Turnspiel

Als Turnspiele werden die Spiele bezeichnet, die in den Vereinen des Deutschen Turner-Bundes (DTB) betrieben werden oder wurden.

Man kann unterscheiden zwischen:

  1. Turnspielen im engeren Sinne. Sie bzw. ihre Regeln sind im DTB oder schon in der Deutschen Turnerschaft (DT) entstanden (z. B. Schlagball, Faustball, Prellball).
  2. Turnspielen im weiteren Sinne. Sie werden vom DTB als Fachverband durchgeführt (z. B. Ringtennis, Indiaca, Korfball).
  3. Sonderfall Handball: Handball löste sich nach dem Zweiten Weltkrieg völlig aus der Turnbewegung. Seit der Gründung eines eigenen Verbandes (Deutscher Handballbund, DHB), spätestens aber seit der Professionalisierung dieses Sports, wird Handball im Allgemeinen nicht mehr als Turnspiel verstanden oder bezeichnet.

Geschichte

Turnspiele auf den Deutschen Turnfesten bis 1913

Bis 1913 wurden Turnspiele ohne Ermittlung eines Turniersiegers oder Meisters ausgetragen.[1]:

  • 1885 in Dresden: Barlauf, Lauf- und Ballspiele
  • 1894 in Breslau: Schlagball, Faustball, Barlauf, Schleuderball, Grenzball (sowie Fußball)
  • 1898 in Hamburg: 81 Freundschaftsspiele im Schlagball, außerdem Faustball, Trommelball, Barlauf, Schleuderball (sowie Fußball)
  • 1903 in Nürnberg: 110 Freundschaftsspiele im Faustball, außerdem Trommelball, Schlagball, Schleuderball, Barlauf (sowie Fußball und Radball)
  • 1908 in Frankfurt: 319 Spiele im Schlagball, Faustball, Trommelball, Barlauf (sowie Fußball)
  • 1913 in Leipzig: Meisterschaftsspiele im Schlagball, Faustball (sowie Fußball, Wasserball); Freundschaftsspiele: 6 Schlagball-, 104 Faustball-, 4 Fußball-, 2 Hockey-, 3 Barlauf-, 5 Trommelballspiele

Deutsche Meisterschaften

Außer im Grenzball und im bis zum Ersten Weltkrieg offensichtlich recht beliebten Barlauf (gelegentlich auch: Barrlauf), wurden ab 1913 schrittweise deutsche Meisterschaften eingeführt.

Turnspiele: Deutsche Meisterschaften
SpielMännerFrauenMixed
Schlagball1913–19541921–1936Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Faustball (Feld)seit 1913seit 1921Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Faustball (Halle)seit 1971seit 1973Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Handball (Feld)1921–19751921–1973Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Handball (Halle)seit 1950 (DHB)seit 1958 (DHB)Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Korbball (Feld)Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein1921–1999Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Korbball (Halle)Rotes X oder Kreuzchensymbol für neinseit 1969Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Schleuderballspiel1921–1924Rotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für nein
TrommelballRotes X oder Kreuzchensymbol für nein1921–1923Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Prellballseit 1964seit 1964Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
VölkerballRotes X oder Kreuzchensymbol für neinseit 1996 (Pokal)Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Ringtennisseit 1931seit 1931seit 1931
Ringtennis (Mannschaft)Rotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für neinseit 1971
KorfballRotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für neinseit 1995 (Pokal)
Indiacaseit 1998seit 1998seit 1998

Nach der Spielordnung der DT und heute des DTB ist zur Durchführung von deutschen Meisterschaften (DM) die Beteiligung von mindestens vier Turnkreisen bzw. heute Landesturnverbänden erforderlich. Dies hat zur Folge, dass im Schlagball, Schleuderballspiel und Trommelball (auch: Tamburinball) eine DM nicht mehr, im Völkerball und Korfball noch nicht ausgetragen wird.

Unterbrechungen (z. B. durch die Weltkriege) wurden in der Tabelle nicht berücksichtigt.

