Till Eulenspiegels lustige Streiche
Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28, TrV 171 ist eine Tondichtung für großes Orchester von Richard Strauss. Das Werk des damals erst 30-jährigen Komponisten zählt heutzutage zu den beliebtesten und meistgespielten Orchesterwerken überhaupt. Die Spieldauer beträgt circa 15 Minuten.
Entstehung
Richard Strauss arbeitete von Ende 1893 bis Frühjahr 1894 an einem Libretto für eine projektierte Oper mit dem Titel Till Eulenspiegel bei den Schildbürgern, welche seinem Guntram als komisch-satirisches Gegenstück folgen sollte. Gegenüber einem unbekannten Empfänger äußert er sich wie folgt:
„Jetzt bin ich daran, einen ‚Till Eulenspiegel bei den Schildbürgern’ mir zurechtzulegen, eine ganz nette Handlung habe ich bereits zusammen, nur die Gestalt des Herrn Till Eulenspiegel sehe ich noch nicht ganz genau vor mir, das Volksbuch überlieferte nur einen Schalk, der als dramatische Figur zu seicht ist – eine Vertiefung der Figur nach der Seite der Menschenverachtung hin hat aber auch seine großen Schwierigkeiten (...)“.[1]
Vermutlich skizzierte Strauss bereits einige musikalische Motive[2], doch brach er die Arbeit aus unbekannten Gründen ab. Im Herbst 1894 griff Strauss das Sujet dann wieder auf und benutzte den bereits entstandenen „Till Eulenspiegel“-Text als Programm für die Tondichtung Till Eulenspiegels lustige Streiche; nach alter Schelmenweise in Rondeauform; für großes Orchester gesetzt. Gemäß Hartmut Becker kündet „schon dieser Titel mit der altertümelnden Formenangabe ‚Rondeau‘ und dem gestelzt wirkenden Ausdruck ‚gesetzt‘ von den Grimassen des Schalks Till, der hier nicht nur mit seinen Mitmenschen, sondern – in Gestalt des Komponisten – auch mit den Hörern seine Possen spielt.“[3]
Die Reinschrift beendete Strauss am 6. Mai 1895 in München. Das Stück ist Arthur Seidl gewidmet, einem Publizisten und Nietzscheaner, mit dem er seit einigen Jahren befreundet war. Uraufgeführt wurde das Werk am 5. November 1895 im Rahmen des zweiten Abonnementkonzerts der Kölner Konzertgesellschaft im Gürzenich zu Köln mit dem Städtischen Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Franz Wüllner.
Musikalische Gestalt
Nachdem Tod und Verklärung formal als modifizierte Sonatenform gestaltet war, griff Strauss, wie schon der Titel anzeigt, hier auf das in Don Juan zugrunde gelegte Rondoprinzip mit durchführungsartigen Passagen zurück; umrahmt wird das Werk von einem Prolog und einem Epilog, in denen das Orchester sozusagen die Rolle eines Erzählers übernimmt. Die Rondoform erweist sich dabei als sehr frei gestaltet; das Stück enthält ebenso Elemente einer Sonatenform wie einer Variation und erinnert mit seinem raschen 6/8-Takt unzweifelhaft an ein symphonisches Scherzo. Letztlich spricht aber auch einiges dafür, die Angabe „in Rondeauform“ durch den Komponisten als eine bewusste Irreführung zu verstehen.[4]
Das Werk umfasst insgesamt 657 Takte und steht in der Grundtonart F-Dur. Bemerkenswert sind u. a. parodistische und tonmalerische Effekte, Strauss' nuancenreiche Instrumentation sowie detaillierte Angaben bzgl. Tempo, Dynamik und Charakter (Vortragsbezeichnungen). Ferner wird die Titelfigur Till Eulenspiegel, ähnlich wie schon in Don Juan, durch mehrere Themen charakterisiert.
