Umsatzvariable

Die Umsatzvariable (veraltet auch Reaktionslaufzahl[A 1][1], englisch extent of reaction[2]) mit dem Formelzeichen ist ein Maß für den Fortschritt einer gegebenen chemischen Reaktion. Die Umsatzvariable hat die SI-Einheit Mol und ist eine extensive Größe. Sie ist so definiert, dass sie bei jedem möglichen Umsatz für alle an der Reaktion beteiligten Stoffe den gleichen Wert annimmt und sich bei steigendem Umsatz um den gleichen Wert ändert.

Die Variable dient zur Eingliederung der Stöchiometrie einer Reaktion in mathematische Gleichungen der physikalischen Chemie. Eingeführt wurde sie als degré d'avancement von Théophile de Donder.[1]

Definition

Eine Reaktionsgleichung einer chemischen Reaktion besteht aus den chemischen Formeln für die Reaktanten und Reaktionsprodukte sowie den Stöchiometriefaktoren, die das Anzahlverhältnis der beteiligten Teilchen angeben. Diese Faktoren werden in der physikalischen Chemie zu den stöchiometrischen Zahlen der Teilchen erweitert, wobei die Reaktanten negative und die Produkte positive Vorzeichen erhalten. In einer Reaktionsgleichung stehen hingegen nur die Beträge der stöchiometrischen Zahlen:

Die Stoffmenge (Einheit Mol) der Teilchen , welche bei einem differentiellen Umsatz gebildet oder verbraucht werden, nimmt bei Teilung durch die jeweilige stöchiometrische Zahl den gleichen Wert an:

Für die allgemeine Definition der Umsatzvariablen nach IUPAC und DIN 32642 gilt:[3][2]

Im spezielleren Fall wird die Umsatzvariable als

betrachtet, wobei die Stoffmenge des Teilchens vor Beginn der Reaktion () und die Stoffmenge des Stoffes zu einem bestimmten Punkt des Umsatzes ist. Für gilt daher:[1]

Bei einem Umsatz vom Zustand mit der Umsatzvariablen zu einem Umsatz mit gilt:[3]

Die Umsatzvariable einer Reaktion ist abhängig von der Formulierung der Reaktionsgleichung, da der Reaktionsgleichung die stöchiometrischen Zahlen entnommen werden. Sie kann nur verwendet werden, wenn die Stöchiometrie der betrachteten Reaktion bekannt ist.

Beispiele

Für eine chemische Reaktion gilt für einen bestimmten Umsatz für jedes Teilchen (hier Molekül) die gleiche Umsatzvariable, was an folgender Reaktionsgleichung verdeutlicht werden soll:

Die Umsatzvariable ergibt sich hier zu:

Für physikalisch-chemische Betrachtungen, wie beispielsweise die molare Reaktionsenthalpie, wird ein Formelumsatz betrachtet. Die Reaktion läuft von zum Formelumsatz :

Wird die Reaktionsgleichung nicht als Kardinalgleichung formuliert, sondern auf die Menge des gebildeten Ammoniaks bezogen und mit gebrochenen Zahlen formuliert, ergibt sich aus der Gleichung

für die Umsatzvariable

und für den Formelumsatz

Die molare Reaktionsenthalpie bezogen auf die Kardinalgleichung legt die Bildung von 2 mol, die gebrochene Gleichung die Bildung von 1 mol NH3 zugrunde. Der Zahlenwert der Reaktionsenthalpie ist bei der gebrochenen Gleichung halb so groß, die Angabe einer Reaktionsgleichung für den jeweiligen Wert ist daher wichtig.

Reaktionsgrad

Der Reaktionsgrad (degree of reaction)[4] ist das Verhältnis der Umsatzvariablen zum vollständigen Umsatz :

Der Reaktionsgrad ist dimensionslos und nimmt Werte zwischen 0 und 1 an. Die Bezeichnung Reaktionsgrad ist in deutscher Literatur kaum gebräuchlich, für spezielle Reaktionen werden Worte wie Dissoziationsgrad oder Ionisierungsgrad verwendet.[1]

Anmerkungen

  1. Das Wort Reaktionslaufzahl wird von der IUPAC nicht mehr empfohlen, da keine reine Zahl, sondern eine Größe mit der Dimension Stoffmenge ist.

Einzelnachweise

  1. a b c d Klaus H. Homann (Hrsg.): Größen, Einheiten und Symbole in der Physikalischen Chemie / International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC), deutsche Fassung, VCH, Weinheim, 1995, ISBN 3-527-29326-4.
  2. a b Eintrag zu extent of reaction. In: IUPAC (Hrsg.): Compendium of Chemical Terminology. The “Gold Book”. doi:10.1351/goldbook.E02283 – Version: 2.3.3..
  3. a b DIN 32642: Symbolische Beschreibung chemischer Reaktionen, Januar 1992.
  4. Eintrag zu degree of reaction. In: IUPAC (Hrsg.): Compendium of Chemical Terminology. The “Gold Book”. doi:10.1351/goldbook.D01570 – Version: 2.3.2.

Literatur

  • Quantities, Units, and Symbols in Physical Chemistry, IUPAC Green Book, 3rd edition, prepared for publication by E.R. Cohen, T. Cvitas, J.G Frey, B. Holmstrom, K. Kuchitsu, R. Marquardt, I. Mills, F. Pavese, M. Quack, J. Stohner, H. Strauss, M. Takami, and A.J. Thor, RSC Publishing, 2007 ISBN 0-85404-433-7 PDF
  • Gerd Wedler, Hans-Joachim Freund: Lehrbuch der Physikalischen Chemie, 6. Auflage, Wiley, Weinheim, 2012, S. 34 ff.
  • Quantities, units and symbols in physical chemistry / International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC), Blackwell Science, Oxford, 1993. ISBN 0-632-03583-8 PDF