Thiacloprid

Strukturformel
Thiacloprid
Allgemeines
NameThiacloprid
Andere Namen
  • {(2Z)-3-[(6-Chlor-3-pyridinyl)methyl]-1,3-thiazolidin-2-yliden}cyanamid (IUPAC)
  • Calypso
SummenformelC10H9ClN4S
Kurzbeschreibung

gelbliches, kristallines Puder[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer111988-49-9
EG-Nummer (Listennummer)601-147-9
ECHA-InfoCard100.129.728
PubChem115224
ChemSpider103099
DrugBankDB08620
WikidataQ416283
Eigenschaften
Molare Masse252,72 g·mol−1
Dichte

1,46 g·cm−3 bei 20 °C[1]

Schmelzpunkt
  • 136 °C (morphologische Form 1)[1]
  • 128 °C (morphologische Form 2)[1]
Löslichkeit

0,185 g·l−1 (Wasser, 20 °C, pH-Bereich zwischen 4 und 9)[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[3] ggf. erweitert[2]
GefahrensymbolGefahrensymbolGefahrensymbol

Gefahr

H- und P-SätzeH: 301​‐​332​‐​336​‐​351​‐​360FD​‐​410
P: 202​‐​261​‐​264​‐​273​‐​301+310​‐​304+340+312[2]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Thiacloprid ist ein Insektizid aus der Klasse der Neonicotinoide. Es wurde von einer japanischen Niederlassung für Bayer CropScience aus Imidacloprid weiterentwickelt zur Insekten-Bekämpfung von Acker- und Obstschädlingen wie Blattläusen und Mottenschildläusen, Blattflöhen, Apfelwicklern und Rüsselkäfern.[5][6] Abweichend von den meisten anderen Mitteln mit entsprechender Ausrichtung wirkt der Wirkstoff Thiacloprid auch gegen den Buchsbaumzünsler.[7]

Toxizität

Toxizität für den Menschen

Thiacloprid gehört zur Gruppe der Neonicotinoide; die Mittel dieser Wirkstoffgruppe sind für Warmblüter wesentlich weniger gefährlich als für Insekten. In Taiwan wurden zwischen 1987 und 2007 insgesamt 70 Fälle von Vergiftungen durch Neonicotinoide registriert. Dabei handelte es sich in der Mehrzahl um Selbstmordversuche, bei denen in kurzer Zeit große Mengen von Mitteln aus der Gruppe der Neonicotinoide aufgenommen wurden. In den 70 untersuchten Fällen kamen zwei Menschen zu Tode, bei acht weiteren Personen wurden schwere Symptome beobachtet, insbesondere Atemprobleme. Die Mehrzahl der Patienten zeigte jedoch nur leichte bis mittlere Auswirkungen, die gut behandelt werden konnten.[8]

Toxizität für Bienen

Die akute Giftigkeit von Thiacloprid für Bienen (LD50) wurde mit 14,6 µg/Biene ermittelt. Bei einer typischen Körpermasse einer Arbeitsbiene von 120 mg entspricht das etwa einem Zehntausendstel des Eigengewichts der Biene. Thiacloprid zählt zu den cyano-substituierten Neonicotinoiden, nitro-substituierte Neonicotinoide wie Imidacloprid oder Clothianidin sind für Bienen bis zum Faktor 1000 toxischer.[9]

Der BUND kritisierte 2014 die Verbraucherinformationen des Herstellers über die Bienenungefährlichkeit von Mitteln mit diesem Wirkstoff. Bayer erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, die den BUND zwang, bestimmte Seiten aus dem Internet zu entfernen. Am 11. März 2015 entschied das Landgericht Düsseldorf, der BUND dürfe weiterhin behaupten, dass zwei von Bayer hergestellte Pestizidprodukte für Bienen gefährlich seien und es sich bei dem darauf abgebildeten Logo mit dem Aufdruck „nicht bienengefährlich“ um eine Irreführung von Verbrauchern handele.[10] Die Kritik des BUND stützt sich im Wesentlichen auf die Forschungen von Randolf Menzel.[11][12]