Prolog
Das Werk beginnt mit einer fünftaktigen Einleitung (Prolog), die allerdings erst später hinzukam – ursprünglich sollte die Musik direkt im vollen Zeitmass einsetzen. Der nachkomponierte Prolog wirkt ein wenig wie das Öffnen eines Bühnenvorhangs bzw. als würde ein Erzähler „Es war einmal“ vorlesen. Strauss präsentiert hier schon mal die Grundzüge der Till-Motivik und überschrieb diese mit den Worten: „Es war einmal ein Schalknarr“. Im gesamten Stück spielt die Einleitung jedoch keine weitere Rolle, ehe sie ganz zum Schluss als Epilog (im Zeitmass des Anfangs) nochmals erklingt.
Nach dem Prolog treten vier Episoden (Streiche) nacheinander auf, welche Tills Streiche musikalisch illustrieren: In der ersten Episode wird Tills Ritt in die Töpfe der keifenden Marktweiber dargestellt, in der zweiten predigt er verkleidet als Mönch. In der dritten Episode werden Eulenspiegels vergebliche Annäherungsversuche an ein Mädchen sowie seine Kandidatur bei einem Gelehrtenkreis vertont. Zu guter Letzt wird der Schelm vor Gericht zum Tode verurteilt.[5]
Hauptthemen
Wenige Takte später werden zwei kontrastierende Themen vorgestellt, die den Protagonisten Till Eulenspiegel quasi leitmotivartig repräsentieren und im Verlauf des Werks variiert erscheinen.
Das erste Thema (T. 6–12) wird unmittelbar nach dem Prolog im raschen Tempo vom 1. Horn gespielt und repräsentiert den symphonischen Helden Till Eulenspiegel. Das Motiv mit seinem teils chromatisch gefüllten Aufgang beginnt wegen des über drei Achtel gehaltenen gis' bei jeder Wiederholung (es wird zweimal wiederholt) eine Achtel später – eine metrische Störung, die zugleich sinnbildlich für den chaotischen Charakter Tills steht, der gleichgültig überlieferte Regeln verachtet.
Das zweite Thema, das ebenfalls Till Eulenspiegel repräsentiert, ist wohl eher als eine Motiv-Kombination zu bezeichnen und erscheint als „ruhige“ Streicher-Version andeutungsweise bereits im Prolog (T. 1–4). Seinen schelmenhaften Charakter (Beginn auf unbetonter Zählzeit, starke rhythmische Kontraste, Vortragsbezeichnung lustig) erhält das Thema allerdings erst, wenn es in den Takten 46–49 von der grellen D-Klarinette vorgetragen wird. Es besteht aus einem melodischen Teil, einer ab- und aufwärtsgerichteten Sechstonfigur, und einer harmonischen, die bewegte Figur ruckartig anhaltende Wendung, die sich in der Zieltonart auflöst. Der Akkord, in den das Motiv mündet (unter dem lang gehaltenen gis'), kann zugleich als Parodie des Tristanakkords von Richard Wagner verstanden werden. Auf diese Weise emanzipierte sich Strauss kompositorisch vom Erbe Wagners.[6]
Gesamtform
Nr. | Abschnitt (mit Strauss' Programmnotizen) | Takt[1] | Taktart | Tempo- / Vortragsangabe |
---|---|---|---|---|
1. | Es war einmal ein Schalknarr (Prolog) | 1 | 4/8 | Gemächlich |
2. | Namens „Till Eulenspiegel“ | 6 | 6/8 | allmählich lebhafter |
14 | 6/8 | Volles Zeitmass. (sehr lebhaft) | ||
3. | Das war ein arger Kobold | 46 | 6/8 | Immer sehr lebhaft / lustig |
4. | Auf zu neuen Streichen | 75 | 6/8 | |
5. | Wartet nur, ihr Duckmäuser | 113 | 6/8 | (nicht eilen) / grazioso |
6. | Hop! Zu Pferde mitten durch die Marktweiber [1. Streich] | 134 | 6/8 | |
7. | Mit Siebenmeilenstiefeln kneift er aus | 151 | 6/8 | |
8. | In einem Mauseloch versteckt | 159 | 6/8 | |
9. | Als Pastor verkleidet trieft er von Salbung und Moral [2. Streich] | 179 | 2/4 | Gemächlich |
10. | Doch aus der großen Zehe guckt der Schelm hervor | 191 | 2/4 | (schelmisch) |
11. | Faßt ihn ob des Spottes mit der Religion doch ein heimliches Grauen vor dem Ende | 196 | 2/4 | |
12. | Till als Kavalier zarte Höflichkeit mit schönen Mädchen tauschend [3. Streich] | 208 | 6/8 | Erstes Zeitmass (sehr lebhaft) / (geschmeidig) |
