Verborgene christliche Stätten in der Region Nagasaki

Verborgene christliche Stätten in der Region Nagasaki
UNESCO-Welterbe UNESCO-Welterbe-Emblem

Nakaenoshima-1.JPG
Insel Nakaenoshima
Vertragsstaat(en):Japan Japan
Typ:Kultur
Kriterien:(iii)
Referenz-Nr.:1495
UNESCO-Region:Asien
Geschichte der Einschreibung
Einschreibung:2018  (Sitzung 42)
Kano Naizen: Ankunft eines europäischen Schiffs (Wandschirm, vor 1613, Kobe-Museum). Rechts im Hintergrund eine japanische Kirche mit Kreuz auf dem Dach.

Die Verborgenen christlichen Stätten in der Region Nagasaki wurden 2018 als serielles UNESCO-Weltkulturerbe vorgeschlagen und am 30. Juni 2018 in die Liste aufgenommen.[1]

Schon seit 2007 waren die Kirchen und christlichen Stätten in Nagasaki auf der Tentativliste. Bei der Eintragung 2007 wurden 28 historische Bauwerke, meist Kirchen, benannt, während die 2018 vorgeschlagenen Stätten den Fokus mehr auf das Leben der christlichen Bevölkerung richten. Es handelt sich um zehn Dörfer oder Inseln, eine Burgruine und eine Kathedrale, gelegen in den Präfekturen Nagasaki und Kumamoto im Nordwesten des japanischen Archipels.

Phasen der christlichen Geschichte Japans

Die zwölf als Welterbe vorgeschlagenen Stätten wurden so ausgewählt, dass sie für verschiedene Phasen der japanischen Kirchengeschichte stehen können:

  1. Die älteste Stätte (Burg Hara) steht für ein Schlüsselereignis, das zum Verbot der christlichen Religion in Japan führte, nämlich die Shimabara-Rebellion.
  2. Fünf Stätten illustrieren die verschiedenen religiösen Traditionen, die von den verborgenen Christen (Kakure Kirishitan) entwickelt wurden.
  3. Vier Stätten illustrieren die Migrationsstrategien der Kakure Kirishitan.
  4. Eine Stätte und ein Baudenkmal (Kathedrale von Oura) illustrieren die Phase der Duldung und Legalisierung des Christentums in Japan.

Weltkulturerbe-Kandidatur

Allein schon die Einschreibung auf der japanischen Tentativliste verschaffte den christlichen Stätten Aufmerksamkeit, sowohl vor Ort, wo die Christen eine kleine Minderheit darstellen, als auch national und weltweit. Die Initiative ging zunächst nicht von der Präfektur Nagasaki aus, sondern von Denkmalschützern, die sich um den Erhalt der Kirchengebäude angesichts schwindender Gemeinden sorgten. Das katholische Erzbistum Nagasaki eröffnete 2007 ein Pilgerbüro. Der japanische Tourismusverband entwickelte das Konzept eines Pilgerwegs, der in der Region Nagasaki zahlreiche christliche Stätten verband, neben Kirchen auch Stätten des Martyriums, Friedhöfe und Museen.[2] In anderen christlich geprägten Orten wurde erhoben, was an Traditionen aus der Verfolgungszeit noch vorhanden war.

Im Februar 2016 zog Japan den Antrag auf Welterbestatus zurück, nachdem ICOMOS die Erläuterung der einzelnen Stätten als unzureichend kritisiert hatte. ICOMOS schlug eine stärkere Fokussierung auf die Periode der Christenverfolgung vor. Über eine überarbeitete und gekürzte Liste von Welterbestätten wurde im Sommer 2018 von der UNESCO positiv entschieden.[3]

Liste (Stand 2018)

BildObjektBeschreibung
Burgruine Hara (Archäologische Stätte)

Standort

Mehr als 20.000 aufständische Bauern unter Leitung von Amakusa Shiro nutzten die aufgelassene Burg Hara in der Shimabara-Rebellion 1637–1638 als Militärbasis. Der Aufstand hatte soziale Ursachen, bekam aber auch Züge eines Religionskonflikts, da viele Aufständische Christen waren. Als Verteidigungsanlage hatte Hara einerseits noch mittelalterliche Züge (Wälle aus gehärtetem Schlamm), andererseits einen frühmodernen Steinwall.[4]

Bei Ausgrabungen kamen zahlreiche christliche Kleinfunde ans Licht: unregelmäßig geformte Kreuze, die anscheinend von den Belagerten aus Gewehrkugeln hergestellt wurden, Medaillen, Rosenkranzperlen.[5]

安満岳.jpgDorf Kasuga und Berg Yasumandake auf der Insel Hirado

Standort

Im Dorf Kasuga wurden katholische Gräber aufgefunden, die aus der Anfangszeit der christlichen Mission in Japan stammen. In einigen Häusern des Dorfes wurden christliche Kultgegenstände aufbewahrt.

