Timia

Landgemeinde Timia
Landgemeinde Timia (Niger)
Landgemeinde Timia (Niger)
Landgemeinde Timia
Koordinaten18° 7′ N, 8° 47′ O
Basisdaten
StaatNiger
RegionAgadez
DepartementIférouane
Einwohner19.076 (2012)

Timia (auf Tuareg Tyǝmia)[1] ist eine Landgemeinde im Departement Iférouane in Niger.

Geographie

Gemeindehauptort Timia (2015)

Timia liegt im Süden des Aïr-Gebirges. Bei den Siedlungen im Gemeindegebiet handelt es sich um sechs Dörfer, einen Weiler, 96 Lager und 25 Wasserstellen.[2] Davon beansprucht die Nachbargemeinde Iférouane die Wasserstellen Alodaye und Obrassan.[3] Der Hauptort der Landgemeinde ist das Dorf Timia.[4] Die Oase liegt an der Ostflanke des Bergs Adrar Egalah (1874 m) auf einer Höhe von annähernd 1000 m auf dem Gebiet der Kel-Ewey-Tuareg und erstreckt sich entlang eines Trockenflussbettes (kori), das in den Sommermonaten Wasser führt, sofern es am Oberlauf geregnet hat.

Tal von Timia (2006)

Südlich der Gemeinde Timia erheben sich die Monts Bagzane mit dem höchsten Berg des Niger, dem Idoukal-n-Taghès (2022 m). Südlich und östlich davon liegt die Weite der Ténéré-Wüste, durch welche die Strecke für den Sahara-Karawanenhandel verläuft. Die Nachbargemeinden Timias sind Iférouane im Norden, Fachi im Osten, Tabelot im Süden, Dannet im Südwesten und Gougaram im Nordwesten.[5]

Geschichte

Der Hauptort Timia wurde im Jahr 1920 gegründet, nachdem Frankreich einen Aufstand von Tuareg gegen die Inbesitznahme des Landes durch die Kolonialmacht niedergeschlagen hatte. Die Gründer der Siedlung lebten zuvor im höher gelegenen Dorf Tassalwat und in den umliegenden Tälern. Die Dörfer Abarakan und Krip-Krip im Gemeindegebiet von Timia wurden wiederum von Bewohnern des Hauptorts gegründet, die auf der Suche nach landwirtschaftlich nutzbaren Böden waren.[6] Seit 2011 gehört die Landgemeinde nicht mehr zum Departement Arlit, sondern zum neugeschaffenen Departement Iférouane.[7]

Bevölkerung

Ein Tuareg aus Timia mit schwarzem Tagelmust, eingewickelt in die Silberschmuckpatrone trägt er eingerollte Verse aus dem Koran (2003)
Ein Tuareg aus Timia mit schwarzem Tagelmust, eingewickelt in die Silberschmuckpatrone trägt er eingerollte Verse aus dem Koran (2003)
Eine junge Frau aus Timia (2002)
Eine junge Frau aus Timia (2002)

Bei der Volkszählung 2012 hatte die Landgemeinde 19.076 Einwohner, die in 3.872 Haushalten lebten.[2] Bei der Volkszählung 2001 betrug die Einwohnerzahl 8.319 in 1.542 Haushalten.[8]

Im Hauptort lebten bei der Volkszählung 2012 2.210 Einwohner in 403 Haushalten,[2] bei der Volkszählung 2001 1.734 in 327 Haushalten[8] und bei der Volkszählung 1988 1.746 in 392 Haushalten.[9]

In der Gemeinde wird die Tamascheq-Varietät Tayart gesprochen.[10] In den Gegenden des Hauptorts sowie der Siedlungen Abarakan und Agirou leben Angehörige der Tuareg-Gruppe Imakitan.[11] Im Hauptort wohnen neben den Kel-Ewey-Tuareg eine Mehrzahl freigelassener Sklaven. Seit der Niederschlagung des Kaosenaufstandes 1918 gibt es keine Sklaven mehr, gleichwohl liegt deren Gesamtanteil bei 10 bis 20 %.[12] Auch vereinzelte Hausa und Zarma leben hier; insbesondere arbeiten sie als Dorflehrer oder Heilkräfte. Politische und klerikale Autoritäten im Dorf sind der Dorfchef (maigari) und der Imam.