13. | Er wirbt um sie | 221 | 6/8 | scherzando, espressivo |
14. | Ein feiner Korb ist auch ein Korb | 245 | 6/8 | ruhiger – wütend – immer lebhafter |
15. | Schwört Rache zu nehmen an der ganzen Menschheit | 263 | 6/8 | ausdrucksvoll |
16. | Philistermotiv [4. Streich] | 293 | 6/8 | |
17. | Nachdem er den Philistern ein paar ungeheuerliche Thesen aufgestellt hat, überlässt er die Verblüfften ihrem Schicksal. | 313 | 6/8 | |
18. | Grimasse von weitem [letzter Streich] | 344 | 6/8 | |
19. | Tills Gassenhauer | 375 | 2/4 | leichtfertig |
393 | 2/4 | schnell und schattenhaft | ||
410 | 6/8 | etwas gemächlicher | ||
Till-Thema (Reprise) | 429 | 6/8 | allmählich lebhafter, Volles Zeitmass (sehr lebhaft) | |
20. | Das Gericht | 576 | 6/8 | (drohend) |
21. | Er pfeift noch gleichgültig vor sich hin! | 585 | 6/8 | gleichgültig |
22. | Hinauf auf die Leiter! Da baumelt er, die Luft geht ihm aus, eine letzte Zuckung – Tills Sterbliches hat geendet | 618 | 2/4 | |
[23.] | Epilog | 635 | 4/8 | Doppelt so langsam (im Zeitmass des Anfangs) |
(Coda) | 653 | 6/8 | Sehr lebhaft |
Anmerkungen zum Programm
Auf die schriftliche Anfrage des Dirigenten Franz Wüllner zum Programm der „wahrscheinlich einzigen selbsterklärenden symphonischen Dichtung der ganzen Orchesterliteratur“[7] antwortete Strauss zunächst abwehrend via Telegramm: „analyse mir unmöglich, aller witz in toenen ausgegeben. brief folgt.“. Die Veröffentlichung programmatischer Hinweise hielt der Komponist zunächst für nicht opportun, jedoch entschloss er sich noch am selben Tag in einem dem Telegramm nachgesandten Brief doch etwas auskunftsfreundlicher zu sein und gab Wüllner einige weiterführende Hinweise zum Inhalt, welche dieser schließlich ins Programmheft der Uraufführung setzte. Strauss verweist „auf die beiden Eulenspiegel-Themen, die sich in verschiedenen Verkleidungen, Stimmen und Situationen durch das gesamte Werk ziehen, bis hin zur Katastrophe: Till wird nach dem Urteilsspruch aufgeknüpft.“[1] Später erschienen ausführlichere und von Strauss autorisierte programmatische Analysen von Till Eulenspiegels lustige Streiche u. a. von Wilhelm Klatte sowie Wilhelm Mauke.[8] Laut Adrian Kech wurden die für Mauke nachgelieferten Bezeichnungen lange missverstanden – als habe es ein vorgefasstes Eulenspiegel-Programm gegeben, das dem Komponisten die musikalische Form diktiert hätte. Dem widersprechen jedoch die Skizzen. Vielmehr entwickelte Strauss den Werkverlauf aus dem Grundkonflikt des Stückes: Till gegen die Philister.[9]
Nachfolgende Stichworte notierte Strauss handschriftlich in seine eigene gedruckte Partitur:[10]
Es war einmal ... / Entrata: / O dieser Duckmäuser / hop! Zu Pferde mitten durch die Marktweiber! / und richtet einen furchtbaren Wirrwarr an! / o, wie er auskneift mit Siebenmeilenstiefel! / fort ist er! / In einem Mauseloch versteckt! / Als Pastor verkleidet trieft er von Salbung u. Moral! / doch aus der großen Zehe guckt der Schelm hervor. / aber ob des Spottes mit der heiligen Religion erfasst ihn ein heimliches Grauen, dass die Sache noch einmal schlimm [endet] / Als Cavalier! zarte Höflichkeiten mit schönen Mädchen tauschend / doch halt! Eine hat's ihm wirklich angetan! / Er wirbt! / oho, so schnell geht's nicht! ein feiner Korb ist auch ein Korb / fährt er ab / an dem ganzen Menschengeschlecht schwört er Rache zu nehmen! / u. es kamen die Philister an! / halt! denen wollen wir einmal einige Nüsse zu knacken geben! / u. ihnen auf den Köpfen herum [tanzen] / nachdem er den Herrn Philistern einige ungeheuerliche Thesen aufgestellt, überlässt er sie ihrem Schicksale! / u. siehe da, sie fingen in 5 Sprachen zu reden an u. keiner verstand den andern! / eine große Grimasse von weitem!