Die Kakure Kirishitan lebten ihren Glauben unter anderem durch Aufsuchen von Orten in der Natur, die ihnen als heilig galten. Ein solcher Ort war der auch von Buddhisten und Shintoisten verehrte Berg Yasumandake.

Nakaenoshima-1.JPGInsel NakaenoshimaAuf der unbewohnten Insel zwischen Hirado und Ikitsuki wurden viele Christen hingerichtet. Nakaenoshima wurde von den Kakure Kirishitan deshalb als heilige Stätte verehrt. Unter anderem holten sie von hier das Wasser für Taufen und andere Rituale.
Sakitsu Smakusa6.JPG

Sakitsu Smakusa5.JPG

Dorf Sakitsu auf der Insel Shimoshima in AmakusaIn dem Fischerdorf Sakitsu verehrten die Kakure Kirishitan die traditionellen Glücksgötter Daikokuten und Ebisu als Deus (den Gott der Christen) und Haliotis-Muscheln[6] als Symbol der Jungfrau Maria. Besonders hervorzuheben ist das Haus des christlichen Gemeindeleiters (mizukata) und das Haus des Ortsvorstehers, in dem das fumi-e stattfand: des Christentums verdächtigte Personen mussten auf christliche Symbole treten, um sich von ihrer Religion zu distanzieren.

Beim Dorf befindet sich der Shinto-Schrein Sakitsusuwa. Christen aus dem Dorf Sakitsu nutzten ihn während der Verfolgungszeit als Ort des Gebets. 1805 wurde eine Gruppe verhört, die angab, an diesem Schrein anmen riyusu zu rezitieren (Amen Jesus oder Amen Deus)[7]

Shitsu church 2009AP.jpgDorf Shitsu in SotomeIn diesem Dorf gelang es den Kakure Kirishitan, in mehreren Häusern christliche Kultbilder zu verbergen. Isoliert von der katholischen Weltkirche, folgten sie weiterhin dem liturgischen Kalender und gaben den Katechismus weiter.

Nach dem Ende der Verfolgung traten die meisten von ihnen der katholischen Pfarrgemeinde bei und bauten eine Kirche auf einem den Ort überblickenden Hügel. Diese Kirche hat getrennte Eingänge für Männer und Frauen; die Architektur ist den stürmischen Winden angepasst.

Ono Church in Nagasaki.JPGDorf Ono in SotomeIn diesem Dorf überlebten die Kakure Kirishitan, indem sie sich als Shintoisten und Buddhisten ausgaben. Sie verehrten die üblichen Shinto-Schreine, in denen sie ihre eigenen Kultbilder aufstellten, vor denen sie beteten. Die Kirche mit ihrer bemerkenswerten Architektur entstand nach dem Ende der Verfolgungszeit.
Kuroshima church.jpgDörfer auf der Insel KuroshimaAuf dieser Insel gründeten die Kakure Kirishitan neue Siedlungen in bisher unbewohnten Gegenden. Die von den christlichen Siedlern angelegten Viehweiden sind im Landschaftsbild erkennbar. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der bereits dort ansässigen buddhistischen Bevölkerung stellten sie eine (nicht mehr erhaltene) Statue der Maria Kannon im Kozenji-Tempel auf.

Bevor sie eine eigene Kirche erbauten, trafen die Christen von Kuroshima sich im Haus ihres Vorstehers (mizukata) zum Gebet. Die neoromanische Kirche wurde 1902 fertiggestellt, der Altarbereich ist mit Arita-Porzellankacheln ausgelegt.

舟森集落跡5.JPGRuinen von Dörfern auf der Insel NozakiAuf dieser bergigen Insel, die von Shintoisten als heilig betrachtet wird, siedelten sich im 19. Jahrhundert Kakure Kirishitan von der Insel Sotome an. Nach außen praktizierten sie den Shintoismus, bezogen auf den Okinokojima-Schrein. Im Landschaftsbild erkennbar ist das terrassierte Kulturland aus der Zeit der christlichen Siedlungen.
頭ケ島キリシタン墓地.jpgDörfer auf der Insel KashiragashimaAuf dieser entlegenen Insel wurden traditionell Menschen mit ansteckenden Krankheiten isoliert. Dadurch eignete sie sich als Rückzugsort für die Kakure Kirishitan. Hervorzuheben ist hier der christliche Friedhof sowie das Grab eines Buddhisten, der die christliche Ansiedlung auf der Insel organisierte und unterstützte.
旧五輪教会.JPGDörfer auf der Insel Hisaka

Standort

Hier siedelten Christen und Buddhisten in verschiedenen Dörfern, kooperierten aber beim Fischfang und in der Landwirtschaft. Die Reisfelder sind noch vorhanden, die Örtlichkeit Rokuroba erinnert an die Fischerei.
江上天主堂.JPGDorf Egami auf der Insel NaruBesonders reiche Fischereierträge des Jahres 1918 ermöglichten es der christlichen Gemeinde, diese Holzkirche zu errichten.

