Umweltethik

Die Umweltethik ist die ethische Teildisziplin, die sich mit dem normativ richtigen und moralisch verantwortbaren Umgang mit der äußeren, nichtmenschlichen Natur befasst. Innerhalb der Umweltethik kann zwischen der philosophisch-ethischen und der politisch-rechtlichen Ebene sowie der praktischen Einzelfallarbeit unterschieden werden. Die geistige Auseinandersetzung auf philosophisch-ethischer Ebene führt zu unterschiedlichen Naturschutzbegründungen, die angeben, an welchen Werten sich menschliches Handeln gegenüber Natur orientieren soll.

Die Umweltethik ist ein relativ neuer Bereich der angewandten Ethik. Deshalb werden einige Begrifflichkeiten noch unterschiedlich gebraucht. Oft wird die Umweltethik beispielsweise auch als ökologische Ethik oder irrtümlich als Umweltphilosophie bezeichnet. Wichtige Teilbereiche der Umweltethik sind

  • die Tierethik, die sich mit dem moralisch verantwortbaren Umgang mit Tieren befasst;
  • die Naturethik, die den Umgang mit biologischen Einheiten wie Populationen, Arten, Biotopen, Ökosystemen oder Landschaften betrifft;
  • die Umweltethik im engeren Sinne, die sich mit dem Umgang mit natürlichen Ressourcen und Umweltmedien (beispielsweise Wasser, Boden, Klima, genetische Vielfalt) beschäftigt.

Verschiedene Positionen

Eine zentrale Frage der Umweltethik ist, welchen natürlichen Wesen oder Dingen ein absoluter Selbst- oder Eigenwert beigemessen werden sollte, welchen natürlichen Entitäten gegenüber also – wie gegenüber menschlichen Personen – eine moralische Verpflichtung um ihrer selbst willen besteht (Inklusionsproblem). Hierzu gibt es unterschiedliche Positionen. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen Anthropozentrismus, Theozentrismus und Physiozentrismus.[1]

Im Anthropozentrismus bestehen moralische Verpflichtungen nur gegenüber Menschen; Natur ist nur schützenswert, sofern dies im instrumentellen oder auch nicht-instrumentellen (ästhetischen, symbolischen, identitätsstiftenden etc.) Interesse von Menschen ist. Anthropozentrische Positionen berücksichtigen die moralisch relevanten Interessen von Menschen, die auch zukünftige Generationen umfassen können. Eine wichtige anthropozentrische Position ist die Naturästhetik, die dem menschlichen Interesse am ästhetischen Wert der Natur eine hohe Bedeutung beimisst.

Im Theozentrismus gilt Natur als schützenswert nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie Wohnort, Schöpfung etc. eines göttlichen Wesens ist.

Im Physiozentrismus wird auch natürlichen Entitäten moralischer Selbstwert zugeschrieben. Während der so genannte Pathozentrismus (nur) allen schmerzempfindlichen Wesen moralischen Selbstwert zuschreibt, gehen Biozentrismus und Ökozentrismus bzw. Holismus darüber hinaus. Im Biozentrismus werden alle lebendigen Wesen als moralisch wertvoll betrachtet. Im Ökozentrismus steht das außermenschliche Haus, in dem die Lebewesen leben, im Mittelpunkt des ethischen Interesses, da das Individuum nicht ohne Umwelt und Umgebung auskommt.[2] Im Holismus werden alle Systeme und Lebewesen sowie nicht individuelle Wesenheiten der Natur (z. B. Arten, Ökosysteme oder die Biosphäre in ihrer Gesamtheit[3]) zum moralischen Objekt erhoben.

Die biotische Ethik ist ein Zweig der Ethik, der nicht nur Arten und Biosphären, sondern auch das Leben selbst schätzt. Auf dieser Grundlage definiert die biotische Ethik als einen menschlichen Zweck, das Leben zu sichern und zu verbreiten. Die panbiotische Ethik erweitert diese Prinzipien auf den Weltraum und versucht, das Leben in der Galaxie zu sichern und zu erweitern, beispielsweise durch gerichtete Panspermie.[4]

Kritikpunkte

Keine der Schlussfolgerungen von Naturschutzbegründungen sind zwingend, da sie nur naheliegend gegenüber ihren Alternativen sind. Diese Naturschutzbegründungen reichen nicht aus, um die ökologischen Probleme zu lösen, und aus ihnen können keine direkten Naturschutzziele abgeleitet werden. Sie bieten Staatsbürgern in der Praxis jedoch die notwendigen Begründungen und Einsichten, die auf der politisch-rechtlichen und der kasuistischen Ebene des Einzelfalls diskutiert und umgesetzt werden können. Die Umweltethik ersetzt damit aber keine sozialen und aktiven Bewegungen und würde ohne diese einem isolierten Spezialdiskurs gleichkommen.

Die Umweltethik kann zwar keinen Letztbeweis für den Eigenwert der Natur liefern, sie bietet aber eine ganze Reihe verschiedener Argumente, die für einen schonenden Umgang mit Natur und Umwelt sprechen (siehe auch: Argument der letzten Person). Nicht zuletzt sind hier Pflichten gegenüber zukünftigen Generationen und naturästhetische Argumente zu nennen. Sie unterscheidet sich von der Umweltphilosophie insofern, als diese nur Erklärungsmodelle, aber keine Handlungsrichtlinien liefert.