Regionale Meisterschaften und Pokale

  • Trommelball ist heute de facto ausgestorben.
  • Beim Schlagball gilt dies für Meisterschaften ebenfalls. Es gibt derzeit deutschlandweit nur einen einzigen eingetragenen Verein, die Kieler Keulen. Sie richten jährlich zwei Turniere für Städtemannschaften aus. Darüber hinaus gibt es seit über 60 Jahren einen jährlichen Inselvergleichskampf zwischen Spiekeroog und Langeoog.
  • Für das Schleuderballspiel existieren zwei Landesligen in Niedersachsen (Oldenburg und Ostfriesland) mit entsprechendem Unterbau (Bezirksliga, Bezirksklasse, Kreisklasse, Jugendliga).
  • Zweier-Prellball wird in Hessen in je einer Landesliga (Männer und Frauen) mit entsprechendem Unterbau (Verbands- und Bezirksligen, sowie Landesligen für Kinder, Jugendliche und Junioren) gespielt.
  • Völkerball wird inzwischen (November 2006) in sechs Landesverbänden gespielt. Die Sieger und Vizemeister tragen ein Turnier um den DTB-Pokal aus, der als inoffizielle DM gelten kann. In den meisten Verbänden wird die Einführung einer Bundesliga für 2007 diskutiert.
  • Im Indiaca führt der CVJM-Sportverband Eichenkreuz bereits seit 1979 (Männer) bzw. 1981 (Frauen und Mixed) Meisterschaften nach eigenen Regeln durch. Als Vorläufer der DM des DTB gab es von 1995 bis 1997 einen DTB-Pokal.
  • Korfball wird im Punktspielbetrieb in je einer Regionalliga und einer Oberliga Nord-West gespielt, die 2007 gegründet wurden. Deren Unterbau bilden zwei Verbandsligen (Rheinischer und Westfälischer Turnerbund). Die restlichen Vereine sind so weit über Deutschland verstreut, dass an weitere Ligen nicht zu denken ist. (Ein Verein aus Dresden spielte gar in der 2. Tschechischen Liga!). Auch im Korfball gibt es einen DTB-Pokal (auch: Deutscher Korfball-Cup), an dem ein Verein pro Landesturnverband teilnehmen kann. 2007 waren es erstmals acht Teilnehmer: SVK Beiertheim (Badischer Turner-Bund), KGB München (Bayerischer Turnspiel Verband), FU Berlin (Berliner Turnerbund), MTV Hohenkirchen (Niedersächsischer Turnerbund), TuS Schildgen (Rheinischer Turnerbund), Elbelche Dresden (Sächsischer Turnerbund), VfB Ulm (Schwäbischer Turnerbund) und der HKC Albatros aus Castrop-Rauxel (Westfälischer Turnerbund).

Turnspielmeisterschaften

Bis 1971 wurden deutsche Meisterschaften in den Turnspielen auf einer gemeinsamen Veranstaltung durchgeführt. In der Regel handelte es sich um ein Wochenende Anfang oder Mitte September. Bis dahin waren die regionalen Sieger ermittelt, die das Turnier bestritten. Eine Ausnahme ergab sich für das Handballspiel. Dies hatte seine Saisoneinteilung vom Fußball entlehnt und war daher nicht auf den Turnspielmeisterschaften vertreten. Eine weitere Ausnahme ergab sich für den Termin in den Jahren, in denen ein Deutsches Turnfest stattfand: In einigen Jahren wurden die Turnspielmeisterschaften im Rahmen des Turnfestes ausgetragen, und damit ein bis zwei Monate früher (so 1913, 1923, 1928, 1933 und 1948). 1953 und 1958 fanden wegen des Turnfestes keine Turnspielmeisterschaften statt. Die Turnfestsieger dieser Jahre galten aber nicht als Deutsche Meister.

In der Deutschen Turnerschaft waren die Kreismeister der größeren Turnkreise direkt qualifiziert; die Meister der kleineren Turnkreise hatten insgesamt drei bis vier Turniere zu bestreiten (Kreisgruppenmeisterschaften), in denen zusätzlich je ein Kreisgruppenmeister für die Endrunde ermittelt wurde.

Im Reichsbund für Leibesübungen nahmen die Gaumeister am Endturnier teil. Ggf. ermittelten sie vorher im K.-o.-System die Endrundenteilnehmer.

Im Deutschen Turnerbund waren die Meister der Landesturnverbände qualifiziert.

Mehrere Gründe führten schließlich zur Aufgabe einheitlicher Turnspielmeisterschaften: Es fanden sich immer weniger Städte bereit, das komplette Programm durchzuführen und die entsprechenden Sportstätten zur Verfügung zu stellen. In fast allen Spielen – zuerst im Faustball – wurden Bundesligen gegründet, die eine Endrunde der Regionalmeister überflüssig machten. Zu den Freiluftspielen kamen reine Hallenspiele (Prellball), die andere Wettkampfstätten benötigten. Gerade im Prellball werden außer den Deutschen Meistern der Leistungsklasse auch Meister in den verschiedenen Altersklassen der Junioren und Senioren beider Geschlechter ermittelt.