Seine Absichten hinter der Komposition erklärte er folgendermaßen:[7]
„Es ist mir unmöglich, ein Programm zu Eulenspiegel zu geben: in Worte gekleidet, was ich mir bei den einzelnen Teilen gedacht habe, würde sich oft verflucht komisch ausnehmen und viel Anstoß erregen. – Wollen wir diesmal die Leutchen selber die Nüsse aufknacken lassen, die der Schalk ihnen verabreicht? Um überhaupt ein Verständnis zu ermöglichen, genügt es vielleicht, auf das Programm die beiden Eulenspiegelthemen zu notieren: [Anm.: Hier fügt Strauss Notenbeispiele ein] die das Ganze in den verschiedensten Verkleidungen und Stimmungen, wie Situationen durchziehen bis zur Katastrophe, wo er aufgeknüpft wird, nach dem das Urteil: [Anm.: Notenbeispiel der abstürzenden Septime] über ihn gesprochen wurde. Die a-Moll-Episode ist seine Promotion bei den philiströsen Professoren, ich glaube in Prag, wo Till durch seine monströsen Thesen eine förmliche babylonische Sprachenverwirrung (das sog. Fugato) anrichtet und sich, nachdem er sich weidlich darüber verlustiert hat, [...] entfernt [...] Das aber bitte als Privatmitteilung zu betrachten: Bemerkungen in der Partitur wie ‚liebeglühend’ etc. werden sicher das unmittelbare Verständnis für die inhaltliche Bedeutung der einzelnen Episoden vervollständigen, dto. ‚kläglich’: sein Geständnis etc. etc.“
Einige Jahre später trug Strauss in einem Konzertführer, welcher in der Schlesingerschen Musikbibliothek erschien, dann schließlich doch noch „sein“ Programm zusammen:[7]
- Es war einmal ein Schalksnarr
- Namens „Till Eulenspiegel“
- Das war ein arger Kobold
- Auf zu neuen Streichen
- Wartet nur ihr Duckmäuser
- Hop! Zu Pferde mitten durch die Marktweiber
- Mit Siebenmeilenstiefeln kneift er aus
- In einem Mauseloch versteckt
- Als Pastor verkleidet trieft er von Salbung und Moral
- Doch aus der großen Zehe guckt der Schelm hervor
- Faßt ihn ob des Spottes mit der Religion doch ein heimliches Grauen vor dem Ende
- Till als Kavalier zarte Höflichkeiten mit schönen Mädchen austauschend
- Er wirbt um sie
- Ein feiner Korb ist auch ein Korb
- Schwört Rache zu nehmen an der ganzen Menschheit
- Philistermotiv
- Nachdem er den Philistern ein paar ungeheuerliche Thesen aufgestellt, überläßt er die Verblüfften ihrem Schicksal.
- Grimasse von weitem
- Tills Gassenhauer
- Das Gericht
- Er pfeift noch gleichgültig vor sich hin!
- Hinauf die Leiter! Da baumelt er, die Luft geht ihm aus, eine letzte Zuckung – Tills Sterbliches hat geendet.
Ein Hinweis auf den Epilog (eigentlich: Nr. 23) fehlt hier merkwürdigerweise.
