Tiedthof

Tiedthof

Der Tiedthof ist ein im Jahre 1910 als Gewerkschaftshaus und Volkshaus erbautes Gebäude an der Straße Goseriede nahe dem Steintor in Hannover. Es war das erste von der NSDAP besetzte Gewerkschaftshaus in Deutschland[1] und steht unter Denkmalschutz.

Geschichte

Gedenktafel am Tiedthof (seit 2021)
Hinterer Innenhof

An der Stelle des Tiedthofes befand sich zuvor eine Textilfabrik. Der Tiedthof wurde 1910 an der früheren Nikolaistraße 7, heute Goseriede 4, als Haus der hannoverschen Gewerkschaften erbaut. Das nach Plänen von Rudolf Schröder errichtete Gebäude erhielt eine viergeschossige Monumentalfassade im Stile des Neobarock. Hinter dem Fassadengebäude erstreckten sich Bürotrakte in mehreren Höfen. Es war das Zentrum der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung in Hannover. In den Räumen wurde der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund untergebracht. Ferner befanden sich dort die Geschäftsstellen der SPD, der Arbeiterwohlfahrt und anderer Arbeiterorganisationen, die Redaktion und Druckerei der Zeitschrift „Volkswille“, ein Hotel, ein Kino, Kultur- und Selbsthilfeeinrichtungen und ein Restaurant. Auf dem Grundstück stand die Veranstaltungshalle „Volksheim“ für 6000 Teilnehmer. Das gesamte Karree hieß im Volksmund: „Der rote Block“. 1919 wurde das benachbarte „Kriegerheim“ erworben und als Volksheim umgewidmet, mit Saal und Versammlungsraum.[2]

Nach der Machtergreifung 1933 erfolgten Angriffe der Nationalsozialisten auf dieses Zentrum, die mit Hassparolen („rote Mordzentrale“, „Standortquartier des organisierten Verbrechergesindels“ und so weiter) vorbereitet und begleitet wurden. Schon zu Beginn der 1930er Jahre waren Scheiben eingeworfen worden. Im Februar 1933 folgte eine Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand. Am 1. April 1933 stürmten SS-Gruppen das gesamte Gebäude. Dies geschah einen Monat vor dem Tag der nationalen Arbeit, worauf einen Tag später am 2. Mai 1933 fast alle anderen Gewerkschaftshäuser in Deutschland von den Nationalsozialisten gestürmt und besetzt wurden. Im Tiedthof wurden die Anwesenden im Hof zusammengetrieben, misshandelt und 25 von ihnen von der SS verhaftet. Vor dem Gebäude wurden Fahnen der Arbeiterorganisationen verbrannt und anschließend zog die SS weiter, um das Haus des Verbandes der Fabrikarbeiter Deutschlands am Rathenauplatz 3 sowie die Druckerei der kommunistischen NAZ (Neue Arbeiter-Zeitung) in der Andertenschen Wiese 6 zu besetzen.

Gedenkstein in den benachbarten Verdi-Höfe

Zur Erinnerung an dieses Ereignis wurde am 1. April 1983 vom DGB Hannover vor dem Haus der Gedenkstein Altes Gewerkschaftshaus Hannover aufgestellt mit der Inschrift: „1933-1983. Wir erinnern und mahnen. Im Jahre 1910 errichteten hier – früher Nikolaistrasse 7, heute Goseriede 4 – die hannoverschen Gewerkschaften ihr Gewerkschaftshaus. Dieses Haus wurde von den Nazis am 1. April 1933 besetzt. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, Gewerkschafter verfolgt, verhaftet, ermordet. DGB Kreis Hannover.“

Der Gedenkstein wurde im Jahr 2021 im Zuge der Umbauarbeiten an der Goseriede in die benachbarten Verdi-Höfe versetzt. Im Eingangsbereich des Tiedthofes wurde ebenfalls 2021 eine Gedenktafel der Stadt Hannover und des Deutschen Gewerkschaftsbundes angebracht. Das Gewerkschaftshaus Hannover befindet sich seit 1953 in der benachbarten Otto-Brenner-Straße am Klagesmarkt.

1998 wurde der Gebäudekomplex von der Unternehmensgruppe Christian Peters saniert und zum Geschäftshaus sowie Veranstaltungszentrum umgebaut.

Literatur

  • Manfred Böttcher: Die Geschichte der ver.di-Höfe, in Manfred Böttcher (Red.), Wolfgang Denia, Anne Wojke, Bernd Hoppe: Hier hat Zukunft Tradition. ver.di-Höfe, hrsg. vom Bildungswerk ver.di in Niedersachsen e.V., mit Fotos von Walter Ballhause et al., Hannover: Bildungswerk ver.di in Niedersachsen, 2004, S. 6–17
  • F. Feldmann: Geschichte des Ortsvereins Hannover der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Hannover 1952, DNB 989905519.
  • Helmut Knocke: Gewerkschaftshaus des ADGB, heutiger „Tiedthof“. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 221.
  • Anke Dietzler: Ausschaltung, Gleichschaltung, Anpassung – die hannoverschen Tageszeitungen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme. In: Hannoversche Geschichtsblätter. Neue Folge 41 (1987), S. 193–271.
  • Klaus Mertsching: Die Besetzung des Gewerkschaftshauses in Hannover: 1. April 1933, hrsg. von der DGB-Region Niedersachsen-Mitte. Mit einem Grußwort von Sebastian Wertmüller und einer Einleitung von Michael Buckmiller, Hannover: Offizin Verlag, 2008, ISBN 978-3-930345-63-2 und ISBN 3-930345-63-3; Inhaltsverzeichnis herunterladbar als PDF-Dokument

Weblinks

Commons: Tiedthof (Hannover) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Helmut Knocke, Hugo Thielen: Goseriede 4. In: Hannover Kunst- und Kultur-Lexikon. S. 125.
  2. Landeshauptstadt Hannover, Referat Erinnerungskultur und DGB Hannover.: Gedenktafel am Tiedthof. Hannover 2021.

Koordinaten: 52° 22′ 38,4″ N, 9° 43′ 57,9″ O

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Gedenkstein am Tiedthof.jpg
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Dieser Gedenkstein stand von 1983 bis 2021 vor dem Tiedthof und wurde 2021 in die beanchbarten Verdi Höfe versetzt.
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Gedenktafel am Tiedthof (seit 2021) von der Landeshauptstadt Hannover und dem Deutschen Gewerkschaftsbund.