Travemünder Winkel

Als Travemünder Winkel wird ein Gebiet in Schleswig-Holstein bezeichnet.

Lage

Der Travemünder Winkel liegt zwischen der Ostsee (im Norden), dem Fluss Trave (im Süden und Osten) und Hemmelsdorfer See (im Westen) und gehört zu Lübeck sowie dem Kreis Ostholstein (Gemeinden Ratekau und (in geringem Umfang) Timmendorfer Strand). Der Lübecker Teil wurde ab 1852 durch das Amt Travemünde verwaltet, welches 1879 im Stadt- und Landamt Lübeck aufging. 1935 folgte die Eingemeindung des Lübecker Teils in die Hansestadt Lübeck.

Im Travemünder Winkel liegen

Dem Travemünder Winkel entspricht der Klützer Winkel auf der anderen Seite der Lübecker Bucht, der landschaftlich ähnlich, aber durch die historischen Besitzverhältnisse (große Güter) anders strukturiert ist.

Geschichte

Die Jahrhunderte unter geistlicher Herrschaft begünstigten im Travemünder Winkel die Anlage großer, über Generationen im Familienbesitz vererbter Höfe (Hufner). Historisch gesehen wurde der Travemünder Winkel seit dem Mittelalter administrativ und besitzrechtlich vom Lübecker Domkapitel einerseits und vom St-Johannis-Jungfrauen-Kloster zu Lübeck andererseits kontrolliert:

Lübecker Domkapitel

Wappen Hochstift Lübeck

Zum Ende des 18. Jahrhunderts herrschten Zwist und Unstimmigkeit zwischen dem Domkapitel und seinen Untertanen in den dazugehörigen Dörfern. Das Domkapitel forderte ständig höhere Abgaben und Dienste von seinen Untertanen, was in einer Beschwerde vor dem Reichskammergericht mündete. Gemäß Kapitels-Vergleich vom 21. Oktober 1793 werden die von den Untertanen zu erbringenden Abgaben und Dienste genau erfasst und eine Erhöhung derselben für die Zukunft ausgeschlossen. Jeder Hauswirt hat erstmals das Recht, seine Hufe jederzeit zu verkaufen oder zu verpfänden. Die Kapitelsdörfer zahlen für die Befreiung von allen Naturalabgaben und Diensten jedoch 10 Reichstaler je Hufe im Jahr. Somit erlangten die Hufenbesitzer erstmals volles Eigentum an den Äckern und Wiesen.

Mit der Säkularisation des Hochstiftes Lübeck durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurde das Stiftsgebiet als Fürstentum Lübeck in ein erbliches weltliches Fürstentum mit Eutin als Residenz umgewandelt und den Herzögen von Oldenburg als Ausgleich für den Verlust des Weser-Zolls zugesprochen. Der im Travemünder Winkel gelegene Besitz wurde geteilt: die Kapitelsdörfer Ivendorf, Brodten, Teutendorf, Gneversdorf und der Hof Dänischburg gingen an die Stadt Lübeck, während Wilmsdorf, Warnsdorf, Häven und Niendorf an Eutin fielen.

St-Johannis-Jungfrauen-Kloster zu Lübeck bzw. nach 1667 die Freie Hansestadt Lübeck

Die zum St-Johannis-Jungfrauen-Kloster gehörigen Dörfer waren die sogenannten Stiftsdörfer: Dummersdorf, Herrenwik, Kückenitz, Pöppendorf, Siems, Rönnau, Waldhusen und die Hälfte von Teutendorf.

Mit der Lübecker Kirchenordnung hatte sich 1531 die Reformation in Lübeck durchgesetzt. Nur das Johannis-Jungfrauen-Kloster unter seiner Äbtissin Adelheid Brömse hatte sich dem widersetzt und sich nach deren Argumentationslinie über Jahrzehnte erfolgreich unter den Schutz der Reichsunmittelbarkeit gestellt. Erst nach dem Scheitern eines 4-jährigen Prozesses 1667 vor dem Reichskammergericht erkannte das Kloster die Hoheit des Lübecker Rates über seine Ländereien an. Das nunmehr evangelische Damenstift blieb jedoch besitzrechtlich Eigentümerin der Dörfer, die Äbtissin hatte nicht nur Gerichtsbarkeit in den Stiftsdörfern inne, sondern genehmigte auch die Hufenstellenübertragungen auf die nächste Generation. Erst um 1815 ging die Gerichtsbarkeit auf den von der Lübecker Kämmerei eingesetzten Vogt bzw. Stadthauptmann über.