Die Region leidet aktuell unter starkem Bevölkerungsverlust. In der Kirche findet nur mehr einmal im Monat ein Gottesdienst statt, an dem drei Personen teilnehmen. Der „würdige“ Abbruch der Holzkirche wurde bereits erwogen, um ihrem Zerfall zuvorzukommen.[8]

Nagasaki Oura C1378.jpgKathedrale von Oura (Basilika der sechsundzwanzig heiligen Märtyrer)

Standort

Hier erfolgte 1865 die erste Kontaktaufnahme zwischen japanischen Geheimchristen und französischen Missionaren nach 220 Jahren Isolation.

Begründung des Antrags

Die japanische Regierung als Antragstellerin sieht die Verborgenen christlichen Stätten in der Region Nagasaki als einmalige Beispiele dafür, dass Gläubige einer verfolgten Religion über zwei Jahrhunderte nicht nur durch Rückzug in entlegene Gebiete überlebten, sondern indem sie sich als Shintoisten oder Buddhisten sozial tarnten. ICOMOS stimmt dieser Einschätzung zu und sieht in der Kultur der Kakure Kirishitan Besonderheiten, die eine Einschreibung als Weltkulturerbe rechtfertigen (Kriterium iii).

Eintrag in die Liste

Am 30. Juni 2018 wurde das Welterbe „Verborgene christlichen Stätten in der Region Nagasaki“ in die Liste eingetragen.[9]

Weblinks

Literatur

  • Nagasaki Prefecture: Candidate for World Heritage: Churches and Christian Sites in Nagasaki
  • Ayako Fukushima: Demolition of Tangible Properties as an Intangible Practice. In: Laurent Bourdeau, Maria Gravari-Barbas (Hrsg.): World Heritage, Tourism and Identity: Inscription and Co-production. Routledge, 2016. ISBN 978-1-4094-7058-8. S. 199–216.
  • Tinka Delakorda Kawashima: Pilgrimage, Cultural Landscape and Tourism in the Heritization of Churches and Christian Sites in Nagasaki. In: Razaq Raj, Kevin A Griffin (Hrsg.): Conflicts, Religion and Culture in Tourism. CAB International 2017, ISBN 9781786390660. S. 69–81.
  • Beate Löffler: Fremd und Eigen: christlicher Sakralbau in Japan seit 1853. Frank & Timme, Berlin 2011. ISBN 978-3-86596-358-1.

Einzelnachweise

  1. Eintragung in die Liste mit der Nummer 1495, abgerufen am 30. Juni 2018.
  2. Tinka Delakorda Kawashima: Pilgrimage. S. 72.
  3. Nagasaki’s Oura Church among Christian sites eyed for UNESCO Heritage listing. In: The Japan Times. 25. Juli 2016, abgerufen am 24. Juni 2018.
  4. Stone-walled castles. In: Oratio. Abgerufen am 24. Juni 2018.
  5. The cause of the rebellion. In: Oratio. Abgerufen am 24. Juni 2018.
  6. Formation of the tradition of continuing the Christian faith. In: Hidden Christian Sites in the Nagasaki Region. Abgerufen am 24. Juni 2018.
  7. Sakitsusuwa shrine. In: Oratio. Abgerufen am 24. Juni 2018.
  8. Ayako Fukushima: Demolition of Tangible Properties. S. 201.210.
  9. Eintragung in die Liste mit der Nummer 1495, abgerufen am 30. Juni 2018.

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世界遺産候補「長崎の教会群とキリスト教関連遺産」の構成資産である熊本県天草市の﨑津集落 﨑津諏訪神社と﨑津教会を結ぶ道(神社と教会双方の祭り・儀式に共通利用される)
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舟森集落跡の顕彰碑
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長崎県長崎市にある大野教会
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黒島天主堂(長崎県佐世保市)
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世界遺産「長崎と天草地方の潜伏キリシタン関連遺産」の構成資産である長崎県平戸市沖の中江ノ島を平戸島側から撮影
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Church of the village of Shitsu in Satome
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Egami Catholic Church
Nanban-Screens-by-Kano-Naizen-c1600.png
Kano Naizen's "Arrival of the Southern Barbarians Screen" circa 1600, from the Kobe City Museum Collection. This six-fold byōbu (lacquer and gilded screen) shows foreigners arriving at a shore of Japan during the Nanban trade. The ship depicts a Nanban ship arriving at a Japanese port after a voyage from a foreign country, unloading traded goods, a group of Capitan's who landed, Jesuit missionaries, Franciscan monks, and Japanese believers welcoming them. .. The karamono shop sells traded goods such as tiger and leopard fur, silk fabrics and ceramics. At the back of the Karamonoya is Nanban-ji Temple, where ceremonies are held in front of the altar with the statue of the Messiah. It is a good representation of the reality of Nanban trade, where trade and missionary work were integrated, with the main focus being intermediary trade. It also features many rare beasts from Nanban, such as elephants, Arabian horses, and greyhound dogs. Relentlessly detailed depictions, lively portraits, and vibrant colors make Kano Naizen a prominent figure in the Nanban folding screens.
旧五輪教会.JPG
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久賀島の旧五輪教会外観