Trinkspruch

Georg Mühlberg: „Ein Prosit“ (um 1900), ein Verbindungsstudent beim Zuprosten auf einer Kneipe

Ein Trinkspruch wird in Gesellschaft, vor oder während des Anstoßens mit meist alkoholischen Getränken, in Form einer Rede oder in Versen ausgebracht. Seine Wurzeln lassen sich bis in die alten Religionen verfolgen: Schon das Trankopfer des Priesters wurde durch ein symbolisches Zum-Himmel-Erheben des Kelches und ein damit verbundenes Segenswort dargebracht. Die ältesten Prosits wurden zu Ehren von Göttern gehalten.[1] Spezielle Formen des Trinkspruchs sind das Prosit und der Toast.

Allgemein

Albert Ballin bei einem Toast zu Ehren des Deutschen Kaisers

Trinksprüche können auf verschiedene Arten vorgetragen werden. Sie reichen bei monologischem Spruch von einer spontanen, prosaischen Rede über lyrische Prosa bis hin zur Lyrik. Zu lyrischen Trinksprüchen existieren teilweise Riten, die alle Mitglieder der anwesenden Gruppe zum Nach- oder Mitsprechen animieren sollen.

Dabei sind Art und Inhalt des Trinkspruchs abhängig vom kulturellen Hintergrund, dem Anlass der Versammlung sowie dem Maß der Vertrautheit unter den einzelnen Gruppenmitgliedern. Auch die Art der servierten Getränke kann bedeutend sein. Bei größeren Versammlungen oder weit entfernten Tischen wurde bisweilen auch ein Aufwärter bestellt, der die Trinksprüche der Herrschaften laut wiederholen musste.[2] In einigen Kulturen sind heute noch bei größeren Versammlungen eigene Tischmeister üblich, die vornehmlich für die Ausbringung von Trinksprüchen zuständig sind.

Formen

Niko Pirosmani: Trinkspruch beim Familienfest. Um 1900

Als Rede

Die freie Rede ist die wahrscheinlich älteste Art des Trinkspruchs. Dabei hat besonders hierbei jeder Kulturkreis seine eigenen Rituale. Grundsätzlich ist allen formellen Trinksprüchen gleich, dass sie den Gästen, dem Gastgeber oder einer anderen Person Ehre, Dankbarkeit und Zuvorkommenheit zuteilwerden lassen wollen.[3] In diesem Fall ist der Trinkspruch gleichbedeutend mit einem Toast.

Der Länge des Trinkspruchs sind keine Grenzen gesetzt. Mitunter werden Toasts verfasst, die mehrere Seiten füllen.

Der lyrische Trinkspruch

Trinksprüche in Gedichtform sind die einprägsamsten und wahrscheinlich auch bekanntesten. In Deutschland sind sie seit dem Mittelalter in Form von Leberreimen bekannt. Anscheinend galten sie im 19. Jahrhundert als veraltet und sind erst wieder über den britischen Brauch des Toasts nach Deutschland gelangt.[4]

Es leben die Poeten!
Die erhabenen begrabenen
Und die strebenden lebenden,

sinnig waltenden,
innig entfaltenden,
minnig gestaltenden,

klangentzückten entzückenden,
sangbeglückten beglückenden,

bei Erlebnissen,
bei Begebnissen,
bei Begräbnissen,
bei Hoch-
und bei noch
andern Zeiten
und Gelegenheiten —

Es leben alle Poeten auf Erden,
Die's heute schon sind oder morgen noch werden![5]

Im Kollektiv

Der gemeinsam mit der Gruppe vorgetragene Trinkspruch, meist in lyrischer Form, gleicht in gefestigten Gruppengefügen oft einem zeremoniellen Ritual.[3] Dabei wird der Trinkspruch manchmal auch mit darauf abgestimmter Gestik oder Mimik ergänzt.

Im Wesentlichen hat der gemeinsame Trinkspruch eine Festigung der Gruppenzugehörigkeit und oft auch, von den Akteuren bewusster wahrgenommen, den schnellen Alkoholrausch aller Anwesenden zum Ziel.

Beispiele

  • Prosit!“ oder „Prost!“
  • „Wohl bekomm's!“
  • „Zum Wohl(e)!“
  • „Hoch die Gläser!“
  • „Auf uns wohl und niemand Übel!“ (lateinisch „Nobis bene, nemini male.“)[6]
  • „Möwie noch een?“[7]
Wiktionary: prost – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Trinkspruch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Schuller: Die Welt der Hetären. Klett-Cotta, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-608-96001-3, 1. Kapitel: In ganz Hellas besungen. Die archaische Zeit (Besprechung und Leseprobe bei berlinerliteraturkritik.de (Memento vom 23. Februar 2016 im Internet Archive)).
  2. Toast (engl.). In: Allgemeine deutsche Real-Enzyklopädie für die gebildeten Stände. 9. Auflage. Band 14. F. A. Brockhaus, Leipzig 1847, S. 314 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. a b Helga Kotthoff: Trinksprüche als Interaktionsrituale, s. #Weblinks
  4. Allg. deutsche Real-Enzyklopädie für die gebildeten Stände 1824, 10. Band, S. 1 f. (Toast)
  5. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben - Unpolitische Lieder (1840) S.189: Trinksprüche, Breslauer Schillerfest 10. Nov. 1835 Unpolitische Lieder (1840)
  6. Tobias George Smollett: Humphry Klinkers Reisen. Dritter Band. Aus dem Englischen [von Johann Joachim Christoph Bode]. Leipzig 1772, S. 115 books.google. Siehe auch Johann Friedrich Schütze: Holsteinisches Idiotikon; ein Beitrag zur Volkssittengeschichte. Erster Theil. Hamburg 1800, S. 278 books.google: „Eine Hamb. halbplattdeutsche Gesundheit heißt: Es geh uns wohl und niemand übel! Wer dat nig drinkt, den haal de Düvel!“
  7. Emsländisch – Deutsch, Deutsch – Emsländisch. Schluss mit den Klischees – „Möwe?“ Landkreis Emsland, abgerufen am 25. November 2022.

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Albert Ballin 1891, von C.W. Allers.jpg
Albert Ballin, Zeichnung von C.W. Allers. Ballin ist auf der ersten Kreuzfahrt an Bord der Augusta Victoria und hält einen Toast auf des Kaisers Geburtstag. Die Zeichnung ist links unten auch von Ballin signiert.