Tonic sol-fa

Solmisations-Tafel in einem irischen Klassenzimmer

Tonic sol-fa ist der Name einer Lehrmethode für den Gesangsunterricht an Schulen, die ab 1842 von Reverend John Curwen propagiert wurde. Die auf dem Norwich sol-fa der Erzieherin Sarah Glover basierende Lehrmethode verwendet die Tonsilben der Solmisation, spezielle Handzeichen und eine Rhythmussprache.

Handzeichen nach Curwen

Um das Tonic-sol-fa-System bekannt zu machen, gründete Curwen um 1850 die Tonic Sol-Fa Association[1] („Tonic-sol-fa-Gesellschaft“ oder „Gesellschaft der Solfeggisten“). Sie war bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine in Großbritannien sehr aktive Vereinigung, welche sich den pädagogischen Methoden des Musikunterrichts mit dem Schwerpunkt des A-cappella-Gesangs widmete.

1841 lernte Reverend John Curwen in Norwich das auf der Solmisation basierende Norwich sol-fa der Musikpädagogin Sarah Glover kennen. Begeistert von diesem System, arbeitete Curwen zeit seines Lebens an der Verbesserung und Weiterentwicklung dieses Lernsystems. Schon früh mit dem Lebenswerk seines Vaters vertraut, führte John Spencer Curwen nach dem Tod seines Vaters dessen Arbeit fort.

Um 1025 entwickelte Guido von Arezzo ein Silben-System, mit dem Melodien leichter gelernt werden konnten. (Diese übertrug er für seine Musizierpraxis mit Knaben zusätzlich gedanklich auf die Glieder und Fingerspitzen seiner Hand (Guidonische Hand)). Darauf aufbauend begann Sarah Glover ungefähr 800 Jahre später ihr eigenes System der Solmisation zu entwickeln. Durch die Bemühungen Curwens konnte sich dieses Lernsystem durchsetzen, und bis ungefähr in die Jahre 1930/35 wurde an englischen Schulen nach dem Tonic-sol-fa-System gelehrt.

Tonic sol-fa fand viele Anhänger, war aber dadurch vielen Veränderungen ausgesetzt. Agnes Hundoegger übernahm die wesentlichen Ideen Curwens in ihre Tonika-Do-Lehre, und auch Zoltán Kodály entwickelte mit seiner Kodály-Methode das Tonic-sol-fa-System weiter. In Deutschland schlugen sich viele Ideen von Tonic sol-fa in den Lehren von Theodor Warner und Kurt Sydow nieder.

Sprachrohr der Tonic Sol-Fa Association wurde ab 1851 die Zeitschrift The Tonic Sol-Fa Reporter, welche Reverend Curven ebenfalls gründete. Seit 1974 bemüht sich das Curwen Institute in London sehr erfolgreich um eine Weiterentwicklung in Form der New Curwen Method.

Bericht von Hermann von Helmholtz, 1864

Helmholtz, ein glühender Verfechter der reinen Intonation, berichtete in seiner Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik auch über die „Gesellschaft der Solfeggisten“, die 1862 bereits 150 000 Mitglieder hatte. Diese Gesellschaft verwendete die Tonic-sol-fa-Methode und folglich statt Notenschrift eine Silbenschrift (Do Re Mi Fa So La Ti Do), wobei Do immer die Tonika bezeichnete. Wenn durch Modulation die Tonika wechselte, änderte sich auch die Silbenbezeichnung; die Note, auf der die Veränderung stattfand, erhielt zwei Silben, die der ersten und die der zweiten Tonart. Die Intonation erfolgte immer in Beziehung zur Tonika. Beim Wechsel von C-Dur nach G-Dur etwa wurde das A von G-Dur rein zur Tonika G intoniert, im Vergleich zu C-Dur also um ein syntonisches Komma höher.

Helmholtz hörte in einer Londoner Volksschule 40 Kinder zwischen acht und zwölf Jahren, deren Intonationsreinheit ihn in Erstaunen versetzte. Er wies darauf hin, dass die Londoner Schulen und Solfeggisten alljährlich ein Konzert von 2000 bis 3000 Kinderstimmen im Kristallpalast zu Sydenham geben, das durch Wohlklang und Genauigkeit der Ausführung den besten Eindruck auf die Hörer macht.

Literatur

Monografien

  • Sarah A. Glover: Scheme for Rendering Psalmody Congregational. Boethius Press, Kilkenny 1982, ISBN 0-86314-032-7 (Classic texts in music education, Band 5)
  • John S. Curwen: School Music Abroad. Boethius Pr., Kilkenny 1985, ISBN 0-86314-046-7 (Classic texts in music education, Band 15)
  • Bettina Gratzki: Die reine Intonation im Chorgesang. Verlag für systematische Musikwissenschaft, Bonn 1993 (Exzerpt)
  • John Curwen: Tonic Sol-Fa. Novello, London, 1878
  • John Curwen: Grammar of Vocal Music on the Tonic Sol-Fa Method. Boethius Press, 1985, ISBN 0-86314-043-2
  • Hermann von Helmholtz: Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik. Vieweg, Braunschweig 1863, Nachdruck: Minerva-Verlag, Frankfurt/Main 1981, ISBN 3-8102-0715-2 Exzerpt

Zeitschriften

  • The Tonic Sol-Fa Reporter and Magazine of Vocal Music for the People, Ward, London, 1851 ff.

Einzelnachweise

  1. Zur Schreibweise von Tonic sol-fa und Tonic Sol-Fa Association vgl. z. B. folgende Buchbeschreibung auf copak.ac.uk und Curwen, John. In: Encyclopædia Britannica. 11. Auflage. Band 7: Constantine Pavlovich – Demidov. London 1910, S. 664 (englisch, Volltext [Wikisource]).

Weblinks

Commons: Tonic sol-fa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Solfege Ireland.jpg
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Curwen Hand Signs MT.jpg
Curwen's Solfege hand signs,including descriptions of "mental effects" for each tone.