Unitistenorden
Die Unitisten waren Studentenorden zur Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert.
Geschichte
Der erste Unitistenorden wurde 1774 von dem pommerschen Theologiestudenten Johann Georg Schütz sowie seinen Freunden Justinus Hermann Meyer aus Nette, Ernst Felix Lundenreich und Johann Christian Hempel aus Colberg an der Universität Halle gestiftet. Die nächsten entstanden in Jena (1785), Göttingen (1786), Leipzig, Frankfurt (Oder), Greifswald, Helmstedt, Marburg (1786), Rostock (1789) und Wittenberg, vielleicht auch in Erlangen. Die Mitglieder waren vor allem Westfalen, Mecklenburger, Pommern und Baltendeutsche.
Als einziger Orden waren die Unitisten streng religiös (pietistisch) orientiert. Anders als die anderen Orden nahmen sie auch Bürger (Nichtakademiker) und Offiziere auf. Der Ordenseid wurde auf das Evangelium abgelegt. Die Ordenszahl war die heilige Drei.
Die Direktion des Ordens lag in den Händen des Logenmeisters und eines freien Ausschusses, der wöchentliche Sitzungen hielt, monatliche Versammlungen der ganzen Gesellschaft veranstaltete und die Mitglieder (auch des Ausschusses) zur Verantwortung zog. Die Ähnlichkeiten in Selbstverständnis und Struktur der heutigen Corps sind unverkennbar.
- Ausschuss
- Logenmeister oder Senior
- Unterlogenmeister oder Subsenior[1]
- Repräsentant[2]
- Ergänzungs-Beamter[3]
- Kassen-Beamter
- Sekretär
- Unterlogenmeister oder Subsenior[1]
Göttingen
Von der „Göttingschen Loge“ (1786 oder 1785) sind ein „Kurtzer Auszug aus der Geschichte und den Gesetzen des Ordens zum Gebrauch bei Receptionen“ und eine Mitgliederliste in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen erhalten.[4] Die Mitgliederliste umfasst 185 Namen.[5]
„Der Bund der Eintracht, in welchen Sie jetzt aufgenommen zu werden wünschen, ist eine geheime Gesellschaft in Rücksicht auf ihre innere Verfassung, deren Erhalt eine geheimnisvolle Einkleidung nothwendig macht. … Alle Zwecke der Unitisten vereinigen sich zur Erfüllung des höchsten und letzten Zweckes jedes sittlich vernünftigen Wesens, der Ausbildung aller seiner Dienste zur höchsten sittlichen Vollkommenheit.“
Jedem Mitglied versprach der Orden „Zutrauen, Freundschaft und Bruderliebe“ sowie „Schutz, Beistand und thätige Hilfe in jeder Noth und Gefahr“.
Die gegen den Zweikampf eingestellten Schokoladisten lösten ab 1792 Unruhen in Jena aus, die im gesamten Heiligen Römischen Reich zu einer Untersuchung und Verfolgung und schließlich dem Verbot aller Studentenorden führten. Die Orden in Göttingen wurden daher im Oktober 1794 durch die Regierung in Hannover ebenfalls verboten und in der Folge durch die Universitätsbehörden scharf verfolgt.[6] Im Zuge dieser Untersuchungen wurde der Senior der Unitisten im Dezember 1795 relegiert, der Sekretär Hahn erhielt das Consilium abeundi. Der Orden wurde dadurch im Gegensatz zu den weiteren Göttinger Orden erheblich geschwächt. Gleichwohl bestand der Orden im Untergrund bis 1798 fort. Auch der Sekretär konnte einige Monate später an die Universität zurückkehren und blieb bis 1798 ohne Unterbrechung in seinem Amt.