Auszug aus dem Hafer-Register von 1753 des St-Johannis-Jungfrauenkloster zu Lübeck (Archiv Hansestadt Lübeck)
Auszug aus dem Hafer-Register von 1753 des Johannisklosters zu Lübeck (Archiv der Hansestadt Lübeck)

Die Stiftsdörfer hatten jährliche Abgaben und Leistungen je nach Größe der Hufenstelle an das Kloster zu erbringen. Die Naturalleistungen wurden über die Jahrhunderte in Zahlungen wie z. B. Kopfsteuer, Baugeld, Häuer-Geld, Schweine-Geld umgewandelt. Ab 1794 fingen einige Dörfer an (u. a. die im Travemünder Winkel), die Abgabe von Kopfsteuer und Baugeld zu verweigern. Nach Jahren konnte keine Einigung erzielt werden. Erst mit dem Senatsbeschluss im April 1805 wurde das Kloster angehalten, Vergleiche mit den Dörfern zu suchen. Mit den Winkeldörfern gelang dies erst am 3. Februar 1815. Die jahrhundertealte Klausel "Land und Sand dem Kloster vorbehaltlich" fiel in den Hausbriefen nun weg. Die Hufstellenbesitzer hatten von nun an völliges Eigentumsrecht an ihren Hufen. Dafür zahlen sie dem Kloster eine jährliche Abgabe. Im Gegenzug für die Übertragung des Eigentums erhielten die Dörfer ein Schuld- und Pfandprotokoll[1].

Von 1761 bis 1769 wurde nach langwierigen Grenzstreitigkeiten von seiten des Klosters damit begonnen, die Teutendorfer Äcker und Wiesen nachzumessen und zu regulieren[2]. Dieser Vorgang wird allgemein auch mit Verkoppelung bezeichnet. Diese Arbeiten wurden umfangreich durch den Landvermesser Faber dokumentiert. Bei der Neueinteilung der landwirtschaftlichen Nutzflächen kam es zu langjährigen Auseinandersetzungen.

Alte Bauernhöfe im Travemünder Winkel

Die historischen Bauernstellen des Travemünder Winkels stehen zum Teil seit Generationen in bäuerlichem Familienbesitz. Etliche Hofstellen sind auch baulich bemerkenswert und daher als eingetragene Kulturdenkmale geschützt. Dabei unterstehen die auf Lübecker Stadtgebiet gelegenen Kulturdenkmale der städtischen Denkmalpflege, die im Kreis Ostholstein gelegenen hingegen der schleswig-holsteinischen Landesdenkmalpflege in Kiel.

Bauernhöfe / HufnerstellenOrtBauerngeschlechtHufenstelle und Gebäude
Hof Kahrstedt Hufnerhaus von 1786
Brodten,

Großenhof 10

Kaarstedt oder Kahrstedt


Der Hof war von 1705 bis 1951 im Besitz der Familie[3]

- Hans Hinrich Karstedt (oo Engel Catharina Lehmkuhl) ist Vollhufner bis 1811, danach übernimmt Peter Hinrich Karstedt (oo Anna Elsabe Henk)

Hufnerhaus als Vierständerhaus 1786 erbaut von Hans Hinrich Laste und Engel Catharina Lastehn.
ZVLGA 63 1983 - Kahrstedtsches Hufnerhaus vor und nach Instandsetzung 1981/82.
Durchgreifend saniert wurde 1981/82 das 1786 erbaute große Hufnerhaus in Brodten, Großenhof 10. Im Inneren erfuhren der bis dahin nach Aufgabe der ehemaligen Stallungen mit der großen Mitteldiele ungenutzt liegende Wirtschaftsteil sowie das Dachgeschoss einen neuen Ausbau unter Berücksichtigung der alten Konstruktionselemente (Architekt Joh. Rehder, Bremen).

Daneben fand die gründliche Instandsetzung des Äußeren statt. Das gesamte Reetdach des stattlichen Gebäudes wurde erneuert. Die sachgerechte Wiederherstellung zeigt sich besonders deutlich an der Giebelfront des Wirtschaftsteils mit dem großen Tor und den vielfältigen Füllziegelmustern.[4]

Hof Werner, Brodten
Brodten, Pfingstbusch 2Werner, Brodten

Nach vorliegenden Informationen aus der Dorfchronik war die namensgebende Familie seit 1681 ansässig auf dem Wernerschen Hof in Brodten.


