Training sozialer Kompetenzen

Das Training sozialer Kompetenzen bezeichnet verschiedene Verfahren der Verhaltenstherapie, welche es ermöglichen sollen, z. B. durch standardisierte Trainingsmethoden die sozialen, also zwischenmenschlichen Fähigkeiten, zu erhöhen. Die verschiedenen Methoden finden etwa bei psychiatrischen Patienten oder Strafgefangenen Anwendung, deren soziale Kompetenz beeinträchtigt ist, aber auch bei unsicheren Personen. Es wird aber auch zur Erhöhung von Teamfähigkeit oder sogenannter Soft Skills in der Organisationspsychologie angeboten. Es kann sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen angewendet werden. Die Methoden finden heute auch in der sozialen Gruppenarbeit innerhalb der sozialen Arbeit Anwendung.

Geschichte

Andrew Salter entwickelte 1949 ein Expressive training für den Abbau von sozialer Angst und Aufbau von Selbstsicherheit.

Dieses Training beinhaltet eine Reihe von Verhaltensregeln wie das explizite Äußern von erlebten Emotionen, die explizite mimische wie gestische Darstellung dieser Emotionen, dem Widersprechen und Angreifen mit dem expliziten Ausdruck erlebter interpersoneller Differenzen, dem gezielten Gebrauch des Pronomens Ich, der Annahme der Zustimmung und des Lobes anderer, des Selbstlobes, der Anerkennung eigener Leistungen, und der Improvisation und Flexibilität durch aktives und spontanes Handeln.

Ursachen für Kompetenzdefizite

Bei den Ursachen für Kompetenzdefizite wird zwischen situationsbezogenen Ursachen und biographischen Ursachen unterschieden. Zu den situationsbezogenen Ursachen werden die situationale Überforderung, die ungünstige kognitive Verarbeitung, die ungünstige emotionale Verarbeitung, die ungünstigen Verhaltensweisen und ungünstige Verhaltenskonsequenzen gezählt. Bei den biographischen Ursachen sind soziale Überforderung (äußere Umstände, Selbstrepräsentation), Verhaltensdefizite (fehlende Übung), inkompetente Verhaltensgewohnheiten, erworbene soziale Ängste und erworbene dysfunktionale Überzeugungen zu nennen.

Beispiele standardisierter Trainingsmethoden

Als Beispiele standardisierter Trainingsmethoden sind das Personal Effectiveness Training nach Liberman (1975), das Selbstsicherheitstraining (englisch. Assertiveness Training Programme, ATP) nach Ullrich & Ullrich de Muynck (1978), das Verhaltenstraining zum Aufbau sozialer Kompetenz nach Feldhege & Krauthan (1979), das Gruppentraining Sozialer Kompetenzen (GSK) nach Hinsch & Pfingsten, die Mediatorenausbildung im Strafvollzug nach Braune (1982), das Social-Skill-Training für Helferberufe nach Galvin (1985) und das Social-Skill-Training für psychiatrische Patienten nach Liberman, DeRisi & Muesser (1989) zu nennen.

Personal-Effectiveness-Training (PET)

Das Personal-Effectiveness-Training wurde von Robert P. Liberman 1975 entwickelt. Es wurde mit dem Ziel konzipiert zu einer Verbesserung und Entwicklung der verbalen und nonverbalen Kommunikationsfähigkeit sowie zu einer angemessenen Selbstsicherheit und Durchsetzungsfähigkeit beizutragen. Es ist ein semistrukturiertes, verhaltenstherapeutisches Gruppentraining.[1]

Assertiveness-Training-Programm (ATP)

Das ATP besteht aus 127 sozialen Situationen, die in Rollenspielen eingeübt und im Anschluss unter realen Bedingungen umgesetzt werden sollen. Dabei werden vier Hauptkategorien sozialer Kompetenzen berücksichtigt:

  • das Stellen von Forderungen
  • nein sagen und kritisieren
  • das Herstellen von Kontakten
  • öffentlicher Beachtung aussetzen und Fehler erlauben.