Wohl zu Unrecht wird behauptet, dass „von 1795 an ein nicht unbeachtlicher Teil der Göttinger Landsmannschaft Guestphalia und von 1798 ab die Mitglieder der Curonia Göttingen wohl vollständig in den Unitistenorden eingetreten seien“.[5] Zu den Mitgliedern gehörte Bernhard von Halem.[7]
- Göttinger Logenmeister
- Anton Günter Tannen – 1786
- Graf Heinrich von der Goltz – 1787
- Christian Hermann Giese[8] – 1788
- Hans Detlev von Hammerstein – 1788
- Graf Adolf Theophil von Moltke – 1788
- Georg Heinrich Wilhelm von Weyhe – 1789
- Wilhelm Chassot von Florencourt – 1789
- Ernst Friedrich Wilhelm Marschall von Bieberstein[9] – 1790
- Carl Wilhelm Kopp – 1791
- Ernst von Meltzing – 1792
- O. C. Nottlbeck – 1792
- Bernhard Bollhagen – 1794–1796
- Christoph Heinrich Heydorn – 1795
- Peter zur Mühlen[10] – 1795
- Friedrich von Wissel – 1798
- von Sass – 1798
- Balthasar Christoph Friedrich von Rieben – 1798–1799
- Graf Heinrich von der Goltz – 1787
Weitere Mitglieder
- Johan Jacob Anckarström (1762–1792), Mörder des schwedischen Königs Gustav III.
- Carl Friedrich Wolf Feuerstein (1786–1856), deutscher Arzt, der sich als preußischer Spion im Königreich Westphalen betätigte und später als Angehöriger des Lützowschen Freikorps an den Befreiungskriegen teilnahm. Er war ein langjähriger Freund von Friedrich Ludwig Jahn.
- Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852), deutscher Pädagoge und Initiator der Turnbewegung
- Ernst Friedrich Herbert zu Münster (1766–1839), deutscher Staatsmann und Politiker im Dienste des Vereinigten Königreiches und des Hauses Hannover, Ministerpräsident des Königreichs Hannover
- Kaspar Detlev von Schulte (1771–1846), wurde aber „wegen seines kalten Benehmens“ bald wieder von der Gemeinschaft ausgeschlossen.[11]
- Karl Ludwig von Woltmann (1770–1817), deutscher Historiker, Autor und Diplomat
Literatur
- Karl Hoede: Burschen heraus. Zur Erinnerung an den Ursprung der alten Burschenherrlichkeit. Frankfurt am Main 1962, S. 43–44, 54.
- Stefan Brüdermann: Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1990 (Digitalisat)
- Erich Bauer (Historiker), F. A. Pietzsch: Zum Göttinger Unitistenorden (1786–1799). Einst und Jetzt, Bd. 13 (1968), S. 55–67
- Peter Kaupp: Freimaurerei und Burschenbrauch. Kontinuität von Ordenstraditionen im Korporationsstudententum. Einst und Jetzt, Bd. 46 (2001), S. 33–68.
- Friedrich August Pietzsch: Die Unitistenorden in Leipzig und das Stammbuch des stud. C. A. Herzog aus den Jahren 1800–1802. Einst und Jetzt, Bd. 7 (1962), S. 118–130
Weblinks
- Bernhard Schröter: Unitisten. 2006
- Oeconomische Encyclopädie (1773–1858)
- Unitisten. In: Pierer 1857, auf zeno.org
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Der Subsenior vertrat den Senior und sorgte für die innere Einrichtung des Ordens
- ↑ Der Repräsentant „sichert die übrigen Mitglieder vor jeder Bedrückung der anderen Beamten und hält selbige zur Erfüllung ihrer Pflichten an“
- ↑ Aufnahme neuer Mitglieder
- ↑ 8° Ns hist. lit. 112/10
- ↑ a b Bauer und Pietzsch, 1968
- ↑ Brüdermann (1990), S. 236 ff.
- ↑ Ernst Kelchner: Halem-Ilksen, B. J. F. Freiherr von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 410.
- ↑ Hofprediger bei der Königin von England
- ↑ fiel im Duell
- ↑ 1795 öffentlich relegiert
- ↑ Hans-Joachim Heerde: Das Publikum der Physik. Lichtenbergs Hörer. Wallstein Verlag, Göttingen 2006, ISBN 978-3-8353-0015-6, S. 570, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
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Ordenskreuz des Göttinger Unitistenordens (1786-1799)
Siegel des Unitistenordens