- Arend Werner (*1740-†1824)

- Hans Hinrich Werner (*1764-†1825) ist Vollhufner und im Jahr 1821 Vorsteher des St Jürgen Siechenhaus, Travemünde[5]

- Ahrend Hinrich Werner ist Vollhufner und seit 1848 Bauernvogt von Brodten.

- Nicolaus Hinrich Werner (*1834) ist Vollhufner seit mindestens 1868.

Hof Werner, Brodten um 1930
Das zentrale Gebäude dieser Hofanlage stammt aus dem Jahre 1791 mit der Besonderheit des in 1844 vorgesetzten Querflügels. Dieser backsteinerne Bau prägt bis heute das Bild dieses Hofes. Die Scheune links wurde ebenfalls 1791 errichtet. Der Torbalken trägt die Inschrift "Ahrend Werner Soli Deo Gloria 1791".
Hof Werner - Backhaus, Brodten
Zu der Hofstelle gehört ein Backhaus.

Im Januar 1968 legte ein schwerer Sturm die rechte Scheune der bis dahin im großen und ganzen intakt gebliebenen Hofanlage Werner in Brodten nieder.[6]

Reetdachausbesserungen erfolgten auch an den geschützten Bauernhäusern in Brodten. Hier wurde die 1791 errichtete Scheune des Hofes Werner für Wohnzwecke unter weitgehender Bewahrung der alten Substanz ausgebaut.[7] 1978 wurde der Hof verkauft, saniert und anschließend in Büroräume der Steuerberatungsgesellschaft Dr. Biermann umgestaltet.

GneversdorfNau, Gneversdorf
Grabstein Familie Nau, St. Lorenz Friedhof Travemünde

Nau ist eine seit mindestens 1610 in Gneversdorf alteingesessene Bauernfamilie, die zu einem der ältesten und bekanntesten im Travemünder Winkel gehört. Immer wieder wirkten Mitglieder dieser Familie, die auch die Bauernvögte und Gemeindevorsteher ihres Dorfes stellten, im kommunalen Leben Travemündes, im Kirchen- und Schulvorstand, der Sparkasse, Liedertafel, dem Gemeinnützigen Verein, der Wohlfahrtspflege mit[8].

- Hinrich Nau, ~ 9.3.1676 in Travemünde, Bauervogt in Gnevsdorf, † 1736, verheiratet mit Anna Elsabe Kohlhaas, Kücknitz[9]

- Heinrich Nau heiratet 1796 Anna Elsabe (verw.) Ehlers aus Teutendorf[10]

- Hans Hinrich Daniel Nau (*1817-†1892) war Mitglied der Lübecker Bürgerschaft, Vorsteher der Sparkasse zu Travemünde, Mitglied der Steuer-Commission für den Travemünde Landbezirk und Bauernvogt.

Hof Beuthien, Ivendorf. Wohnhaus von c. 1835.
IvendorfBeuthien oder Beythien, Ivendorf

Hinrich Christoph Beuthien (* 25. Dez. 1805; † 27. Feb. 1865) war Vorsteher vom St. Jürgen Siechenhaus.

Zum Hof gehört der Campingplatz Ivendorf am Frankenkrogweg 2–4, der seit 1989 betrieben wird.
Hof Frähmke von 1823
Ivendorf, Ivendorfer Landstraße 62Frähmcke, Ivendorf

Auf dem Hof wird als erster Lorenz Sternberg erwähnt, der bis 1539 den Hof bewirtschaftet. 1693 heiratet Hinrich Frähmcke in den Hof ein.

1861 war Hinrich Friedrich Frähmcke im Gemeindevorstand der Travemünder St.-Lorenz-Kirche.

Hans Hinrich Frähmcke baute 1820 die große Fachwerkscheune auf dem Hof und 1823 das neue Wohnhaus an heutiger Stelle. Es ist ein zweigeschossiger klassizistischer Backsteinbreitbau von sieben Achsen mit Pfannenwalmdach. Tierhaltung und Wohnbereich wurden somit physisch getrennt.

Das alte Hufnerhaus soll parallel zur Steinmauer, an der Seite zum Hof Beythien gestanden haben.

