father. In: Yale University (englisch).
  3. Judy Siegel-Itzkovich: Writing books on medicine can be therapy. In: The Jerusalem Post, 13. Januar 2007 (englisch).
  4. Salty-tongued Nuland tough cookie, Japan Times vom 9. Februar 2014 (englisch).
  5. Elise Labott: Trump administration asks top State Department officials to leave | CNN Politics. 26. Januar 2017, abgerufen am 16. Dezember 2023 (englisch).
  6. Марионетки Майдана auf YouTube
  7. a b c d Ukraine crisis: Transcript of leaked Nuland-Pyatt call In: BBC News, 7. Februar 2014 (Transkription des Telefongesprächs)
  8. Alan Cullison, Adam Entous:U.S. Blames Russia for Leaking Profane Call. (Memento vom 1. März 2014 im Internet Archive)(englisch)
  9. Ein Ohr hört das andere. In: Südkurier, 10. Februar 2014.
  10. Christoph Sydow: US-Diplomatin entschuldigt sich für „Fuck the EU“ In: Spiegel Online, 7. Februar 2014.
  11. Angela Merkel empört über Nulands verbale Entgleisung, Der Tagesspiegel vom 7. Februar 2014
  12. Johannes Kuhn: Malheur mit vier Buchstaben. In: Süddeutsche Zeitung, 7. Februar 2014.
  13. Marc Pitzke: In der Abhörfalle. In: Spiegel Online, 8. Februar 2014.
  14. Matthias Gebauer: „Strategie-Streit: Ukraine-Krise entzweit USA und Europa“, 8. Februar 2015, Spiegel Online
  15. Monika Pilath: Ukraine: Feilschen zwischen Maximalforderung und Kompromiss. In: Die Zeit. 11. Februar 2015, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 16. Dezember 2023]).
  16. Hollande und Merkel wollen Putin zum Einlenken bewegen. Abgerufen am 16. Dezember 2023.
  17. Garri Kimowitsch Kasparow: Winter Is Coming: Why Vladimir Putin and the Enemies of the Free World Must Be Stopped, Verlag Hachette UK, 2015, ISBN 978-1-61039-621-9; "… whose support for the protests is still used by Russian propaganda to "prove" the entire Euromaidan was a coup plot run by the CIA"
  18. Krisen-Katalysator: Wie mit dem Kampf um das Erdgas in der Ukraine Weltpolitik gemacht wird, Fernsehmagazin Monitor/WDR, 13. März 2014
  19. Elise Labott: Trump administration asks top State Department officials to leave. In: CNN. 27. Januar 2017;.
  20. PN120 — Victoria Nuland — Department of State. In: congress.gov. Abgerufen am 17. März 2022.
  21. Biden nominates veteran diplomats for top State posts. In: reuters.com vom 16. Januar 2021. Abgerufen am 17. März 2022.
  22. "Victoria Nuland to be State Department spokesman", in: Foreign Policy vom 16. Mai 2011.
  23. "Confirmed: The State Department and a Leading Democrat Worked on Dossier Documents Provided by Christopher Steele", in: Townhall vom 12. Juni 2019.
  24. "Nuland Quizzed on Benghazi Stance in Senate Hearing" in: Bloomberg vom 12. Juli 2013.
  25. Nonzero: Interview von Robert Wright mit Jeffrey Sachs vom 9. Mai 2023 (ca. 28.00–30.00 Laufzeit).
  26. "Famous journalist Hersh says Biden 'screwed up' when he destroyed Nordstream pieplines", in: Western Standard vom 24. Februar 2023.
  27. International Who's Who of Authors and Writers, 2008, S. 374.

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Victoria Nuland, Official Portrait as Under Secretary For Political Affairs
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Assistant Secretary Nuland, Ambassador Pyatt Greet Ukrainian President-elect Poroshenko Before Meeting in Warsaw/ U.S. Assistant Secretary of State for European and Eurasian Affairs Toria Nuland and U.S. Ambassador to Ukraine Geoffrey Pyatt greet Ukrainian President-elect Petro Poroshenko before he met with U.S. Secretary of State John Kerry in Warsaw, Poland, on June 4, 2014. [State Department photo/Public Domain]
Defense.gov News Photo 051024-F-5586B-016.jpg
Secretary of Defense Donald H. Rumsfeld listens to remarks at the NATO-Ukraine High Level Consultations in Vilnius, Lithuania, on Oct. 24, 2005. Rumsfeld is in Vilnius to attend the consultations and to conduct bilateral meetings with his counterparts.