Politik

Der Gemeinderat (conseil municipal) hat 11 Mitglieder. Mit den Kommunalwahlen 2020 sind die Sitze im Gemeinderat wie folgt verteilt: 8 PNDS-Tarayya und 3 MPR-Jamhuriya.[13]

Jeweils ein traditioneller Ortsvorsteher (chef traditionnel) steht an der Spitze der Dörfer Timia, Akal Malane, Assodé und Krip-Krip.[2]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Cascade de Timia (2002)

In der Umgebung der Oase befindet sich die Cascade de Timia, ein eindrucksvoller Wasserfall mit See. Fort Massu ist eine 1952 auf Veranlassung des französischen Generals Jacques Massu in Timia erbaute Befestigungsanlage. Sie diente nie militärischen Zwecken und gilt als historische Kuriosität.[14] Seit 2000 dient die Anlage als Museum und Herberge, in der Erfrischungsgetränke erhältlich sind. Auch lokales Kunsthandwerk wird dort verkauft. Mittels eines modernen Fernrohrs lassen sich auch Sternenhimmel beobachten.[15]

Wirtschaft und Infrastruktur

Die Bebauung Timias ist durch dicht gedrängte Lehmhäuser geprägt. Aus Zement gebaut sind nur wenige öffentliche Einrichtungen, wie die Schule, ein kleines Krankenhaus und die Radio-Telefon-Station. Damit stellt der Oasenort ein administratives Dienstleistungszentrum dar, da auch das Umland von der Infrastruktur profitiert. Schwere Erkrankungen müssen allerdings in Agadez oder Arlit (fort-)versorgt werden. Daneben existiert ein Handwerkszentrum für Schmiede und Händler des Ortes.

Brunnen in Timia (2002)

In weidewirtschaftlicher Hinsicht dominieren die Ziegen- und die Kamelhaltung, da diese Tiere vornehmlich baumäsend sind. Erstere liegt vornehmlich in den Händen der Frauen, letztere in denen der Männer. Mittels Brunnen wird das notwendige Grundwasser gefördert. Regenfeldbau hingegen ist nicht möglich.[12] Mit Bilma besteht reger Salzhandel. Dreieckskarawanenhandel besteht für den übrigen Bedarf neben Bilma mit Kano in Nigeria. Die Karawanenroute nach Süden durchstreift zwischen Zinder und Kano die Kamelweiden der Hausa. Datteln werden aus dem Djadoplateau bezogen. Bei Achegour (Arbre du Ténéré) zweigt diese Route von der Dirkou-Strecke nach Norden ab. Aufgrund der fruchtbaren Bedingungen in der Oase wird intensiver Gartenbau betrieben, was auf die zunehmende Sesshaftwerdung der Kel-Ewey zurückgeführt wird. Die Gärtner sind in landwirtschaftlichen Kooperativen organisiert und verbringen die Erzeugnisse mit Lastwagen auf die Märkte der (weiteren) Umgebung. Darüber hinaus stellen die Lastwagen gleichzeitig das obligatorische Fortbewegungsmittel dar. Der Grundbedarf der Bewohner wird über eine zentral liegende Bäckerei, einen Fleischhauer, Schneidereien und Schmiedekooperationen gedeckt.

Orangenanbau in Timia (2018)

In den Zeiten schwerer Dürren in den 1970er und 1980er Jahren kamen der Region diverse europäische Entwicklungshilfemaßnahmen zugute. So konnte der Gartenbau zunächst etabliert, dann intensiviert werden. Die Gärten erhielten Befestigungen (Ausschwemminhibition). Neue Anbaumethoden und Früchte – wie Orangen und Pampelmusen – wurden eingeführt und kultiviert. Saatgüter und Pflanzenschutzmittel wurden organisiert. Pistenbau und deren Wiederherstellung wurden ebenso forciert wie die bauliche Sicherung von Brunnenanlagen. Die Entwicklungsorganisationen bemühten sich bis zur 2. Tuareg-Rebellion (bis Mitte der 1990er Jahre) durch Arbeitsmigration, die Einrichtung von Verkaufsläden und die Förderung des Tourismus Zeichen zukünftigen Wohlstands zu setzen. Diese Quellen diversifizierter Arbeitsauffassungen allerdings versiegten mit der Rebellion.[16] Das staatliche Versorgungszentrum für landwirtschaftliche Betriebsmittel und Materialien (CAIMA) unterhält Verkaufsstellen im Hauptort und im Dorf Tefarawt.[17]