Zu dem Hof gehört das Altenteil, welches an der Ivendorfer Landstraße gelegen ist. Es wurde später verkauft und ist jetzt das Hotel und Restaurant Grüner Jäger.

Scheune von 1797 der Ehlers Hufe Teutendorf bei Travemünde
Das Wohnhaus der Ehlers’schen Vollhufe (heute Westphal) von ca. 1880 in Teutendorf (2004)
Teutendorf, (heute) Bollbrügg 26Ehlers, Teutendorf (Anteil Lübecker Domkapitel)


Im Jahre 1529 wird in den Akten des Domkapitels zu Lübeck Martin Hinrich Ehlers in Tödtendorf anstelle von Hans Wittenborch (1527) als Stellenbesitzer erwähnt.

- 1677–1717 ist Jochim Ehlers Besitzer der Vollhufe. Er heiratet 1677 Dorothea Amtmann.

- 1717 übernimmt Hans Ehlers (geb. 1678) mit 39 Jahren als jüngster (im DK gilt Jüngsten-Erbrecht) Sohn die Vollhufe.

- 1740–1765  Hans H(e)inrich Ehlers (26.10.1724 - † um 1765(?)) erhält die Hufe am 4.11.1740 von seinem Schwiegervater Hinrich Ruesch (Vormund).

- 1765-1781 Johann Hinrich Bahr (Baar) übernimmt am 04.05.1765 die Vollhufe von Hans H(e)inrich Ehlers wohl als Vormund.


Über elf Generationen wird die Vollhufe von den Ehlers geführt (zuletzt Hermann Heinrich Friedrich Ehlers), bis sie im Juni 1890 an den späteren Schwiegersohn Otto Waldemar Klobke verkauft werden musste[10].

1796 lebte Stelleninhaber Jacob Friedrich Ehlers (* Nov. 1752 in Teutendorf; † 1796) verfrüht ab. Der Hoferbe Hans Wilhelm Ehlers (* 9. Juni 1791 in Teutendorf; † 27. November 1875 in Teutendorf) war erst 5 Jahre alt. Wie oftmals üblich wurde der Hof dann bis zur Volljährigkeit des Erben verpachtet, wie hier an Johann Peter Langmaack.[10]
Hufnerhaus Vollhufe Ehlers Teutendorf vor Abriss 1968, ZVLGA Nr 48 1968.
Im Juni 1797 wird die Scheune (in der Literatur[11] als Hufnerhaus erwähnt, S. 131) von Johann Peter Langmaack und Margreta Elisabeth Langmaack fertiggestellt (Inschrift über dem großen Tor der Scheune). Es ist ein prachtvolles Exemplar mit ausgeprägtem Bauerntanz, welches fast der Wilmsdorfer Ehlers Scheune von 1791 im Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel gleichkommt. 1841 wird die Vollhufe mit Ländereien von ca. 50 Tonnen Saat- und Ackerland und ca. 3 Tonnen Wiesenland sowie einem Wohnhaus, einer Scheune, einer Kate (wohl das Altenteil) und einem Backhaus angegeben[12].
zur Hufenstelle Ehlers Teutendorf gehörig
Federzeichnung "Scheune in Teutendorf zum Gehöft Klobke" von Leopold Thieme

Um 1872 bestand die Vollhufe aus dem Wohnhaus (8-Fach/80 Fuß = 25 m), einer Scheune (5-Fach), einer Kathe (4-Fach) und einem Backhaus. Sie lag zwischen den Stellen von Joh. Detlef Möller und Hans Peter Schwecker.[13]


Auch der Lübecker Maler und Zeichner Leopold Thieme (* 15. Juli 1880 in Rochlitz; † Mai 1963 in Lübeck)[14] widmete sich um 1925 dem Gebäude als Motiv für eine seiner Federzeichnungen mit dem Titel „Scheune in Teutendorf zum Gehöft Klobke“ im Lübecker Heimatbuch.[15]

1968 wurde die Scheune abgerissen und durch einen schlichten Neubau ersetzt.

