Thierry Baudet

Thierry Baudet

Thierry Henri Philippe Baudet (* 28. Januar 1983 in Heemstede) ist ein niederländischer Autor, Historiker, Jurist und Gründer der Partei „Forum für Demokratie“.[1]

Leben

Thierry Baudet wurde als Sohn einer mittelständischen Familie mit hugenottischen Wurzeln in Heemstede geboren.[2] Er ist ein Urenkel des Mathematikers Pierre Joseph Henry Baudet.[3] Baudet besuchte von 1989 bis 1995 eine Montessori-Schule in Haarlem und danach von 1995 bis 2001 das örtliche Gymnasium. Ab 2001 studierte er an der Universität Amsterdam Geschichte und ab dem Jahr 2002 gleichzeitig Rechtswissenschaften. Im Jahr 2006 schloss er beide Studiengänge mit den Titeln Bachelor of Arts bzw. Master of Laws ab. Hiernach lehrte Baudet von 2007 bis 2012 an der Universität Leiden Rechtsphilosophie und promovierte mit einer Arbeit zur Bedeutung des Nationalstaates. Supranationale Institutionen wie die Europäische Union oder internationale Gerichtshöfe lehnt er darin als korrumpierend ab.[4] Von 2010 bis 2011 war Baudet Gastprofessor für politische Theorie an der Universität Deventer. Von 2011 bis 2012 arbeitete er als Kolumnist für das NRC Handelsblad und äußerte in seinen Texten scharfe Kritik an der EU.[4] 2013 schloss sich eine Tätigkeit an der geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tilburg an. Baudet war zeitweise mit der iranischstämmigen Armita Taheri liiert und ist seit 2021 mit der 13 Jahre jüngeren Fotografin Davide Heijmans verheiratet.[5] Als Zeitvertreib spielt er Klavier.[2][6]

Politik

Im Jahr 2015 gründete Thierry Baudet das „Forum für Demokratie“, wobei dieses zunächst als Thinktank gedacht war. Sechs Monate vor der Unterhauswahl am 15. März 2017 wandelte er den Verein in eine Partei um und erreichte bei der Wahl 1,8 % der Wählerstimmen, wodurch ihm und einem Parteikollegen überraschend der Parlamentseinzug in die Zweite Kammer der Niederlande gelang. Zuvor hatte er sich bereits als Mitorganisator des Referendums über das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine betätigt und hierbei mit Nein gestimmt.[7][8]

Thierry Baudet gibt an, dass ihn politisch die Terroranschläge vom 11. September sowie der Mord an Theo van Gogh geprägt haben. Er gilt ähnlich wie Geert Wilders als eine kontroverse Figur und wird dem rechten Rand des politischen Spektrums zugeordnet.[9] Wilders und Baudet gelten als Konkurrenten um das rechte Wählersegment. Über Wilders und dessen Partei PVV äußerte Baudet: „Ich denke, dass Wilders PVV in wichtigen Punkten Recht hat: etwa bei ‚Kontrolle der Einwanderung‘ oder ‚Raus aus der EU‘. Ich denke nur, dass Wilders übers Ziel hinausschießt, wenn er den Koran verbieten oder Moscheen schließen will. Das ist einfach nicht realistisch!“.[9] Anders als Wilders will Baudet eher gebildetere Schichten ansprechen, unter anderem Studenten.[9][2]

Baudet gerät immer wieder mit provokativen, der Neuen Rechten zuzuordnenden Aussagen in die Schlagzeilen. So erklärte er im März 2017, kultureller Selbsthass führe zu Versuchen der „homöopathischen Verdünnung des niederländischen Volkes“ mit Menschen aus der ganzen Welt, wodurch die Niederländer irgendwann aufhören könnten zu existieren.[9] Auf mediale Kritik antwortete er, dass es ihm nicht um Rasse, sondern um Kultur gehe.[7] Der Historiker Leo Lucassen wirft Baudet vor, er habe ein „kohärentes Amalgam rechter Ideen“ geschaffen, das „autoritäre Züge“ trage und „grundlegende Konzepte“ mit der europäischen Neuen Rechten teile. Baudet mobilisiere diese Ideen und radikalisiere mit ihnen die öffentliche Debatte.[7]

Baudet vernetzt sich mit internationalen Kontakten aus dem rechten und rechtsradikalen Spektrum. Nach seinem Einzug in die Zweite Kammer traf Baudet sich im Oktober 2017 zu einer längeren Aussprache mit dem bekannten Rassisten Jared Taylor von der rechtsextremistischen US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung.[10] Im April 2018 fand ein Treffen zwischen Baudet und dem russischen rechtsextremistischen Ideologen Alexander Dugin statt. Dugin zeigte sich begeistert über den Niederländer, mit dem er viele Übereinstimmungen sah, und bezeichnete ihn als „Ticket für die Zukunft“.[11] Ebenfalls belegt sind mehrere Zusammenkünfte Baudets mit dem französischen Rechtsextremisten und Holocaustleugner Jean-Marie Le Pen in Frankreich. Der niederländische Journalist Marijn Kruk, der diese Treffen publik machte, sieht in Le Pen den eigentlichen ideologischen „Taufpaten“ Baudets.[12]

