Vermutung von Mordell

Die Vermutung von Mordell entstammt der Zahlentheorie, wurde im Jahr 1922 von Louis Mordell aufgestellt und 1983 von Gerd Faltings in seinem Artikel Endlichkeitssätze für abelsche Varietäten über Zahlkörpern[1] (Faltings’ Satz) bewiesen.

Motivation und Aussage des Satzes

Wenn ein Zahlkörper und eine nichtsinguläre Kurve definiert über sind, dann besteht die Frage, wie viele Punkte der Kurve selbst Koordinaten in haben. Von besonderem Interesse ist dabei der Fall des Körpers der rationalen Zahlen, für den die Vermutung ursprünglich von Louis Mordell formuliert war.

  • Falls das Geschlecht von gleich ist, ist isomorph zum eindimensionalen projektiven Raum über dem algebraischen Abschluss von , also . Daher kann leer oder eine unendliche Menge sein.
  • Falls das Geschlecht von gleich ist und wenn mindestens einen Punkt mit Koordinaten in hat, dann sind eine elliptische Kurve und eine endlich erzeugte abelsche Gruppe. Letzteres ist als Satz von Mordell-Weil geläufig und impliziert, dass endlich oder unendlich sein kann.
  • Falls das Geschlecht von größer als ist, dann ist endlich.

Nach dem Satz gibt es für Kurven vom Geschlecht nur endlich viele rationale Punkte auf der Kurve. Kurven über den rationalen Zahlen zeigen also wesentlich verschiedenes Verhalten für , und  – eine topologische Größe bestimmt das zahlentheoretische Verhalten. Für ganze Zahlen hatte das schon Carl Ludwig Siegel in den 1920er Jahren bewiesen.[2]

Die dritte Aussage des Satzes ist als „Vermutung von Mordell“ bekannt und wurde 1983 von Gerd Faltings bewiesen.

Beweis

Faltings trug seinen Beweis zuerst auf der mathematischen Arbeitstagung in Bonn am 17. und 19. Juli 1983 vor. 1986 erhielt er dafür die höchste Auszeichnung für Mathematiker, die Fields-Medaille. Manchmal wird die Vermutung von Mordell, die ja nun ein bewiesener Satz ist, nach Faltings Satz von Faltings genannt.

In seiner Arbeit bewies Faltings auch die Tate-Vermutung von John T. Tate und die Schafarewitsch-Vermutung von Igor Schafarewitsch, indem er den Übersetzungsmechanismus von Funktionenkörpern auf Zahlkörper von Suren Arakelov ausbaute. Dass die Mordell-Vermutung aus der Schafarewitsch-Vermutung folgt, bewies Alexei Nikolajewitsch Parschin 1968 (Vortrag auf dem ICM 1970).

Auf anderem Weg hat nach Faltings Paul Vojta den Satz bewiesen. Vojtas Beweis wurde von Faltings[3] selbst und Enrico Bombieri[4] vereinfacht.

Für Funktionenkörper wurde die Mordell-Vermutung schon 1963 durch Yuri Manin,[5][6] 1965 durch Hans Grauert[7] und 1968 durch Alexei Nikolajewitsch Parschin[8] bewiesen.

Einen neuen Beweis gab Akshay Venkatesh mit Brian Lawrence 2018. Der Beweis folgt den Grundlinien von Faltings Beweis, nutzt aber die Analyse der Variation p-adischer Galoisdarstellungen.[9]

Anwendungen

Der Satz lieferte ein wichtiges Teilergebnis zu der fermatschen Vermutung, denn die fermatsche Gleichung hat nach ihm für höchstens endlich viele teilerfremde Lösungen. Durch den Beweis der fermatschen Vermutung durch Andrew Wiles im Jahre 1993 ist diese Aussage jedoch überholt. Dennoch bleibt der Satz von Mordell wichtig für andere Gleichungen, bei denen sich die Methode von Wiles nicht anwenden lässt.[10]

Die bisher bekannten Beweise der Mordellvermutung sind nicht effektiv, das heißt, sie machen keine Angaben über die Anzahl und Größe der Lösungen. Die Mordellvermutung folgt allerdings aus der unbewiesenen abc-Vermutung (Noam Elkies) in einer effektiven Variante.

Literatur

  • Spencer Bloch: The proof of the Mordell conjecture. In: Mathematical Intelligencer, Band 6, 1984, S. 41.
  • Gerd Faltings: Endlichkeitssätze für abelsche Varietäten über Zahlkörpern. In: Inventiones Mathematicae, Band 73, 1983, S. 349–366; Erratum, Band 75, 1984, S. 381
  • Lucien Szpiro: La conjecture de Mordell. In: Séminaire Bourbaki, Nr. 619, 1983/84.
  • Barry Mazur: The unity and breadth of mathematics – from Diophantus to today. Paul Bernays Lecture, ETH Zürich 2018, math.harvard.edu (PDF)
  • Gerd Faltings: Die Vermutungen von Tate und Mordell. In: Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, 1984, S. 1–13.
  • Barry Mazur: Arithmetic on curves. In: AMS (Hrsg.): Bulletin of the American Mathematical Society Band 14. 2. April 1986, S. 207–259 (englisch, ams.org [PDF; 4,8 MB; abgerufen am 3. November 2014]).
  • A. N. Parshin, Yu. G. Zarhin: Finiteness Problems in Diophantine Geometry. In: Eight papers translated from the Russian. In: American Mathematical Society Translations Ser. 2, Band 143, 1989, S. 35–102, überarbeitete Fassung des ursprünglich als Anhang in der russischen Ausgabe von Serge Lang Fundamentals of Diophantine Geometry veröffentlichten Aufsatzes. arxiv:0912.4325

Einzelnachweise

  1. Endlichkeitssätze für abelsche Varietäten über Zahlkörpern. In: Inventiones Mathematicae, 73 (3), S. 349–366 und Erratum.
  2. Siegel: Über einige Anwendungen diophantischer Approximationen. In: Abh. Preuß. Akad. Wiss., Phys-Math. Klasse 1929, Nr. 1, auch in Siegel: Gesammelte Abhandlungen. Springer, 1966, Band 1, S. 209–266
  3. Faltings: Diophantine approximation on abelian varieties. In: Annals of Mathematics, Band 133, 1991, S. 549–567
  4. Bombieri: The Mordell conjecture revisited. In: Annali Scuola Normale Superiore di Pisa, Band 17, 1990, S. 615–640. Auch dargestellt in Bombieri, Gubler: Heights in Diophantine Geometry. Cambridge UP, 2006
  5. Manin: Rational points of algebraic curves over function fields. In: Izvestija Akad. Nauka SSSR, Band 27, 1963, S. 1397–1442
  6. Robert F. Coleman fand eine Lücke in Manin’s Beweis und füllte diese in Coleman: Manin’s proof of the Mordell conjecture over function fields. In: L’Enseignement Mathématique, Band 36, 1990, S. 393–427. retro.seals.ch
  7. Grauert: Mordell’s Vermutung über rationale Punkte aut algebraischen Kurven und Funktionenkörper. In: Publ. Math. I.H.E.S., Band 25, 1965, S. 131–149
  8. Parshin: Algebraic curves over function fields I. In: Math. USSR Izvestija, 2, 1968, S. 1145–1170
  9. Lawrence, Venkatesh: Diophantine problems and p-adic period mappings. arxiv:1807.02721
  10. Die größten Rätsel der Mathematik. Spektrum der Wissenschaft Dossier, 6/2009, ISBN 978-3-941205-34-5, S. 8 (Interview mit Gerd Faltings).