Zulassungsstatus

In Deutschland und der Schweiz war Thiacloprid, meist in Form von Sprays oder Suspensions-Emulsionen, gegen eine Vielzahl von beißenden und saugenden Insekten auch zur Verwendung im Haus- und Kleingarten zugelassen. Zu in Deutschland zugelassenen Produkten gehörten unter anderem 'Calypso', 'Lizetan', und 'Biscaya'. In Österreich waren Präparate für Anwendungen im Acker-, Gemüse- und Obstbau zugelassen.[13] Thiacloprid wurde im Jahre 2015 von der Europäischen Union wegen seiner endokrin schädlichen Wirkung auf eine Substitutionsliste gesetzt.[14] Die EU-Kommission erörterte am 20. Mai 2019 den Entwurf einer Verordnung, die vorsieht, die im April 2020 auslaufende EU-weite Zulassung nicht zu verlängern.[15] Die deutsche Agrarministerin Julia Klöckner kündigte an, sich gegen die Wiedergenehmigung einzusetzen.[16] Am 13. Januar 2020 beschloss die EU-Kommission, die Zulassung für Thiacloprid für den europäischen Markt zu beenden.[17] Die Mitgliedstaaten mussten daher Zulassungen für Thiacloprid-haltige Pflanzenschutzmittel spätestens zum 3. August 2020 widerrufen, die Aufbrauchfrist endete am 21. Februar 2021.[18] In der Schweiz wurden sämtliche Bewilligungen für thiaclopridhaltige Pflanzenschutzmittel-Produkte mit einer Ausverkaufsfrist bis 30. September 2021 und einer Aufbrauchsfrist bis Jahresende 2021 beendet.[13]

Einzelnachweise

  1. a b c d e P. Jeschke, K. Moriya, R. Lantzsch, H. Seifert, W. Lindner, K. Jelich, A. Göhrt, M. E. Beck und W. Etzel: Thiacloprid (Bay YRC 2894) – A new member of the chloro nicotinyl insecticide (CNI) family. In: Pflanzenschutz-Nachrichten Bayer. Band 54, Nr. 2, 2001, S. 147–160.
  2. a b Eintrag zu Thiacloprid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. November 2022. (JavaScript erforderlich)
  3. Eintrag zu (Z)-3-(6-chloro-3-pyridylmethyl)-1,3-thiazolidin-2-ylidenecyanamide im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 31. Dezember 2019. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  4. a b c d Datenblatt Thiacloprid bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 31. Dezember 2019 (PDF).
  5. Thiacloprid Pesticide Fact Sheet, Environmental Protection Agency.
  6. Michael Schuld, Richard Schmuck: Effects of Thiacloprid, a New Chloronicotinyl Insecticide, On the Egg Parasitoid Trichogramma cacaoeciae. In: Ecotoxicology, Juni 2000, Band 9, Heft 3, S. 197–205, doi:10.1023/A:1008994705074.
  7. Buchsbaumzünsler-Bekämpfung
  8. Dong Haur Phua, Chun Chi Lin, Ming-Ling Wu, Jou-Fang Deng, Chen-Chang Yang: Neonicotinoid insecticides. An emerging cause of acute pesticide poisoning. In: Clinical Toxicology. Band 47, 2009, S. 336–341, doi:10.1080/15563650802644533 (englisch).
  9. Takao Iwasa, Naoki Motoyama, John T. Ambrose, R. Michael Roe: Mechanism for the differential toxicity of neonicotinoid insecticides in the honey bee, Apis mellifera, Crop Protection, Band 23, Ausg. 5, Mai 2004, Seiten 371–378, doi:10.1016/j.cropro.2003.08.018.
  10. FAZ: Pestizide von Bayer dürfen „bienengefährlich“ genannt werden, 11. März 2015.
  11. Randolf Menzel: Wie Pestizide (Neonicotinoide) die Navigation, die Tanz-Kommunikation und das Lernverhalten von Bienen verändern (PDF; 2,6 MB), in Bayer. Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Soziale Insekten in einer sich wandelnden Welt. Rundgespräche der Kommission für Ökologie, 43, Verlag Pfeil, München, 2014, S. 75–83, ISBN 978-3-89937-179-6.
  12. FU Berlin: Wenn Bienen den Heimweg nicht finden, Pressemitteilung Nr. 092/2014 vom 20. März 2014.
  13. a b Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission: Eintrag zu Thiacloprid in der EU-Pestiziddatenbank; Eintrag in den nationalen Pflanzenschutzmittelverzeichnissen der Schweiz, Österreichs und Deutschlands, abgerufen am 6. April 2023.
  14. Durchführungsverordnung (EU) 2015/408 der Kommission vom 11. März 2015 zur Durchführung des Artikels 80 Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Erstellung einer Liste mit Substitutionskandidaten.
  15. EU-Kommission, Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed, Section Phytopharmaceuticals – Legislation: Agenda 20-21 May 2019.
  16. taz: Thiacloprid schädigt Föten, 23. Mai 2019.
  17. Insektengift Thiacloprid wird in Europa verboten. In: ec.europa.eu. 13. Januar 2020, abgerufen am 13. Januar 2020.
  18. Durchführungsverordnung (EU) 2020/23 der Kommission vom 13. Januar 2020.

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