Klassizistisches Wohnhaus von 1833 der Vollhufe Ruesch[16], Teutendorf (2021)
Teutendorf, (heute) Bollbrügg 9Ruesch, Teutendorf Die Familie Ruesch gehört zu den alteingesessenen Vollhufnern in Teutendorf, die ihre Hufe über Generationen weitergegeben haben. Einige Male überkreuzten sich die Ehlers-Linie-Teutendorf und die Ehlers-Linie-Wilmsdorf mit den Rueschs in Teutendorf.[10]
Grabstelle Ruesch Travemünde St. Lorenz Friedhof
Hinrich Ruesch (*um 1751 - †16.01.1837 in Teutendorf)  oo  Sophia Elisabeth Niemann.

Peter Hinrich Ruesch (* um 1795 - † 6. Mai 1856) engagiert sich stark im Travemünder Gemeinschaftsleben. 1841 ist Peter Hinrich Ruesch Hauptmann im 5. Bataillon (Landwehr-Bezirk Travemünde, 14. Compagnie). Er ist auch Mitbegründer der Travemünder Liedertafel, die am 7. Januar 1843 auf Initiative des Lehrers A. H. Taht ins Leben gerufen wird.[10]Peter Hinrich wird bald über die Travemünder Grenzen hinweg bekannt und gewinnt in Lübeck an Einfluss. Er hatte wohl auch Ambitionen, Mitglied der Lübecker Bürgerschaft zu werden. Im Revolutionsjahr 1848 wird die Verfassung von Lübeck neu erstellt. Peter Hinrich vertritt bei der Wahl der Lübecker Bürgerschaft die Landsleute des Travemünder Bezirks und ist einer der drei Leiter der Wahlversammlung[17] in einem der vier Quartiere (Stadtteile der Altstadt) im Mai desselben Jahres. Die Vertreter werden für 8 Jahre gewählt, er selbst jedoch nicht.


Sohn Heinrich Friedrich Ruesch (*19.02.1822 - †1906) wird Mitglied der Direktion des Lübecker Feuerversicherungs-Verein der Landbewohner und ab Juli 1857 Mitglied der Lübecker Bürgerschaft. Seit 1861 ist er auch Vorsteher des „Gemeinnützigen Vereins der Travemünder Liedertafel“.

1833 erbaute Peter Hinrich Ruesch das beeindruckende Teutendorfer Wohnhaus in zweigeschossiger klassizistischer Backsteinbauweise, dessen Treppenaufgang steht unter Denkmalschutz. Das Gebäude gilt als Beispiel für den „ländlich herrschaftlichen Wohnbau großer Höfe“[18] in Ostholstein.


Peter Hinrich scheint ein besonderer Charakter gewesen zu sein. Von Anne von Essen (geb. Plötze-Martin), die Mitte der 1980er Jahre auf dem Hof lebte, ist folgendes überliefert:

Herrschaftlich soll Peter Hinrich Ruesch auch gelebt haben. Bekannt ist, daß er zu Familienfeiern gerne die Speisen vom Ratskeller aus Lübeck kommen ließ. Man kann sich vorstellen, was das damals für einen Aufwand bedeutete. Herr Ruesch liebte es auch, auf seinem Schimmel an der Moorbäk entlang zu reiten. Noch heute sagt die Legende, er reite dort in der Silvesternacht auf seinem Schimmel. Auch den Treppenaufgang seines schönen Hauses soll er hinauf geritten sein“.[19]

Es ist wohl der älteste der vier in Teutendorf klassizistisch geprägten Höfe (Bollbrügg 7, 9, 26 und 31). Heute Plötze-Martin.

Herrschaftliches Wohnhaus von ca. 1790 Hof Friedrich Carl Ehlers, Wilmsdorf mit wunderschönem Blick auf Hemmelsdorfer See.
Wilmsdorfer Ehlers Scheune im Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel, 1791 erbaut
Wilmsdorfer Ehlers Scheune Hinteransicht
WilmsdorfEhlers, Wilmsdorf


Der Name Ehlers wird erstmals in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Wilmsdorf erwähnt. Vermutlich ist die Wilmsdorf-Linie ein Abzweig der Ehlers-Teutendorf-Linie.

In dem Ratekauer Kirchenbuch werden der Bauernvogt Asmus Ehlers (Kirchgeschworener seit 1724) und sein Bruder Jacob Ehlers genannt.