Professuren und Studiengänge

Als erste ihrer Art 1997 eingerichtet, existiert am Institut für Botanik und Landschaftsökologie der Universität Greifswald eine Professur für Umweltethik.[5] Sie wurde von 1997 bis 2012 von Konrad Ott bekleidet. An der Universität Kiel ist eine Professur für Philosophie und Ethik der Umwelt eingerichtet.[6] Die Universität Bonn hat 2023 eine Professur für Umweltethik ausgeschrieben.[7]

Die Universität Augsburg bietet Umweltethik als Masterstudiengang an.[8]

Siehe auch

Literatur

  • Günther Patzig, Ökologische Ethik – Innerhalb der Grenzen bloßer Vernunft (= Vortragsreihe der Niedersächsischen Landesregierung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Niedersachsen. Heft 64). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1983. Onlinezugang zum Volltext: digi20.digitale-sammlungen.de (Zugriffsdatum: 2. Juni 2023).
  • Martin Gorke: Artensterben – Von der ökologischen Theorie zum Eigenwert der Natur. Klett-Cotta, Stuttgart 1999, ISBN 978-3-608-91985-1.
  • Dieter Birnbacher (Hrsg.): Ökologie und Ethik. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Reclam, Stuttgart 2001, ISBN 3-15-009983-8.
  • Konrad Ott: Umweltethik zur Einführung. 2. Auflage. Junius, Hamburg 2014, ISBN 978-3-88506-677-4.
  • Andreas Hetzel: Vielfalt achten. Eine Ethik der Biodiversität. Transcript, Bielefeld 2024, ISBN 978-3-8376-2985-9.
  • Gerhard Pretzmann (Hrsg.): Umweltethik. Manifest eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Natur. Stocker, Graz 2001.
  • Werner Theobald: Umweltethik und die Realität des Umwelthandelns am Beispiel Klimaschutz. In: Umweltwissenschaften und Schadstoffforschung – Zeitschrift für Umweltchemie und Ökotoxikologie. Band 16, 2004, Nr. 4, S. 219–222.
  • Konrad Ott: Umweltethik. In: Thomas Kirchhoff (Hrsg.): Online Encyclopedia Philosophy of Nature / Online-Lexikon Naturphilosophie. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 2020, doi:10.11588/oepn.2020.0.68742.
  • Konrad Ott, Martin Gorke (Hrsg.): Spektrum der Umweltethik. Metropolis, Hamburg 2000, ISBN 3-89518-289-3.
  • Dietmar von der Pfordten: Ökologische Ethik. Zur Rechtfertigung menschlichen Verhaltens gegenüber der Natur. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1996, ISBN 3-499-55567-0.
  • Patrick Spät: Zur Würde des Lebendige. In: Marcus Knaup, Tobias Müller, Patrick Spät (Hrsg.): Post-Physikalismus. Karl Alber, Freiburg i.Br. 2011, ISBN 978-3-495-48464-7, S. 352–378.
  • Andreas Brenner: UmweltEthik. Ein Lehr- und Lesebuch. Paulus, Fribourg 2008, ISBN 978-3-7278-1631-4.
  • Wolfgang Vischer: Probleme der Umweltethik. Individuum versus Institution, zwei Ansatzpunkte der Moral (= Campus-Forschung. Band 702). Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-593-34892-6.
  • Angelika Krebs (Hrsg.): Naturethik. Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Diskussion. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-518-28862-8.
  • Martin Gorke: Bewahrung der Biodiversität vom Standpunkt einer holistischen Ethik. In: Naturschutz und Biologische Vielfalt. Bundesamt für Naturschutz, Bonn – Bad Godesberg 2007, ISBN 978-3-7843-3948-1, S. 125–144.
  • Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979.
  • Gotthard Martin Teutsch: Lexikon der Umweltethik. 1985.
  • Forum österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz (Hrsg.): Umweltethik. Beiträge zur Grundlegung zukunftsverträglicher Werthaltungen. Wien 1994.
  • Peter Singer: Praktische Ethik. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-008033-9.
  • Kirsten Meyer: Der Wert der Natur. Begründungsvielfalt im Naturschutz. mentis, Paderborn 2003.
  • Guido Hangartner: Waldethik – Theologisch-ethische Überlegungen zu Wald und Forstwirtschaft. Eine wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Umwelt- und Sozialethik. Herbert Utz, München 2002, ISBN 3-8316-0207-7.
  • Vittorio Hösle: Philosophie der ökologischen Krise. Beck, München 1991, ISBN 3-406-38368-8.

Einzelnachweise

  1. Ott, Konrad: Umweltethik. In: Kirchhoff, Thomas (Hg.): Online Encyclopedia Philosophy of Nature / Online-Lexikon Naturphilosophie. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 2020, doi:10.11588/oepn.2020.0.68742.
  2. Christoph Sebastian Widdau: Einführung in die Umweltethik. 1. Auflage. Reclam, Ditzingen 2021, ISBN 978-3-15-961884-5, S. 112–117.
  3. Martin Gorke: Bewahrung der Biodiversität vom Standpunkt einer holistischen Ethik. In: Naturschutz und Biologische Vielfalt. Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg 2007, ISBN 978-3-7843-3948-1, S. 127.
  4. Matt Williams: Seeding the Milky Way with life using 'Genesis missions'. In: phys.org. 21. Januar 2019, abgerufen am 13. Juni 2020 (englisch).
  5. Professur für Umweltethik - Fakultät - Universität Greifswald. Abgerufen am 1. Februar 2023.
  6. Philosophie und Ethik der Umwelt Universität Kiel. Abgerufen am 1. Februar 2023.
  7. Laufende Berufungsverfahren an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn (02/2023). Abgerufen am 1. Februar 2023.
  8. Master Umweltethik Universität Augsburg. Abgerufen am 1. Februar 2023.

Weblinks