Urgicht

Erste Seite der Urgicht von Anna Roleffes vom 28. Dezember 1663.
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Als Urgicht (von altdeutsch gichten, jehen = sagen, gestehen, bekennen) oder gichtiger Mund („geständiger Mund“) bezeichnet man das Geständnis als Verfahrenselement der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gerichtsbarkeit.

Die Urgicht (mittelhochdeutsch urgiht = Aussage, Bekenntnis) im engeren Sinn war die Wiederholung beziehungsweise Bestätigung eines zunächst nur unter Folter hervorgebrachten Geständnisses durch den Angeklagten. Erst nach der Urgicht konnte das Gericht sein Endurteil fällen. Blieb die Urgicht jedoch aus, obwohl dringender Tatverdacht beim Angeklagten bestand, konnte der Angeklagte einer erneuten „peinlichen Befragung“ (Folter) unterworfen werden, um danach eine Urgicht herbeizuführen.

Der gichtige Mund war ein Bestandteil der Trias hebende Hand, blickender Schein und gichtiger Mund, die die drei wesentlichen Elemente der Beweisaufnahme in mittelalterlichen Verfahren bildeten. So findet sich in den Dokumenten des westfälischen Femgerichts der folgende Rechtsspruch verzeichnet:

Man spricht, man soll niemand ohne Urteil töten, das ist wahr, es sind aber Sachen, die von Natur aus ihr Urteil eingeschlossen in sich tragen als hebende Hand, gichtiger Mund und blickender Schein.[1]

Literatur

  • Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft. Bd. 202, Hildesheim 1773–1858, S. 145f. (Online-Version)
  • Gichtiger Mund. In Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 828.
  • Nabil Osman: Kleines Lexikon untergegangener Wörter: Wortuntergang seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. 16. Auflage C.H. Beck 2007, ISBN 9783406560040, S. 210 (eingeschränkte Online-Version in der Google-Buchsuche)
  • Urgicht. In Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 284.
  • Heinrich Zoepfl: Geschichte der deutschen Rechtsquellen. A. Krabbe 1844, S. 409–413 (§131) (vollständige Online-Version in der Google-Buchsuche)

Einzelnachweise

  1. Paul Wigand: Das Femgerichts Westphalens. Schulz und Wundermann 1825, S. 406 (vollständige Online-Version in der Google-Buchsuche)

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