Austragungsorte
  • 1913: Leipzig (= Vorläufer)a
  • 1921: Hannover
  • 1922: Dresden
  • 1923: Münchena
  • 1924: Altenburg (Thüringen)
  • 1925: Halle (Saale)
  • 1926: Leipzig
  • 1927: Apolda (Thüringen)
  • 1928: Kölna
  • 1929: München
  • 1930: Weimar
  • 1931: Chemnitz
  • 1932: Bremen
  • 1933: Stuttgarta
  • 1934: Nürnbergb
  • 1935: Hannover
  • 1936: Schweinfurt
  • 1937: Erfurt
  • 1938: Hamburg
  • 1939: ausgefallen (geplant: Dresden)
  • 1940: Chemnitzc
  • 1941: Ulmc
  • 1942: Nürnbergc
  • 1943: Augsburgc
  • 1944–1946: nicht ausgetragen
c 
Kriegsmeisterschaften mit verkleinertem Programm: nur Faustball (Männer und Frauen) und Korbball (Frauen)
d 
stattdessen Deutsches Turnfest
e 
Endrunde im Schlagball abweichend in Bremen-Mahndorf, da nur noch norddeutsche Mannschaften beteiligt waren.

Turnspiele international

Außerhalb Deutschlands sind nahezu alle dieser Spiele in eigenen Dachverbänden organisiert, eher selten im jeweiligen Turnverband (in der Schweiz Faustball und Korbball).

In fast allen Spielen werden internationale Wettkämpfe oder zumindest Länderspiele ausgetragen.

Turnspiele: Internationale Meisterschaften und Pokale
SpielMännerFrauenMixed
Faustball (Feld)
Weltmeisterschaftseit 1968seit 1994Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
World Gamesseit 1985Rotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Europameisterschaftseit 1965seit 1993Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Weltpokal (Vereine)seit 1986seit 1997Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Europapokal (Vereine)seit 1963seit 1993Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
IFV-/IFA-Pokal (Vereine)seit 1991Rotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Faustball (Halle)
Europapokal (Vereine)seit 1984seit 1994Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Handball (Feld)
Olympische Spiele1936Rotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Weltmeisterschaft1938–19661949–1960Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Europapokal (Vereine)1968–1970Rotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Handball (Halle): hier nicht gelistet (s. o.)
Ringtennis
Weltmeisterschaftseit 2006seit 2006seit 2006
Korfball
WeltmeisterschaftRotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für neinseit 1978
World GamesRotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für neinseit 1985
EuropameisterschaftRotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für neinseit 1992
Europapokal (Vereine)Rotes X oder Kreuzchensymbol für neinRotes X oder Kreuzchensymbol für neinseit 1967
Indiaca
Weltmeisterschaftseit 2001seit 2001seit 2001
Weltpokal (Vereine)seit 2002seit 2002seit 2002
Tamburello
Europapokal (Feld)seit 1996seit 2001Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
Europapokal (Halle)seit 1993seit 1993Rotes X oder Kreuzchensymbol für nein
  • Tamburello: Am Europacup nehmen nur Clubmannschaften aus Italien und (Süd-)Frankreich teil, am Hallen-Europapokal neuerdings auch Nationalmannschaften anderer Länder. Die Mannschafts-Variante (fünf Spieler bzw. Spielerinnen pro Team) ist nahezu identisch mit dem Spiel Trommelball, das von den 1890er- bis in die 1920er-Jahre auch in der Deutschen Turnerschaft praktiziert wurde. Jedoch wird im heutigen Tamburello bis 13 Punkte gespielt, im alten Trommelball nach fester Spielzeit.
  • Im Prellball gibt es noch keine internationalen Wettbewerbe; es wird außerhalb Deutschlands inzwischen auch in Österreich, der Schweiz, Schweden und Argentinien betrieben. Erste Länderspiele wurden bereits ausgetragen.
  • Korbball gibt es nur in Deutschland und der Schweiz. Zwischenstaatlicher Spielverkehr findet nicht statt, da die Regeln in beiden Ländern sehr unterschiedlich sind, siehe Korbball und Korbball (Schweiz).

Quellen

  • Deutsche Turnerschaft (Hg.): Jahrbuch der Turnkunst 1913 ff., Emil Stock, Leipzig, 1913 ff.
  • Deutsche Turnerschaft (Hg.): Jahrbuch der Turnkunst 1924 ff., Limpert, Dresden, 1924 ff.
  • Deutscher Turner-Bund (Hg.): Jahrbuch der Turnkunst 1952 ff., Limpert, Frankfurt a. M., 1952 ff.
  • Deutscher Turner-Bund (Hg.): Jahrbuch der Turnkunst 1967 ff., Pohl, Celle, 1967 ff.
  • Paul Schmugge (Hg.): Handbuch der Turnspiele 1925. Amtliches Jahrbuch für die Turnspiele der Deutschen Turnerschaft, Wilhelm Limpert, Dresden, 1924.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Carl Diem (Hrsg.): Jahrbuch der Leibesübungen für Volks- und Jugendspiele 1931, Weidmannsche Buchhandlung, Berlin, 1931.

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