Baudet wurde die Verwendung des Begriffs „Kulturmarxismus“ vorgeworfen, ein „Schlagwort aus der Alt-Right Szene“, das an „an den Nazi-Begriff des ‚Judeobolschewismus‘ erinnert“.[13] Im Oktober 2018 solidarisierte er sich in einem Radio-Interview mit den Angriffen des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán auf den US-amerikanischen Milliardär George Soros und forderte ähnliche Schritte gegen den Amerikaner in den Niederlanden. Er sagte: „Mit dem, was er (Viktor Orbán) macht, bin ich im Allgemeinen einverstanden.“ Auf die Unterdrückung der Pressefreiheit in Ungarn angesprochen, war Baudet nicht bereit, sich von Orbán zu distanzieren. „Ich verstehe nicht, warum ich etwas dazu sagen oder mich davon distanzieren soll“, antwortete Baudet.[14] 2017 sagte Baudet: „Am besten wären wir absolute Herrscher. Im Parlamentarismus lassen sich keine größeren politischen Änderungen durchziehen.“[15]

Seine Rede nach dem Sieg in den Wahlen zur Ersten Kammer im März 2019 trug in den Augen einiger niederländischer Medien einen „faschistischen Charakter“. Er verwendete in ihr das rechtsideologische Schlagwort einer „borealen Welt“, das auf faschistische Ideen eines „weißen Europa“ rekurriere.[16] Kritiker warfen ihm nach der Rede „Frontsoldatenmetaphorik“ vor und bezeichneten Baudet und seine Partei als „Teil einer neofaschistischen politischen Welle“. Das politische Programm von Baudets Partei sei „fast identisch“ mit dem Programm des niederländischen Faschisten Anton Mussert aus den dreißiger Jahren. Zudem seien „auch die rhetorischen Techniken der beiden Politiker sehr ähnlich.“[17]

Baudet präsentiert sich in der Öffentlichkeit als vehementer Leugner[18] der These vom menschengemachten Klimawandel. Er behauptet, dass unter Wissenschaftlern „keine Übereinstimmung“ über die Gründe des Klimawandels bestehe, und wirft seinen Gegnern, die er als „Klima-Mafia“ bezeichnet, „bekannte Lügen“ vor.[18] Im Januar 2018 trug er über den Kurznachrichtendienst Twitter einen heftigen Streit mit dem Klimaforscher Gerrit Hiemstra aus, der in den niederländischen Medien Widerhall fand. Baudet schrieb, dass es „keine Zunahme der Extremwetter“ gebe, dass „das Klima sich viel weniger“ erwärme „als vorhergesagt“, dass „mehr CO2 einen enorm positiven Einfluss auf das Pflanzenwachstum“ habe und dass „der Smog in Indien nichts mit CO2 zu tun“ habe. Hiemstra erklärte, Baudet sei vollkommen ahnungslos und habe vier „Unwahrheiten“ behauptet. Baudet forderte darauf die Entlassung Hiemstras, löschte aber seinen Tweet anschließend.[19] Pläne der niederländischen Politik, den Folgen der globalen Erwärmung entgegenzuwirken bzw. Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, verhöhnte Baudet als „masochistische Ketzerei, säkularisierten Flutglauben, (…) eine Manie ähnlich dem Totenkult, der einst die Osterinsel heimsuchte.“[20]

2020/21 verharmloste er die Covid-19-Pandemie. Die Hygieneregeln und der Lockdown zur Eindämmung der Pandemie seien gesundheitlich nicht zu rechtfertigen.[21]

Schriften

  • mit Michiel Visser (Hrsg.): Conservatieve Vooruitgang. Bakker, Amsterdam 2010, ISBN 978-90-351-3563-5.
  • mit Michiel Visser (Hrsg.): Revolutionair verval en de conservatieve vooruitgang in de achttiende en negentiende eeuw. Bakker, Amsterdam 2011, ISBN 978-90-351-3608-3.
  • Pro Europa dus tegen de EU. Elsevier, Amsterdam 2012, ISBN 978-90-3525-094-9.
  • The Significance of Borders. Why representative government and the rule of law require nation-states. Brill, Leiden 2012, ISBN 978-90-04-22808-5.
  • De aanval op de natiestaat. Bakker, Amsterdam 2012, ISBN 978-90-351-3753-0.
    • Deutsch: Angriff auf den Nationalstaat. Kopp, Rottenburg 2015, ISBN 978-3-86445-222-2.
  • Oikofobie. De angst voor het eigene. Bakker, Amsterdam 2013, ISBN 978-90-351-4000-4.
    • Deutsch: Oikophobie. Der Hass auf das Eigene und seine zerstörerischen Folgen Ares, Graz 2017, ISBN 978-3-902732-90-3.

