Vereinigte Staatsschulen für freie und angewandte Kunst

Die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin-Charlottenburg waren eine Kunsthochschule und bestanden von 1924 bis 1939. Aus der Fusion der Hochschule für die Bildenden Künste mit der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums hervorgegangen, waren die Vereinigten Staatsschulen (VS) von der Aufbruchstimmung der Weimarer Zeit und von Gedanken des Deutschen Werkbunds geprägt. Die VS standen bis 1933 für reformerische, praxisnahe Lehrmodelle und künstlerische Weltoffenheit. „Freies“ Kunstschaffen, reproduzierendes Kunsthandwerk und Architektur wurden unter einem Dach und zum Teil in gemeinsamen Klassen gelehrt und der gegenseitige Austausch der Studierenden gefördert. Gründungsdirektor war der Architekt, Karikaturist und Designer Bruno Paul.

Späterer Sitz der VS in Berlin-Charlottenburg, Hardenbergstraße 33 (1914), heute: Universität der Künste

Geschichte

Bereits 1919 hatte der Direktor der Unterrichtsanstalt, Bruno Paul, die „Zusammenlegung der gesamten Künstlerausbildung, sowohl für die ‚freien’ als auch für die ‚angewandten’ Künste in der Einheitskunstschule für Architektur, Plastik und Malerei“[1] angeregt. Das wurde ab 1924 an den Vereinigten Staatsschulen konsequent umgesetzt. Die Fusion entsprach der staatlichen Sparpolitik und war zugleich Bestandteil von Reformen, die der kunstgewerblichen Richtung zu mehr Anerkennung und engerer Verknüpfung mit den akademischen Fächern verhelfen sollten.[2]

Um 1930 waren an den VS etwa 300 Studierende eingeschrieben, die neben einer Schwerpunkt-Abteilung (Freie oder Angewandte Kunst oder Baukunst) gemeinsame Klassen und Werkstätten besuchten, so z. B. Kunstgeschichte, Zeichnen, Schrift, Anatomie, Perspektive, Malerei, Druck. Ähnlich strukturiert waren beispielsweise die damalige Badische Landeskunstschule Karlsruhe, die Kölner Werkschulen oder das Bauhaus: Der Widerspruch zwischen Kunst und Handwerk sollte überwunden werden und die Kunst stärker in den Alltag der Bevölkerung Eingang finden.

Im heute noch als Hochschulbau genutzten Haus Hardenbergstraße 33 am Steinplatz in Berlin-Charlottenburg gab es ein reges Kulturleben. Eine Studierendenvertretung organisierte Ausstellungen und Benefizveranstaltungen für bedürftige Studienkollegen, dazu gehörten spektakuläre Kostümfeste („Zinnober“) und Weihnachtsmessen. Manches aufstrebende Talent kam durch Mitarbeit in Projekten der Professoren und durch Gewährung eines Meisterateliers zu Ansehen und ersten Aufträgen. Heute am bekanntesten dürften sein: Fritz Cremer (Meisterschüler bei Wilhelm Gerstel, Schöpfer des Buchenwald-Denkmals) und Felix Nussbaum (expressionistischer Maler, Meisterschüler bei Hans Meid, ermordet 1944 in Auschwitz).

Expressionismus, Surrealismus, Kubismus und Neue Sachlichkeit gewannen aus Kreisen der VS wesentliche Impulse. Die politischen Konflikte der Weimarer Republik hinterließen an der Hochschule ebenso Spuren wie der schon in den 1920er Jahren aufkommende Antisemitismus. Wegen seines Versuchs, den (jüdischen) Grafiker Lucian Bernhard zu berufen, wurde Direktor Bruno Paul 1932 selbst als „Jude“ angeprangert.

Mit Einverständnis des Kultusministers legte Bruno Paul sein Amt als Direktor am 31. Dezember 1932 nieder. Pauls Nachfolger wurde Hans Poelzig, der wiederum am 1. Mai 1933 vom NS-Funktionär Max Kutschmann abgelöst wurde.[3] Kutschmann zerschlug die Strukturen der Weimarer Zeit und sorgte dafür, dass bis 1936 jüdische und regimekritische Lehrkräfte entlassen wurden. 1939 erfolgte die Umstrukturierung zur Staatlichen Hochschule für bildende Künste, 1945 die Neugründung als Hochschule für bildende Künste. 1975 wurde daraus – durch Fusion mit der Musikhochschule und der Hochschule für darstellende Künste – die Hochschule der Künste (HdK), aus dieser im Jahr 2001 die heutige Universität der Künste Berlin (UdK).

Direktoren

Bekannte Lehrkräfte

Bekannte Schülerinnen und Schüler (Auswahl)

Siehe auch

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Ausstellung von Meister- und Schülerarbeiten aus keramischen Lehr- und Versuchswerkstätten, in den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst. Hrsg. von Nicola Moufang; Deutsche Keramische Gesellschaft. Edler & Krische, Hannover / Berlin 1927. 73 S., Abb.
  • Glas und Metall als Baustoff – Glas als Instrument, Gebrauchsgegenstand, Dekorationsmittel – Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft für Deutsche Handwerkskultur verbunden mit der Sonderausstellung „Die neue Küche“ der Architektenvereinigung „Der Ring“ in den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst, Berlin-Charlottenburg. Hrsg. von Ernst Böhm; Arbeitsgemeinschaft für Deutsche Handwerkskultur. Berlin 1929. 56, 19, 8 S.

Literatur

  • Christine Fischer-Defoy: Kunst Macht Politik. Die Nazifizierung der Kunst- und Musikhochschulen in Berlin. Elefanten Press, Berlin 1988. S. 301, 335 u. ö.
  • Akademie der Künste Berlin (Hrsg.): „Die Kunst hat nie ein Mensch allein besessen“. Dreihundert Jahre Akademie der Künste und Hochschule der Künste. Henschel Verlag, Berlin 1996.
  • Hainer Weißpflug: Vereinigte Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Charlottenburg-Wilmersdorf. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2005, ISBN 3-7759-0479-4 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).
  • Wolfgang Ruppert (Hrsg.): Künstler im Nationalsozialismus. Die ‚Deutsche Kunst‘, die Kunstpolitik und die Berliner Kunsthochschule. Böhlau, Köln 2015, ISBN 978-3-412-22429-5.
  • Stefanie Johnen, Die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin. Kunsthochschulgeschichte zwischen Weimarer Republik und NS-Diktatur, Metropol, Berlin 2018, ISBN 978-3-86331-415-6.

Einzelnachweise

  1. zum Teil nach Julia Witt, vgl.online (Memento vom 4. August 2012 im Webarchiv archive.today)
  2. vgl. „Die Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst, 1924-1933“ (UdK Berlin, siehe Weblink)
  3. Thomas Drebusch, bruno paul – schönheit ist freude, ikonom Verlag, Soest 2019, S. 30.
  4. Am 30. Januar 1946 wegen Kriegsverbrechen als stellvertretender Ortskommandant von Orscha in Minsk hingerichtet.

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Königliche Akademie für bildende Künste und Musik (heute Universität der Künste) in der Hardenbergstraße in Charlottenburg