Ratekauer Feldsteinkirche mit Grabstein Hinrich Friedrich Ehlers geb. 1789 in Wilmsdorf
Asmus’ jüngster Sohn, Friedrich Carl Ehlers wird am 10. April 1715 geboren. In der ersten Ehe heiratet er am 8. Oktober 1747 Sophie Elisabeth Krahn, Tochter des Bauernvogt Krahn im Nachbardorf Offendorf. Man heiratete wohl streng in seinem Stand. Nach den Gesetzten im Fürstbistum Lübeck führt der jüngste Sohn die Hofstelle weiter. Mit der Heirat wird üblicherweise die Stelle übertragen. Friedrich Carl wird Stellenbesitzer und auch Bauernvogt von Wilmsdorf.[10]

Hoferbe Friedrich Carl Ehlers (jun.) (um 1750 geboren, 3. Kind aus der ersten Ehe und vor der Volkszählung von 1819 gestorben) heiratet 1785 (seine Cousine) Anna Catharina Krahn (geb. 1762) aus Grammersdorf. Die Familie ist gut situiert und hat enge Verbindungen nach Schwartau, wo Friedrich Carl ein Haus am Töpferberg besitzt und seinen Lebensabend verbringt.

Bauernvogt Hinrich Friedrich Ehlers (geb. 1789) heiratet Anna Catharina Muuss. Es scheint keinen Erbfolger gegeben zu haben.

Wilmsdorfer Ehlers Scheune von 1791 mit Inschrift über der Groot-Dör
Im Jahr 1791 ließen Friedrich Carl und Anna Catharina Ehlers diese Scheune (so steht es über der Groot-Dör) in Wilmsdorf am Hemmelsdorfer See erbauen. Sie ist mit ihrer Größe 14-Fach und Verzierungen wohl einmalig. Kurz vor ihrem endgültigen Verfall schenkte das Ehepaar Behr dieses prägnante Beispiel einer historischen bäuerlichen Bauweise an das Freilichtmuseum. Die Scheune wurde 1972 abgetragen, in ihre Einzelteile zerlegt, nummeriert und in dem im Aufbau begriffenen Schleswig Holsteinischen Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel wieder aufgestellt.[10]
Wilmsdorfer Ehlers Scheune im Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel

Sozial- und Gemeinnützige Einrichtungen

St. Jürgen Siechenhaus

Das mittelalterliche St. Jürgen-Siechenhaus, an der Siechenbucht vor den Toren von Travemünde gelegen, war ein ehemaliges Siechenhaus für Aussätzige, z. B. Lepra- und Pestkranke, Eines von 24 im Schleswig-Holsteiner und Hamburger Raum bekannten Leprosorien, benannt nach St. Georg, niederdeutsch St. Jörg bzw. St. Jürgen[20]. So hieß der Schutzpatron aller bisher bekannten Leprosorien.

Es wurde von einem Vorstand bestehend aus Travemünder Persönlichkeiten und jeweils einem Vollhufner aus:

  • Gneversdorf (Franck, Nau),
  • Brodten (Brinckmann, Werner),
  • Ivendorf (Beythien) und
  • Rönnau (Hildebrandt, Gerdtz) verwaltet.

Travemünder Liedertafel von 1843

Die Sänger-Bewegung war in Deutschland in vollem Aufschwung und das erfolgreiche 1. Norddeutsche Sängerfest in Lübeck 1839 noch in sehr guter Erinnerung. Liedertafeln wurden überall in Deutschland gegründet, um das gemeinsame Interesse unter Gleichgesinnten, unabhängig von Beruf und Stellung an der Liebe zum Gesang zu pflegen. Initiator der Travemünder Liedertafel war der Travemünder Lehrer Taht. Gegründet wurde sie am 7. Januar 1843 im Gasthaus Zornig in der Vorderreihe. Neben Travemünder Persönlichkeiten wie Badearzt Dr. Lieboldt und Pastor Heinrich Wilhelm Eschenburg gehörten auch einige "Winkel-Vollhufner" zu den Gründungsvätern wie Hans Hinrich Daniel Nau, Peter Hinrich Ruesch, Gerdtz[10].

Gemeinnützige Verein der Travemünder Liedertafel von 1848

Im November 1848 wurde von Mitgliedern der Sängergruppe unter Leitung von Pastor Dr. Heller der Gemeinnützige Verein der Travemünder Liedertafel aus der Taufe gehoben. Das Erkennungszeichen der Gemeinnützigen ist der Bienenkorb. Dieser findet sich auf einigen Grabsteinen der Gründungsfamilien wieder.