Literatur

  • Chris Aalberts: De partij dat ben ik. De politieke beweging van Thierry Baudet. Uitgeverij Jurgen Maas, Amsterdam 2020, ISBN 978-94-91921-85-8.
  • Harm Ede Botje, Mischa Cohen: Mijn meningen zijn feiten. De wording van Thierry Baudet. Uitgeverij Atlas Contact, Amsterdam 2020, ISBN 978-90-450-4113-1.

Weblinks

Commons: Thierry Baudet – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. http://www.courrierinternational.com/article/pays-bas-legislatives-thierry-baudet-un-wilders-version-cultivee
  2. a b c Thierry Baudet – der smarte Rechte, der Geert Wilders überholt. Der Standard, 19. April 2018, abgerufen am 9. August 2018.
  3. [1] Генна Сосонко: Идиоты и политики [Genna Sosonko: Idioten und Politiker] (russisch), 19. Mai 2019, abgerufen am 20. Mai 2019.
  4. a b Baudets Gedanken - anschlussfähig an die Alt-Right-Bewegung. Süddeutsche Zeitung, 21. März 2018, abgerufen am 9. August 2018.
  5. Thierry Baudet getrouwd met Davide Heijmans. De Telegraaf, 26. November 2021 .
  6. Baudet - Wilders war gestern. Tagesschau, 9. März 2018, abgerufen am 9. August 2018.
  7. a b c Is Dutch Bad Boy Thierry Baudet the New Face of the European Alt-Right? The Nation, 5. April 2018, abgerufen am 9. August 2018.
  8. Ze delen weinig, behalve een diepe afkeer van Europa auf nrc.nl, 7. März 2016.
  9. a b c d Latein und Klavier, aber kein Fernseher. Deutschlandfunk, 9. März 2018, abgerufen am 9. August 2018.
  10. [2] 'Baudet sprak vijf uur met Amerikaanse racist Jared Taylor' [Baudet sprach fünf Stunden mit dem amerikanischen Rassisten Jared Taylor] (niederländisch), NOS.nl, 20. Dezember 2017, abgerufen am 21. Mai 2019.
  11. [3] Rechte Konkurrenz, Jungle World, 4. April 2019, abgerufen am 21. Mai 2019.
  12. [4] Hoe Thierry Baudet aan de lippen hing van Jean-Marie Le Pen [Wie Thierry Baudet an den Lippen von Jean-Marie Le Pen hing] (niederländisch), De Correspondent, 19. Februar 2018, abgerufen am 23. Mai 2019.
  13. [5] Thierry Baudet: Ein Rechtsextremer für die wirtschaftliche Elite der Niederlande, Kontraste.at, 17. April 2019, abgerufen am 27. Mai 2019.
  14. [6] Baudet wil onderzoek naar invloed Soros in Nederland [Baudet will Untersuchung des Einflusses von Soros in den Niederlanden] (niederländisch), NPO Radio 1, 1. Oktober 2018, abgerufen am 21. Mai 2019.
  15. Roger de Weck: Die Kraft der Demokratie. Eine Antwort auf die autoritären Reaktionäre. Suhrkamp, Berlin 2019, S. 173
  16. [7] ‘Fascistische en gevaarlijke’ speech Baudet verbaast arabist Tilburg University: 'Waarom zegt hij dit?’ [‚Faschistische und gefährliche‘ Rede von Baudet verblüfft Arabisten von der Universität Tilburg: ‚Warum sagt er das?‘] (niederländisch), AD.nl, 21. März 2019, abgerufen am 21. Mai 2019.
  17. [8] Waarom Thierry Baudet een fascist is [Warum Thierry Baudet ein Faschist ist] (niederländisch), Over de Muur, 22. März 2019, abgerufen am 23. Mai 2019.
  18. a b [9] Two-ring boxing match between ‘climate denier’ Baudet and ‘climate mafioso’ Rotmans [Boxkampf zwischen dem ‚Klimaleugner‘ Baudet und dem ‚Klimamafiosi‘ Rotmans] (englisch), Erasmus Magazine, 12. April 2019, abgerufen am 27. Mai 2019.
  19. [10] Het klimaat trekt zich niets aan van wat we ‘vinden’ [Dem Klima ist es egal, was wir 'glauben'] (niederländisch), NRC.nl, 12. Januar 2018, abgerufen am 20. Mai 2019.
  20. [11] De opmerkelijkste overwinningsspeech in de Nederlandse politieke geschiedenis ontleed [Die bemerkenswerteste Siegesrede der niederländischen politischen Geschichte wurde zerlegt] (niederländisch), de Volkskrant, 21. März 2019, abgerufen am 23. Mai 2019.
  21. https://www.nzz.ch/international/corona-leugner-baudet-im-wahlkampf-in-den-niederlanden-ld.1606314

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