Vibrio vulnificus

Vibrio vulnificus

Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von Vibrio vulnificus

Systematik
Abteilung:Proteobacteria
Klasse:Gammaproteobacteria
Ordnung:Vibrionales
Familie:Vibrionaceae
Gattung:Vibrionen (Vibrio)
Art:Vibrio vulnificus
Wissenschaftlicher Name
Vibrio vulnificus
(Reichelt et al. 1979)
Farmer 1980

Vibrio vulnificus ist eine Art gramnegativer, gekrümmter Stäbchen-Bakterien der Gattung Vibrio. Sie kommen in marinen Umgebungen wie Flussmündungen, Brackwasser-Tümpeln oder Küstengebieten vor. V. vulnificus ist eng verwandt mit V. cholerae, dem Auslöser der Cholera.[1][2] Eine Infektion mit V. vulnificus führt zu sich rasch ausdehnender Cellulitis oder Sepsis.[3]

Klinische Merkmale

Vibrio vulnificus verursacht eine Infektion, die durch den Verzehr von Meeresfrüchten, insbesondere Austern, hervorgerufen werden kann. Die Bakterien können auch durch offene Wunden (dazu zählen auch frische, d. h. noch nicht vollständig verheilte Tätowierungen[4]) beim Schwimmen oder Waten in verseuchten Gewässern in den Körper eindringen[2] oder über Stichwunden durch Dornen von Fischen wie den Tilapia.

Zu den Symptomen gehören Erbrechen, Diarrhö, Leibschmerzen und eine Blasen werfende Dermatitis, die manchmal fälschlicherweise für Pemphigus vulgaris oder Pemphigus gehalten wird.

Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem wie chronischer Leberkrankheit kann sich ein mit Vibrio-Bakterien infizierter Schnitt rasch verschlimmern und auf den Blutkreislauf übergreifen. Schwere Symptome und Todesfälle können auftreten.[5]

Behandlung

Infektionen mit Vibrio vulnificus haben eine Letalität von etwa 25 %. Wenn die Infektion sich zu einer Sepsis entwickelt, steigt die Letalitätsrate auf bis zu 50 %, die meisten Todesfälle treten innerhalb der ersten 48 Stunden nach der Infektion auf. Die optimale Behandlung ist nicht bekannt, aber eine retrospektive Untersuchung von 93 Patienten in Taiwan ergab, dass die Anwendung eines Cephalosporins der dritten Generation mit Tetracyclinen (z. B. Ceftriaxon bzw. Doxycyclin) mit einem besseren Behandlungsergebnis in Verbindung steht.[6] Prospektive klinische Studien müssen diesen Fund noch bestätigen, aber in-vitro-Daten stützen die Annahme, dass diese Kombination gegen Vibrio vulnificus synergistisch wirkt.

Vibrio vulnificus verursacht oft große, entstellende Geschwulste, die größere chirurgische Eingriffe (Debridement) oder sogar Amputationen erfordern.

Prognose

Die schlechteste Prognose haben jene Patienten, die das Krankenhaus im Schockzustand erreichen. Die Gesamtletalität behandelter Patienten liegt bei 33 %.[6]

Besonders anfällig sind Patienten mit Immundefekten (Krebs, Knochenmark-Unterdrückung, HIV, Diabetes usw.). In diesen Fällen gelangt V. vulnificus üblicherweise in den Blutkreislauf, wo es Fieber und Schüttelfrost oder sogar einen septischen Schock mit drastisch verringertem Blutdruck und blasenwerfenden Hautläsionen verursachen kann.[7] Den Centers for Disease Control and Prevention zufolge stirbt etwa die Hälfte derjenigen, die sich eine Blutinfektion zugezogen haben.

Infektionen mit Vibrio vulnificus betreffen überdurchschnittlich häufig Männer; 85 % derjenigen, die einen Endotoxinschock durch die Bakterien erleiden, sind männlich. Frauen mit Ovarektomie haben erhöhte Sterblichkeitsraten, da Östrogen vermutlich schützend gegen V. vulnificus wirkt.[8]

Auftreten

Bei Menschen, die wegen der Überflutung nach Hurricane Katrina aus New Orleans evakuiert wurden, haben Gesundheitsbeamte Erregerstämme von Infektionen mit V. vulnificus eindeutig identifiziert.[9] Die deutsche Ostseeküste zählt nach einer Studie aufgrund des geringen Salzgehalts und der zunehmenden Erwärmung zu den gefährdetsten Gebieten.[10] Im Sommer 2019 erregte der Tod einer 90-jährigen Frau Aufsehen, die sich beim Baden in der Ostsee infiziert hatte.[11] Nach dem Durchzug von Hurrikan Ian in Florida 2022 wurden in den von Überschwemmungen betroffenen Gebieten deutlich erhöhte Fallzahlen berichtet.[12]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. JD Oliver, J Kaper: Vibrio species. In: MP Doyle et al. (Hrsg.): Food Microbiology: Fundamentals and Frontiers. 2. Auflage. ASM Press, 2001, ISBN 1-55581-117-5, S. 263–300 (englisch).
  2. a b JD Oliver: Wound infections caused by Vibrio vulnificus and other marine bacteria. In: Epidemiol Infect. Band 133, Nr. 3, 2005, S. 383–391, doi:10.1017/S0950268805003894, PMID 15962544 (englisch).
  3. William D. James, Timothy G. Berger et al.: Andrews’ Diseases of the Skin: clinical Dermatology. Saunders Elsevier, 2006, ISBN 0-7216-2921-0, S. 279 (englisch).
  4. Irene Berres: 31-Jähriger geht mit frischem Tattoo baden - und stirbt. In: Spiegel Online. 2. Juni 2017, abgerufen am 3. Juni 2017.
  5. Vibrio vulnificus. In: NCBI Genome Project. Abgerufen am 1. September 2005 (englisch).
  6. a b JW Liu, IK Lee, HJ Tang et al.: Prognostic factors and antibiotics in Vibrio vulnificus septicemia. In: Arch Intern Med. Band 166, Nr. 19, 2006, S. 2117–2123, PMID 17060542 (englisch).
  7. JD Oliver, J Kaper: Vibrio vulnificus. In: SS Belken, RR Colwell (Hrsg.): Oceans and Health: Pathogens in the Marine Environment. 2. Auflage. Springer Science, 2005, ISBN 0-387-23708-9.
  8. SM Merkel, S Alexander, E Zufall, JD Oliver, YM Huet-Hudson: Essential Role for Estrogen in Protection against Vibrio vulnificus-Induced Endotoxic Shock. In: Infection and Immunity. Band 69, Nr. 10, 2001, S. 6119–6122, doi:10.1128/IAI.69.10.6119-6122.2001, PMID 11553550 (englisch).
  9. Scott Gold: Newest Peril from Flooding Is Disease. In: Los Angeles Times. 6. September 2005 (englisch, latimes.com).
  10. Vibrio vulnificus: Cholera kann über Ostsee nach Deutschland kommen. In: Welt Online. 23. Juli 2012, abgerufen am 7. Oktober 2018.
  11. Frank Thadeusz: Bakterien in Seen und im Meer: „Wie beim Weißen Hai“. In: Der Spiegel. Nr. 34, 2019 (online).
  12. Florida flesh-eating illness cases spike after Hurricane Ian. In: bbc.com/news. 19. Oktober 2022, abgerufen am 19. Oktober 2022.

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