Sparkasse zu Travemünde

Zum Wohlwollen der Travemünder Einwohner entschloss sich eine Anzahl der Gemeinnützigen Vereinsmitglieder der Travemünder Liedertafel, am 29.6.1850 die Sparkasse zu Travemünde zu gründen. Dabei waren Arend Christian Hinrich Böbs aus Warnsdorf und Hans Hinrich Daniel Nau aus Gneversdorf[21]. 1937 übernimmt die Sparkasse zu Lübeck das kleine Travemünder Pendant.

Persönlichkeiten

  • Johann Hinrich Meyer, Schiffszimmermeister (* 3. Februar 1761 in Teutendorf; † 26. Juli 1850 in Lübeck)
  • Peter Hinrich Ruesch, Vollhufner, Major 5. Bataillon Landwehr-Bezirk Travemünde (* um 1795 in Teutendorf; † 6. Mai 1856)
  • Dr Balthasar Ludwig Heller (Pastor), (* 25. April 1805 in Lübeck; † 29. Juni 1878 ebenda) Prediger ab 1836, Hauptpastor 1853–1878 an der St. Lorenz-Kirche, Travemünde
  • Friedrich Lieboldt, vollständig Paul Friedrich Arnold Lieboldt (* 14. Juli 1806 in Lübeck; † 28. Januar 1878 ebenda) war ein deutscher Mediziner und Badearzt in Travemünde
  • Hans Hinrich Daniel Nau (*1817-†1892), Mitglied der Lübecker Bürgerschaft, Vorsteher der Sparkasse zu Travemünde und Bauernvogt zu Gneversdorf.

Sonstiges

Im Travemünder Winkel befindet sich das 1996 ausgewiesene Landschaftsschutzgebiet „Travemünder Winkel“; es umfasst eine Fläche von rund 1.350 Hektar. Es wird von der Rönnau (Trave) und der Moorbek (Trave) durchflossen.

Literatur

  • Johannes Klöcking: Waldhusen – Hemmelsdorf, Heft 17/18 der Lübecker Heimathefte, Charles Coleman, Lübeck 1932

Weblinks

Commons: Teutendorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Hof Ehlers, Teutendorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Georg Wilhelm Dittmer, Geschichte und Verfassung des St. Johannis-Jungfrauen-Klosters, Lübeck 1825
  2. Johann Rudolph Becker: Umständliche Geschichte der Kaiserl. U. D. Heil. Römischen Reichsfreyen Stadt Lübeck, 2. Band, 1784
  3. Heidrun u. Reiner Schmitz. Hamburg: Christians 1986- ZVLGA (Hrsg). Band 1986, Nr. 67.
  4. Lutz Wilde: Bericht des Amtes für Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck 1982/83. Hrsg.: ZVLGA. Nr. 63. Lübeck 1983.
  5. Lübecker Staat: Lübecker Staats-Kalender. Hrsg.: Lübecker Staat. G. C. Schmidt, Rathsbuchdrucker, Lübeck 1821.
  6. Lutz Wilde: Bericht des Amtes für Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck 1967/68. Hrsg.: ZVLGA. Nr. 67. Lübeck 1968.
  7. Lutz Wilde: Bericht des Amtes für Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck 1974/75. Hrsg.: ZVLGA. Nr. 55. Lübeck 1975.
  8. Dr. Hans Heidrich; Das Hausbuch der Familie Nau, Der Wagen 1965, Schmidt-Römhild Verlag
  9. Michael Kohlhaas, Die Geschichte der Erbhöfe in Kücknitz, 2017 Stammfolge Kohlhaas,
  10. a b c d e f g h Christoph Ehlers: Die Ehlers im Travemünder Winkel. Hrsg.: Christoph Ehlers. 1. Auflage. Ascot / Travemünde Mai 2012.
  11. Hans August Herrmann: Schmuckformen am Bauernhaus in Holstein. Ferdinand Hirt, Kiel 1956, S. 156.
  12. Extracte aus dem „Schuld- und Pfandprotokolle für die Dorfschaft Teutendorf“ vom 10. August 1841 durch Dr. Heller, Pastor St.-Lorenz-Kirche Travemünde.
  13. Extracte aus dem „Schuld- und Pfandprotokolle für die Dorfschaft Teutendorf“ vom Okt. 1872
  14. Werksverzeichnis Leopold Thieme. In: leopold-thieme.de. Abgerufen am 25. Januar 2021.
  15. Hugo Rathgens: Das Bild der Ortschaften des Landgebietes. In: Lübecker Heimatbuch. Lübeck 1926.
  16. Hartwig Beseler, 1979, Seite 172 für den Hof von Essen
  17. Deutsche Verfassungsdokumente 1806–1849, Band 4;  von Werner Heun
  18. Hartwig Beseler, 1979, Seite 172 für den Hof von Essen
  19. Travemünder Möwenpost, Jahrgang 4, 27.11.1986, Nr. 38
  20. Dr. Wilhelm Schulze: Mittelalterliche Leprosorien im heutigen Schleswig-Holstein und Hamburg. In: Lepramuseum Münster-Kinderhaus. Lepramuseum Münster-Kinderhaus, abgerufen im Jahr 2022.
  21. Christoph Ehlers: Die Ehlers im Travemünder Winkel . Hrsg.: Christoph Ehlers. 2. Auflage. Johannesburg / Kapstadt Januar 2022.

