Veli Kajum-chan

Veli Kajum-chan (* 15. Juli 1904 in Taschkent, Russisches Reich; † 13. August 1993 in Düsseldorf, Deutschland) war Vorsitzender des Nationalen Turkestanischen Einheitskomitee (NTEK), einer Turkestan-Exilregierung in Deutschland.

Jugend

Nach dem Abitur in Taschkent und nach der Oktoberrevolution von 1917 kam es in Turkestan zu Unruhen. In einem bedeutenden Teil von Turkestan wurden regionale „Nationale Regierungen“ eingerichtet. Eine dieser nationalen Regierungen war die bucharische Volksrepublik.

Leben in Deutschland

1921 kam er als Student nach Berlin. Zwischen 1921 und 1922 schickte die bucharische Regierung 70 Schüler und Studenten nach Deutschland. Einer dieser Schüler war Veli Kajum-chan. Er blieb in Berlin und besuchte die Berliner Hochschule für Landwirtschaft sowie die Berliner Hochschule für Politik und absolvierte die Fakultät für Außenpolitik an der Universität Berlin, wo er 1941–1942 promovierte.

Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg gingen viele Professoren, Ärzte, Anwälte und Architekten in die Türkei. Im Jahr 1924 wurde die Mehrheit der nationalen Regierungen in Turkestan, die unter der Kontrolle der Sowjetunion standen. Veli Kajum-chan, der in Berlin lebte, wurde 1926 in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Nazizeit und Zweiter Weltkrieg

Bereits im Verlauf der 1930er Jahre arbeitete Kajum-chan mit den Nazis zusammen.[1]

Veli Kajum-chan besuchte im Oktober 1941 ein Kriegsgefangenenlager in Ostpreußen. Die Bedingungen der Gefangenen waren katastrophal und viele litten unter Typhus. Kajum-chan setzte sich für bessere Bedingungen der turkestanischen Kriegsgefangenen ein und diese wurden in ein anderes Lager südlich von Berlin verlegt. Dort erhielten sie ausreichend Essen und medizinische Versorgung. Die Deutschen schulten die turkestanischen Kriegsgefangenen an deutschen Waffen und indoktrinierten sie.[2] Die Abwehr unterstützte den Aufbau einer deutsch-trainierten Turkestanarmee im Rahmen der Operation "Tiger B".[3] Kajum-chans direkter Vorgesetzter war Gerhard von Mende.[4]

Veli Kajum-chan, bekannt als der Chef der turkestanischen Exilregierung, wurde vom Kommandeur der turkestanischen Legionen und Hitlerdeutschland zuerkannt. Er nahm am Krieg teil, als die „Turkestan Legion“ unter der Koordination des deutschen Außenministeriums, des deutschen Ostministeriums und des deutschen Landstreitkräfte-Kommandos während des Zweiten Weltkriegs gebildet wurde. Er koordinierte die turkestanischen Truppen an einer breiten Frontlinie von Hitlers Sowjetunionsfeldzug nach Frankreich, Belgien und Italien. Die turkestanischen Legionen kämpften nicht nur gegen die Sowjets, sondern nahmen auch an Kämpfen mit US-amerikanischen und britischen Truppen in einem weiten Gebiet von der Normandie bis zu den Alpen teil.

Nachkriegsleben

Nach einer zweijährigen Haftstrafe wurde er rehabilitiert. Er verbrachte sein ganzes Leben damit, die Unabhängigkeit Turkestans zu fördern. Er heiratete Eva Kajum in den 1950er Jahren in München. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Bis zu seinem Tod galt er in der Öffentlichkeit in Turkmenistan als im Krieg gefallen, weil der KGB mindestens zweimal versucht hatte, ihn in Deutschland zu ermorden. Die Verdächtigen wurden von deutschen Behörden festgenommen. Bis zu seinem Tod als Verleger, Schriftsteller und Vorsitzender des Nationalen Einheitskomitees von Turkestan blieb er 72 Jahre lang ein von Stalin abgeschriebener Bürger aus Turkestan mit einer lebenslangen staatenlosen Identität.

Veli Kajum-chan, von Türken „la Ata tarafından“ genannt, der in den Kriegsjahren Türken aus deutschen Gefangenenlagern befreit hatte, verstarb am 13. August 1993 in Düsseldorf im Alter von 89 Jahren.

Einzelnachweise

  1. Gerdien Jonker: The Ahmadiyya Quest for Religious Progress – Missionizing Europe 1900–1965, Leiden/Boston (MA): Brill 2016, S. 190.
  2. Ian Johnson: A Mosque in Munich – Nazis, the CIA, and the Rise of the Muslim Brotherhood in the West, Boston (MA): Houghton Mifflin Harcourt 2010, S. 8.
  3. Christopher Hale: Hitler's Foreign Executioners – Europe's Dirty Secret, London: HarperPress 2011, S. 330.
  4. Gerdien Jonker: The Ahmadiyya Quest for Religious Progress – Missionizing Europe 1900–1965, Leiden/Boston (MA): Brill 2016, S. 190.