Gesundheitszentren des Typs Centre de Santé Intégré (CSI) sind im Hauptort sowie in den Siedlungen Abarakan, Tefarawt und Tewat vorhanden.[18] Der CEG Timia ist eine allgemein bildende Schule der Sekundarstufe des Typs Collège d’Enseignement Général (CEG).[19] Beim Centre de Formation aux Métiers de Timia (CFM Timia) und beim Centre de Formation aux Métiers d’Abarakan (CFM Abarakan) handelt es sich um Berufsausbildungszentren.[20]

Literatur

  • Maximilien Bruggmann, Hans Ritter: Ténéré. Durch die südliche Sahara. Bucher, München 1996, ISBN 3-7658-1078-9.
  • Gerd Spittler: Hirtenarbeit: die Welt der Kamelhirten und Ziegenhirtinnen von Timia. Köppe, Köln 1998, ISBN 3-89645-206-1.
  • Marie Morel: Scolarisation et identité culturelle : le cas des Touaregs Kel Ewey de Timia, Aïr, Niger. Mémoire de Maîtrise. Université Joseph Fourier, Grenoble 2004.
  • Gerd Spittler: Dürren, Krieg und Hungerkrisen bei den Kel Ewey (1900–1985) (= Studien zur Kulturkunde. Band 89). Franz Steiner, Stuttgart 1989, ISBN 3-515-04965-7.
  • Harald A. Friedl: Timia – ein „Bilderbuchdorf“ im Aïr. In: Harald A. Friedl (Hrsg.): KulturSchock Tuareg. Reise-Know-How-Verlag Rump, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-8317-1608-1, S. 200–201.
  • Assoumane Fodi: Les exploitants maraîchers et la dégradation des ressources naturelles dans la commune rurale de Timia (Agadez). Mémoire. Faculté des Lettres et Sciences Humaines, Université Abdou Moumouni de Niamey, Niamey 2012.
  • Harald A. Friedl: Tuareg-Hochzeit zwischen Forschung und Leidenschaft. Die Heirat zweier Österreicher in der Mandarinen-Oase Timia im Herzen der Aïr-Berge. In: Edgar Sommer (Hrsg.): Kel Tamashek: Die Tuareg. Cargo, Schwülper 2006, ISBN 3-938693-05-3, S. 288–307.
  • Werner Gartung: Komm mit nach Timia. Unser Leben im Sahel. Hammer, Wuppertal 1986, ISBN 978-3-87294-310-1.
  • Ouma Kaltoum Sidi Tanko: Risques et incertitudes climatiques et environnementaux dans le système oasien de Timia, région d’Agadez. Mémoire de Master. Faculté des Lettres et Sciences Humaines, Université Abdou Moumouni de Niamey, Niamey 2013.
  • Gerd Spittler: Jahr und Zeit. Jahreszeit, Jahresereignisse, Chronologie und Geschichtsbewußtsein bei den Kel Ewey von Timia. In: Werner Krawietz (Hrsg.): Sprache, Symbole und Symbolverwendungen in Ethnologie, Kulturanthropologie, Religion und Recht. Festschrift für Rüdiger Schott zum 65. Geburtstag. Duncker & Humblot, Berlin 1993, S. 509–524.
  • Harald A. Friedl: Das Verhältnis der Kel Timia zum Tourismus. In: Harald A. Friedl (Hrsg.): Reisen zu den Wüstenrittern. Ethno-Tourismus bei den Tuareg aus Sicht der angewandten Tourismus-Ethik. Bautz, Nordhausen 2009, ISBN 978-3-88309-456-4, S. 545–746.

