Tscharner (Patrizierfamilie)

Wappen Tscharner als Kirchenortschild in der Siechenkapelle (Bern-Waldau)

Die Familie von Tscharner ist eine ursprünglich aus Graubünden stammende Patrizierfamilie. Ein Zweig der Familie besitzt seit dem 16. Jahrhundert das Burgerrecht der Stadt Bern, gehörte dem Berner Patriziat an und ist Mitglied der Gesellschaft zu Pfistern.

Geschichte

Die Familie stammt ursprünglich aus dem Domleschg. 1471 werden Matthäus und Wilhelm Tscharner als Inhaber von Mühlen und 1472 Martin, Diebold und Jakob Wilhelm als freie Bauern in Feldis erwähnt. Wilhelm Tscharner war hingegen Bauer in Abhängigkeit vom Grafen Jörg von Werdenberg-Sargans. Im 16. Jahrhundert stiegen die Tscharner zu einem der führenden Ratsherrengeschlechter der Stadt Chur auf.

Die Kinder des Luzius (ca. 1481–1562) setzten die Churer Linie fort und begründeten die Berner Linie. Von seinen Enkeln war Simeon 1575 Hauptmann auf der Fürstenburg und 1576 bischöflich-churischer Hofmeister, Hans Oberst und Churer Seckelmeister und Johann Baptista Stadtschreiber und häufiger Gesandter der Drei Bünde, unter anderem nach Venedig, Mailand und Paris. Ein Sohn des Letzteren, Johann Baptista Tscharner (1670–1734), regierte die Stadt Chur als Bürgermeister nach den Bündner Wirren. Ab dem 18. Jahrhundert stellten die Tscharner zahlreiche Säckelmeister und vier Bürgermeister in Chur. Durch Fernhandel und Söldnerdienste wurden sie vermögende Grundbesitzer. Schloss Reichenau GR mit zugehörigem Weingut in Jenins befindet sich bis heute im Besitz der Familie.

Die Berner Linie, seit 1844 von Tscharner, geht ebenfalls auf den Churer Säckelmeister Luzius zurück. Dieser heiratete in zweiter Ehe Margaretha von Wattenwyl und wurde 1530 ins Berner Bürgerrecht sowie in die Gesellschaft zu Pfistern aufgenommen. Im selben Jahr erwarb er die Herrschaft Reichenbach. Bereits Luzius' Sohn David (1536–1611) gelangte 1564 in den Grossen Rat und 1583 in den Kleinen Rat. Die Tscharner gehörten im Berner Patriziat zur zweiten Klasse der «edelvesten» Geschlechter und im 18. Jahrhundert zu den fünf im Grossen Rat zahlenmäßig am stärksten vertretenen Familien. Sie stellten bis zum Ende des Ancien Régime sieben Kleinräte. In Bern ließ Beat Jakob am Münsterplatz ab 1733 das repräsentative Tscharnerhaus errichten.

Personen

Zweig Graubünden

  • Johann Anton Tscharner (1880–1955), Schweizer, vorwiegend in Österreich tätiger Architekt
  • Johann Baptista Tscharner (1670–1734), Schweizer Politiker, Landvogt zu Maienfeld, Bürgermeister von Chur[1]
  • Johann Baptista Tscharner (1722–1806), Schweizer Politiker, Bürgermeister von Chur, Landvogt zu Maienfeld[2]
  • Johann Baptista von Tscharner (1751–1835), Schweizer Jurist und Politiker, Bürgermeister von Chur[3][4]
  • Johann Baptista von Tscharner (1779–1857), Schweizer Jurist und Politiker, Bürgermeister von Chur[5]
  • Johann Baptista von Tscharner (1815–1879), Schweizer Jurist und Politiker, Ständerat
  • Fritz von Tscharner (1852–1918), Artillerie-Oberst am Gotthard
  • Johann Wilhelm von Tscharner (1886–1946), Schweizer Maler

Zweig Bern

  • Lucius Tscharner (1481–1562), Ratsherr von Chur, Burger von Bern (1530), Herr zu Reichenbach (1530–?)
  • Niklaus Tscharner[6] (1650–1737), Offizier
  • Beat Jakob Tscharner[7] (1679–1770), Kleinrat und Venner zu Pfistern
  • Johann Rudolf Tscharner[8] (1717–1789), Kleinrat und Venner zu Pfistern
  • Niklaus Emanuel Tscharner (1727–1794), Ökonom und Magistrat
  • Vincenz Bernhard Tscharner (1728–1778), Historiker und Literat
  • Beat Emanuel von Tscharner (1753–1825), Landvogt zu Aigle und Besitzer des Landgutes Lohn
  • Beat Friedrich von Tscharner (1791–1854), Physiker
  • Karl Emanuel Tscharner (1791–1873), Bildhauer
  • Karl Friedrich Tscharner, Schultheiss von Bern 1835–1846
  • Ludwig S. von Tscharner (1879–1917), Jurist und Historiker
  • Elisabeth de Meuron-von Tscharner (1882–1980), Berner Stadtoriginal
  • Niklaus von Tscharner (1935–2016), Bauingenieur, Gemeindepräsident von Zimmerwald, Präsident der Gesellschaft zu Pfistern, Burgerrat, Leiter des Heims Kühlewil
  • Benedikt von Tscharner (1937–2019), Diplomat und Publizist