Besetzung
Piccolo, 3 Flöten, 3 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten in D und B, Bassklarinette in B, 3 Fagotte, Kontrafagott, 4 (teilweise 8) Hörner in F, E und D, 3 (teilweise 6) Trompeten in F, D und C, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug (Becken, Ratsche, Triangel, Kleine Trommel und Große Trommel), Streicher: Violine (2), Bratsche, Violoncello, Kontrabass
Bei der Instrumentation von Till Eulenspiegels lustige Streiche arbeitet Strauss erstmals mit vierfachen Holzbläsern, vier zusätzlichen Hörnern und drei zusätzlichen Trompeten – diese jeweils noch ad libitum – sowie einer in Anzahl und Disposition genau vorgeschriebenen Streichergruppe, welche stellenweise auch geteilt oder solistisch eingesetzt wird. Die Anforderungen an die jeweiligen Spieler sind enorm und gegenüber seinen bisherigen Orchesterwerken noch gesteigert.
Rezeption
Till Eulenspiegels lustige Streiche war ein spontaner Erfolg und wurde mehrfach wiederholt. Die erste von Strauss selbst dirigierte Aufführung fand am 29. November 1895 in München statt, worauf das Münchner Feuilleton schrieb:
„Till Eulenspiegels lustige Streiche machte, wenn auch zunächst äußerlich, im ganzen einen imposanten Eindruck, in dem man sich der Wirkung des ungemein regen Farbenwechsels der von höchsten Raffinement zeugenden Instrumentierung bei geradezu wunderbarer Bravour unseres vollzählig vertretenen Hoforchesters, einfach nicht erwehren konnte. Was Strauss dem Orchester an virtuoser Technik zumuthet, in dem er jedes einzelne Instrument, die Violine, die Flöte, das Horn usw. vollständig concertmäßig behandelt, geht über alles Dagewesene weit hinaus. Die technische Grundlage der ganzen Compositionsweise ist eine über Berlioz, Liszt und Wagner noch weit hinausgehende Kühnheit der Chromatik. Der Beifall, den das Stück erntete war groß, zum Theil herzlich.“[1]
Claude Debussy, der eine Aufführung in Paris als Kritiker für die Revue blanche gehört hatte, rezensierte mit folgenden Worten:
„Dieses Stück gleicht ‚einer Stunde neuer Musik bei den Verrückten’: Die Klarinetten vollführen wahnsinnige Sturzflüge, die Trompeten sind immer verstopft, und die Hörner, ihrem ständigen Niesreiz zuvorkommend, beeilen sich, ihnen artig ‚Wohl bekomm’s!’ zuzurufen; eine große Trommel scheint mit ihrem Bum-Bum den Auftritt von Clowns zu unterstreichen. Man hat gute Lust, lauthals rauszulachen oder todtraurig loszuheulen, und man wundert sich, dass noch alles an seinem gewohnten Platz ist, denn es wäre gar nicht so verwunderlich, wenn die Kontrabässe auf ihren Bögen bliesen, die Posaunen ihre Schalltrichter mit imaginären Bögenstrichen und Herr Nikisch [Anm.: der Dirigent der Aufführung] sich auf den Knien der Platzanweiserin niederließe. Das alles sagt nichts dagegen, dass das Stück geniale Züge besitzt, vor allem eine außerordentliche Sicherheit in der Orchesterbehandlung und eine unbändige Bewegung, die uns von Anfang bis Ende mitreißt und zwingt, alle Streiche des Helden mitzuerleben. Nikisch hat ihre tumultöse Abfolge mit bewundernswerter Kaltblütigkeit dirigiert, und der Beifall, der ihm und seinem Orchester entgegenbrandete, war in höchstem Maße berechtigt.“[7]
Anekdote
Strauss ließ sich beim markanten Hornsolo wohl vom ersten Hornisten des Münchner Opernorchesters inspirieren. Als Strauss die fertigen Noten austeilte, sagte der Hornist: „Ich kann das nicht spielen!“ Strauss antwortete ihm: „Aber sicher können Sie das – Sie waren es, der mir die Idee dazu gab. Sie spielten fast die gleichen Noten ein paar Monate zuvor beim Aufwärmen, und ich schrieb sie auf.“