Gruppentraining Sozialer Kompetenzen (GSK)

Konzept

Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK) wurde zu Beginn der 1980er Jahre von Rüdiger Hinsch und Ulrich Pfingsten entwickelt. Es ist ein strukturiertes, standardisiertes und flexibles Programm, weshalb es auch an spezifische Klientengruppen angepasst werden kann. In der Konzeption der GSK wird soziale Kompetenz als die „Verfügbarkeit und Anwendung von kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen“ bezeichnet, die in definierten sozialen Situationen zu einem langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für den Handelnden führen. Dabei werden die zahlreichen sozialen Situationen in drei prototypische Situationstypen gegliedert:[2]

Recht durchsetzen (R)
Der Handelnde ist gegenüber seinem sozialen Partner im Vorteil und kann sein Recht durchsetzen, muss es aber nicht, wenn es strategisch und auf lange Sicht günstiger ist. Beispiel: ein Käufer, der ein defektes Produkt reklamieren möchte, oder ein Nachbar, der sich über Ruhestörung beschweren will.
Beziehungen (B)
Handelnde und soziale Partner sind sich gleichgestellt; keiner kann ein Recht einfordern. Stattdessen werden Gefühle und Bedürfnisse offen geäußert.
Um Sympathie werben (S)
Der Handelnde ist gegenüber dem sozialen Partner im Nachteil und ist auf dessen Wohlwollen angewiesen. Beispiel: das Erreichen einer bevorzugten Behandlung durch einen Sachbearbeiter oder flirten.

Durchführung

Die Trainingsgruppen bestehen aus ca. 10 Teilnehmern und zwei Trainern. Die Trainingssitzungen bestehen aus Rollenspielen mit Videofeedback. Die Rollenspiele werden zu vorgegebenen Situationen durchgeführt, die auf den drei Situationstypen aufbauen und bei denen der Trainer jeweils den Gegenpart spielt. Kritik wird möglichst vermieden, dagegen steht die positive Verstärkung durch die Teilnehmer im Vordergrund. Die Dauer des Trainings beträgt etwa sieben Sitzungen zu je 2,5 Stunden. Die Wirksamkeit des Trainings wurde durch Studien belegt.[3]

Literatur

  • W. Wendtlandt, Hans Wolfgang Hoefert: Selbstsicherheitstraining. Müller, Salzburg 1976.
  • Rüdiger Ullrich, Rita de Muynck: ATP: Anleitung für den Therapeuten. Einübung von Selbstvertrauen und sozialer Kompetenz. (= Leben lernen. 123). 2. Auflage. Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 3-608-89665-1.
  • Rüdiger Ullrich, Rita de Muynck: Aufbau sozialer Kompetenz: Selbstsicherheitstraining, »Assertiveness«-Training. In: Michael Linden, Martin Hautzinger, (Hrsg.): Verhaltenstherapiemanual. Springer, 2011, ISBN 978-3-642-55210-6, S. 313–318.
  • Christian Reimer: Psychotherapie: Ein Lehrbuch für Ärzte und Psychologen. 2. Auflage. Springer, Heidelberg u. a. 2000, ISBN 3-540-66791-1.
  • Ulrich Pfingsten: Langzeiteffekte des Gruppentrainings Sozialer Kompetenzen (GSK). In: Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie. 35, 1987, S. 211–218.
  • Michael Born: Rezension zu: T. Ehrenfried, C. Heinzelmann, J. Kähni, R. Mayer: Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus Familien Suchtkranker. In: Psychotherapie. Band 3, Heft 2, 1998, S. 282.
  • Rüdiger Hinsch, Ulrich Pfingsten: Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK). Grundlagen, Durchführung, Materialien. 5. Auflage. PVU/ Beltz, Weinheim/ Basel 2007, ISBN 978-3-621-27572-9.
  • Rüdiger Hinsch, Simone Wittmann: Soziale Kompetenz kann man lernen. 2. Auflage. PVU/ Beltz, Weinheim/ Basel 2010, ISBN 978-3-621-27624-5.

Einzelnachweise

  1. Renate de Jong-Meyer: Erwerb von Kompetenzen und Förderung von Ressourcen. Vorlesungsscript Klinische Psychologie I, WS 2004/2005. wwwpsy.uni-muenster.de (Memento vom 1. Januar 2017 im Internet Archive)
  2. R. Hinsch, U. Pfingsten: Das Gruppentraining sozialer Kompetenzen (GSK). Grundlagen, Durchführung, Materialien. 5. Auflage. PVU, Weinheim 2007.
  3. U. Pfingsten: Langzeiteffekte des Gruppentrainings Sozialer Kompetenzen (GSK). In: Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie. 35, 1987, S. 211–218.

Weblinks