Weblinks

Commons: Timia – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Karl-G. Prasse, Ghoubeïd Alojaly, Ghabdouane Mohamed: Dictionnaire Touareg – Français (Niger): M–Ž. Museum Tasculanum Press, Kopenhagen 2003, ISBN 87-7289-844-5, S. 568.
  2. a b c d Répertoire National des Localités (ReNaLoc). (RAR) Institut National de la Statistique de la République du Niger, Juli 2014, S. 11–14, abgerufen am 7. August 2015 (französisch).
  3. Répertoire National des Localités (ReNaLoc). (RAR) Institut National de la Statistique de la République du Niger, Juli 2014, S. 7, abgerufen am 7. August 2015 (französisch).
  4. Loi n° 2002-014 du 11 JUIN 2002 portant création des communes et fixant le nom de leurs chefs-lieux. République du Niger, 11. Juni 2002.
  5. Carte de référence: Niger – Région de Agadez. (PDF) REACH, 21. März 2018, abgerufen am 28. März 2021 (französisch).
  6. Issouf Bayard, Franck Giazzi: Populations et activités économiques au sein de la Réserve Naturelle Nationale de l’Aïr et du Ténéré. In: Franck Giazzi (Hrsg.): La Réserve Naturelle Nationale de l’Aïr et du Ténéré (Niger). La connaissance des éléments du milieu naturel et humain dans le cadre d’orientations pour un aménagement et une conservation durables. Analyse descriptive. Union internationale pour la conservation de la nature et de ses ressources, Gland 1996, ISBN 2-8317-0249-6, S. 298.
  7. Une nouvelle loi sur le redécoupage administratif. In: L’Arbre à Palabres. Nr. 13, 11. August 2011, S. 2 (web.archive.org [PDF; abgerufen am 29. März 2024]).
  8. a b Répertoire National des Communes (RENACOM). (RAR-Datei) Institut National de la Statistique, abgerufen am 8. November 2010 (französisch).
  9. Recensement Général de la Population 1988: Répertoire National des Villages du Niger. Bureau Central de Recensement, Ministère du Plan, République du Niger, Niamey März 1991, S. 31 (web.archive.org [PDF; abgerufen am 4. Mai 2019]).
  10. Niger map. In: Ethnologue: Languages of the World. Seventeenth edition. SIL International, 2013, abgerufen am 18. Juli 2013 (englisch).
  11. Aboubacar Adamou: Agadez et sa Région (= Études Nigériennes. Nr. 44). Pr. de Copédith, Paris 1979, S. 36.
  12. a b Gerd Spittler: Dürren, Krieg und Hungerkrisen bei den Kel Ewey (1900–1985) (= Studien zur Kulturkunde. Band 89). Franz Steiner, Stuttgart 1989, ISBN 3-515-04965-7, S. 1–3.
  13. Résultats élections – Communales. Commission Électorale Nationale Indépendante, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 7. Januar 2021; abgerufen am 2. Januar 2021 (französisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ceniniger.org
  14. Jolijn Geels: Niger. Bradt, Chalfont St Peter 2006, ISBN 1-84162-152-8, S. 189.
  15. Harald A. Friedl, Die Vertretbarkeit von Ethnotourismus am Beispiel der Tuareg der Region Agadez, Republik Niger (Westafrika) - Eine Evaluation aus Sicht der angewandten Tourismusethik, 8.8.2.2. Timia
  16. Marko Scholze: Moderne Nomaden und fliegende Händler: Tuareg und Tourismus in Niger. LIT, Berlin 2009, ISBN 978-3-8258-0716-0, S. 275–277.
  17. CAIMA. In: Béret Vert. Bulletin de Liaison et d’Information des Forces Armées Nigériennes. Nr. 17, Mai 2013, S. 28.
  18. Niger DSS. In: Systeme Nationale d’Information Sanitaire (SNIS). Ministère de la Santé Publique, République du Niger, abgerufen am 10. November 2020 (französisch).
  19. Niger – Recensement Scolaire 2008–2009, Enquête statistique. Dictionnaire des donnèes. Institut National de la Statistique de la République du Niger, 28. November 2013, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 10. November 2020 (französisch).@1@2Vorlage:Toter Link/anado.ins.ne (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  20. Annuaire statistique. Année scolaire 2020–2021. Edition 2022. (PDF) Direction des Statistiques et de la Digitalisation, Ministère de l’Enseignement Technique et de la Formation Professionnelle, République du Niger, 18. Oktober 2022, S. 7 und 87, abgerufen am 18. Mai 2023 (französisch).

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Touareg de Timia enveloppé dans son chèche noir, en 2003, Niger. Le bijou d'argent contient, enroulé, un feuillet portant quelques versets du Coran.
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