Ver sacrum (Antike)

Das ver sacrum (lateinisch ‚heiliger Frühling‘) war ein Brauch bei den antiken Italikern, bei dem eine Gruppe junger Männer, oft ein gesamter Jahrgang, aus dem Stammesverband ausgestoßen oder auch nur ausgesandt wurde, um neues Land für ihren eigenen Unterhalt zu erobern und so einen neuen Stamm zu gründen.

Dabei wurden alle Lebewesen, die im kommenden Frühjahr (März, April) geboren wurden, den Göttern geweiht. Tiere wurden geopfert, die männlichen Neugeborenen wurden, sobald sie erwachsen waren, als Kolonisten ausgeschickt.

Manchmal wurde dieser Brauch in Notzeiten durchgeführt. Es gab ihn in verschiedenen Formen, vor allem bei italischen Völkern, den Kelten und strittig diskutiert bei den Germanen im Kontext der Sakralkontinuität (Königsheil), beziehungsweise den sakral intendierten sogenannten Kultgruppen der kriegerischen „Männerbünde“. So ist er beispielsweise bei den Samniten überliefert.

Die Berichte darüber beruhen auf sagenhafter Überlieferung. Einwandfrei nachgewiesen ist für die römische Geschichte nur ein einziges derartiges Ver-Sacrum-Opfer.[1] Es handelt sich dabei um das Ver sacrum der Römer nach ihrer Niederlage am Trasimenischen See im Zweiten Punischen Krieg. Über das Gelübde im Jahr 217 v. Chr. und die Ausführung im Jahr 195 v. Chr. berichtet der römische Historiker Titus Livius. Der Grund für die Niederlage wurde in einer „Nachlässigkeit bei Zeremonien und Auspizien[2] gesehen und dieser Verstoß sollte durch ein Ver sacrum gesühnt werden. Die Dauer von 22 Jahren zwischen dem Gelübde und seiner Erfüllung erklärt sich durch die Zeit, die zwischen der Geburt und der für die Aussendung dieses Jahrgangs vorausgesetzten Volljährigkeit vergehen musste.

Anmerkungen

  1. Der Kleine Pauly. Band 5, Spalten 1181 ff.
  2. Titus Livius, Ab urbe condita 22.9.7: „neglegentia caeremoniarum auspiciorum<que>.“

Literatur

  • Jacques Heurgon: Trois études sur le ‚Ver sacrum’, Brüssel, 1957.
  • Gianluca Tagliamonte: Figli di Marte: Mobilità, Mercenari e Mercenariato Italici in Magna Grecia e Sicilia, Rom, 1994.