Kammermusikalische Bearbeitungen
Von Franz Hasenöhrl (1885–1970) existiert eine 1954 in Wien entstandene Bearbeitung des Werks mit dem Titel Grotesque musicale – Scherz für fünf Instrumente, „Till Eulenspiegel einmal anders!“ op. 28 für Violine, Klarinette, Horn, Fagott und Kontrabass. Die Satzbezeichnungen lauten: 1. Commodo; 2. Più allegro; 3. Meno mosso; 4. Più animato; 5. Leggiero; 6. Poco a poco più animato; 7. Assai animato; 8. Epilogue: Meno mosso; 9. Assai animato.[11]
Weiter schuf Aaron Dan (* 1981) 2011 eine kammermusikalische Fassung des Werks für Bläserquintett (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn) und Klavier.[12]
Literatur
- Mathias Hansen (Hrsg.): Richard Strauss. Die Sinfonischen Dichtungen. Bärenreiter, 2003, ISBN 3-7618-1468-2. (Taschenbuch)
- Hartmut Schick: Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen: Die Tondichtungen von Richard Strauss und das Reprisenproblem. In: Richard Strauss – Der Komponist und sein Werk. (= Münchner Veröffentlichungen zur Musikgeschichte. Band 77). Allitera Verlag, München 2014, ISBN 978-3-86906-990-6.
- IMSLP – Partitur Till Eulenspiegels lustige Streiche. (imslp.org)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28. (PDF) In: Abenteuer Klassik. Abgerufen am 12. Oktober 2020.
- ↑ Willi Schuh: Richard Strauss. Jugend und frühe Meisterjahre. Atlantis, Zürich 1976, ISBN 3-7611-0490-1, S. 332.
- ↑ Hartmut Becker: Till Eulenspiegels lustige Streiche op.28. takt1.de, abgerufen am 11. Oktober 2020.
- ↑ Hartmut Schick: Neue Gedanken müssen sich neue Formen suchen: Die Tondichtungen von Richard Strauss und das Reprisenproblem. In: Richard Strauss – Der Komponist und sein Werk. Band 77. Allitera Verlag, München 2014, ISBN 978-3-86906-990-6.
- ↑ Till Eulenspiegel Musik. In: Till-Eulenspiegel.de - alles über den berühmten Narr. Abgerufen am 12. Oktober 2020.
- ↑ Bernd Edelmann: Strauss und Wagner. In: Walter Werbeck (Hrsg.): Richard Strauss Handbuch. Metzler, Stuttgart 2014, S. 74–76.
- ↑ a b c d Alexander Moore: «Till Eulenspiegels lustige Streiche» Tondichtung op. 28. Abgerufen am 11. Oktober 2020.
- ↑ Walter Werbeck: Die Tondichtungen von Richard Strauss. S. 245–251.
- ↑ Adrian Kech: Wagners »Tristan« travestiert. (PDF) 2017, abgerufen am 12. Oktober 2020.
- ↑ Walter Werbeck: Die Tondichtungen von Richard Strauss. Schneider, Tutzing 1996, S. 540–541.
- ↑ Till Eulenspiegel - einmal anders! Abgerufen am 14. Oktober 2020.
- ↑ R. Strauss: Till Eulenspiegels lustige Streiche. Abgerufen am 14. Oktober 2020.
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"Verlagsschein" mit Eintragungen. München 17.X.1895. "... Hiermit trete ich das ausschliessliche und unbeschränkte Verlags-, Vertriebs- und Aufführungs-Recht meiner nachgenannten, bisher noch nirgends erschienenen Composition: Richard Strauss Op 28 Till Eugenspiegels lustige Streiche. Nach alter Schelmenweise (in Rondeauform) für großes Orch. gesetzt. - op 29 1/3 Drei Lieder f. eine Singst., mit Klavierbegl. (Texte von Otto Jul. Bierbaum) - für alle Zeiten und demgemäss für alle Auflagen ... an die Herren Eugen und Otto Spitzweg, Besitzer der Firma 'Jos. Aibl in München' ab ...".
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