Koordinaten: 53° 57′ 36″ N, 10° 49′ 12″ O

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Wohnhaus Hof Ehlers, Wilmsdorf am Hemmelsdorfer See
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Grabstelle Ruesch Travemuende St. Lorenz Friedhof
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Kahrstedtsches Hufnerhaus vor und nach Instandsetzung Anfang 1981/82
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Hof Frähmcke, Ivendorfer Landstraße 62, Lübeck-Travemünde; erbaut 1823; Denkmalliste Lübeck-Travemünde Nr. 1129
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Scheune aus Wilmsdorf. Erbaut 1791, Wiederaufbau 1975.
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Hof Beuthien, Ivendorf bei Travemuende. Wohnhaus von ca 1835
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Grabstein Familie Nau, St. Lorenz Friedhof. Zur Grabanlage gehoeren noch zwei weitere Grabsteine
Klassizischtisches Wohnhaus von 1833 der Vollhufe Ruesch, Teutendorf im Jahr 2021 © C. Ehlers.jpg
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Klassizischtisches Wohnhaus von 1833 der Vollhufe Ruesch, Teutendorf (Mutterrolle No IV). Heute Plötze-Martin.
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Scheune von 1797 der Ehlers Hufe Teutendorf mit Inschrift „Johann Peter Langmaack und Margreta Elisabeth Langmaack“ auf Postkarte von ca.1925
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Federzeichnung "Scheune in Teutendorf zum Gehöft Klobke" von Leopold Thieme
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Wilmsdorfer Ehlers Scheune mit Inschrift "Friedrich Carl Ehlers und Anna Catharian Ehlersen 1791"
Wilmsdorfer Ehlers Scheune im Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel, 1791 erbaut.jpg
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Wilmsdorfer (am Hemmelsdorfer See) Ehlers Scheune im Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel, 1791 erbaut durch Friedrich Carl und Anna Catharina Ehlers (so steht es über der Groot-Dör)
Brodten Scheune Hans Hinrich Laste 1786 Hof Kahrstedt.jpg
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Hof Kahrstedt, Scheune von 1786, Brodten bei Lübeck-Travemünde
Das Wohnhaus der Ehlers’schen Vollhufe (heute Bollbrügg 26) von ca. 1880 in Teutendorf im Jahr 2004.png
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Das Wohnhaus der Ehlers’schen Vollhufe (heute Bollbrügg 26) von ca. 1880 in Teutendorf im Jahr 2004 © C. Ehlers
ZVLGA Nr 48 1968 - Scheune Ehlers Teutendorf vor Abriss 1968 - Wikipedia upload.jpg
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Hufnerhaus Vollhufe Ehlers Teutendorf vor Abriss 1968, ZVLGA Nr 48 1968
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Hof Werner, Brodten bei Lübeck-Travemünde
Brodten Hof Werner.jpg
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Hof Werner, Brodten um 1925
Hof Werner - Backhaus, Brodten.jpg
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Hof Werner - Backhaus, Brodten
Scheune aus Wilmsdorf.jpg
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Scheune aus Wilmsdorf im Freilichtmuseum Molfsee
Ratekauer Feldsteinkirche mit Grabstein Hinrich Ehlers, Wilmsdorf.jpg
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Ratekauer Feldsteinkirche mit Grabstein H. F. Ehlers geb 1789 in Wilmsdorf und seiner Frau