Besitzungen

Archive

Literatur

  • Enid Stoye: Vincent Bernard de Tscharner 1728–1778. A study of Swiss culture in the 18th century. Fribourg 1954.
  • Martin Bundi, Hans Braun: Tscharner (von). In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Les Tscharner de Berne. Un livre de famille, Genève 2003.

Weblinks

Commons: Tscharner family – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Martin Bundi: Tscharner, Johann Baptista. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  2. Martin Bundi: Tscharner, Johann Baptista. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  3. Martin Bundi: Tscharner, Johann Baptista von. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  4. Fritz von Jecklin: Tscharner, Johann Baptista von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 705–708.
  5. Adolf Collenberg: Tscharner, Johann Baptista von. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  6. Hans Braun: Niklaus Tscharner. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 20. November 2012, abgerufen am 6. November 2016.
  7. Hans Braun: Beat Jakob Tscharner. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 23. Mai 2011, abgerufen am 6. November 2016.
  8. Hans Braun: Johann Rudolf Tscharner. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 20. November 2012, abgerufen am 6. November 2016.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Schloss Rümligen DSC05462.jpg
Autor/Urheber: Krol:k, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Rümligen, Schloss
Kehrsatz Landsitz Lohn DSC05534.jpg
Autor/Urheber: Krol:k, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Kehrsatz, Landsitz Lohn
Bern Muensterplatz 12 Tschanernerhaus.jpg
Autor/Urheber: WillYs Fotowerkstatt, Lizenz: CC BY 3.0
Haus Münsterplatz 12, Tscharnerhaus
Ortenstein2.jpg
Autor/Urheber: Adrian Michael, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Schloss Ortenstein von Westen
Bern Herrengasse 4-1.jpg
Autor/Urheber: WillYs Fotowerkstatt, Lizenz: CC BY 3.0
Haus Herrengasse 4 (Tscharnerhaus)
Schloss Reichenau GR 02.jpg
Autor/Urheber: Paebi, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Schloss Reichenau GR, Schweiz
SchlossAmsoldingen 6354.jpg
Autor/Urheber: Mike Lehmann, Mike Switzerland 15:28, 15 October 2006 (UTC), Lizenz: CC BY-SA 3.0
Schloss und Kirche Amsoldingen, Schweiz
Bern Villa Morillon DSC05263.jpg
Autor/Urheber: Krol:k, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Bern, Villa Morillon. Von Johann Daniel Osterrieth (* 9. Oktober 1768 in Straßburg, Elsass; † 25. Juli 1839 in Bern) war ein Architekt des Klassizismus. Er war Berner Stadtbaumeister.
Haus Tscharner.JPG
Autor/Urheber: René Merz, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Dies ist ein Bild von einem Kulturgut von regionaler Bedeutung in der Schweiz mit KGS-Nummer
Bern Waldau Siechenkapelle DSC00072 v2.JPG
Autor/Urheber: Beat Estermann, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Kirchenortschild Tscharner in der Siechenkappelle, Waldau Bern.
NeuesSchlossBuempliz.JPG
Autor/Urheber: Supermutz at de.wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Neues Schloss Bümpliz
Bern Tscharnerhaus Kramgasse-1.jpg
Autor/Urheber: WillYs Fotowerkstatt, Lizenz: CC BY 3.0
Tscharnerhaus an der Kramgasse 54 in Bern
Villa A. Von Tscharner Bern.jpg
Villa A. von Tscharner am Sulgeneck in Bern. Erbaut 1895 von Friedrich von Rütte.
Guemligen Schlossanlage 1.jpg
Autor/Urheber: WillYs Fotowerkstatt, Lizenz: CC BY 3.0
Schloss Gümligen von einem erhöhten Standort aus. Barockbau im Stil einer Campagne. Erbaut 1736 bis 1739 unter dem Architekten Albrecht Stürler. Sorgfältig renoviert vom aktuellen Besitzer in den Jahren ab 2000.
Funck77 0026.jpg
Autor/Urheber: Funck77, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Campagne Blumenhof, Kehrsatz.