Therese von Bayern

Therese von Bayern
Büste in der Ruhmeshalle in München

Therese Prinzessin von Bayern (* 12. November 1850 in München; † 19. September 1925 in Lindau) war eine deutsche Ethnologin, Zoologin, Botanikerin und Reiseschriftstellerin. Sie engagierte sich sozial-karitativ. Ihr offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Therese“.

Leben

Prinzessin Therese Charlotte Marianne Auguste von Bayern war die einzige Tochter des Prinzregenten Luitpold von Bayern und dessen Ehefrau Auguste Ferdinande von Österreich; mütterlicherseits stammte sie von Kaiserin Maria Theresia ab. Zusammen mit ihren Brüdern Ludwig (dem späteren König Ludwig III.), Leopold und Arnulf wurde sie von der Mutter unterrichtet. Therese interessierte sich schon als Kind für Pflanzen, Tiere und Kulturen und zeigte ein außergewöhnliches Sprachtalent.

1864 starb Thereses Mutter. Im selben Jahr wurde ihr Cousin Ludwig, 18-jährig, zum König Ludwig II. von Bayern gekrönt. Therese verliebte sich in dessen Bruder Otto (1848–1916), der aber geistig erkrankte und später ebenso wie Ludwig II. für regierungsunfähig befunden wurde.

Obwohl ihr Vater und ihre Brüder wiederholt diverse Heiratskandidaten nach München einluden, blieb Therese unverheiratet. Sie fühlte sich von keinem der Männer angezogen und beschrieb sich selbst als heiratsuntauglich. Sie galt als eigenwillig und selbstbewusst und hatte, für eine Frau im späten 19. Jahrhundert, ungewöhnliche Interessen. Ihre breitgefächerte Bildung in Natur- und Sozialwissenschaften, in Geologie, Botanik, Zoologie und Ethnologie erwarb sie sich im Selbststudium, weil Mädchen und Frauen damals weder an Gymnasien noch an Universitäten zugelassen waren. Das Frauenstudium wurde in Bayern erst 1903 von Thereses Vater, Prinzregent Luitpold, eingeführt.

Büste von Therese mit dem Kreuz des St.-Anna-Ordens des Damenstifts zu München

Mit 21 Jahren begann Therese Europa und Nordafrika zu bereisen und lernte so insgesamt zwölf Landessprachen in Wort und Schrift. Bei ihren expeditionsähnlichen Fahrten lebte sie spartanisch und reiste stets inkognito als „Gräfin Elpen“[1] mit maximal drei persönlichen Bediensteten. Seit 1880 war Therese die Äbtissin des Damenstifts zu St. Anna in München. Dank des ihr dafür zustehenden Entgelts war sie finanziell unabhängig und konnte gezielter ihren Interessen nachgehen.[2] In den 1880er und 1890er Jahren unternahm sie einige mehrmonatige Reisen nach Amerika, bei denen sie auch umfangreiche naturwissenschaftliche Studien betrieb. 1892 wurde Therese von Bayern zum Ehrenmitglied der Geographischen Gesellschaft sowie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt. 1897 erhielt sie – für Autodidakten und eine Frau zu dieser Zeit eine Seltenheit – von der Philosophischen Fakultät der Universität München die Ehrendoktorwürde.

Von der länger als ein halbes Jahr dauernden Sammelreise 1898 quer durch Südamerika brachte Therese von Bayern eine umfangreiche Sammlung zoologischer, botanischer und ethnologischer Objekte mit. Ihre Forschungsreise führte sie zuerst in die Karibik und von dort weiter nach Kolumbien. Sie überquerte die Anden und reiste von der kolumbianischen Pazifikküste über Ecuador und Peru weiter über Chile nach Argentinien. Am 14. Oktober ging sie in Valparaíso an Land. Bis zu ihrer geplanten Einschiffung in Buenos Aires war gerade noch eine Woche Zeit. Mit einem Pferdegespann überquerte die Reisegesellschaft den 3970 m hohen Upsallata-Pass und begann am 17. Oktober den Abstieg von den Anden nach Punta de los Vacos. Ihr eigentliches Ziel, Buenos Aires, war noch über 1000 km entfernt. Sie traf am Morgen des 20. Oktober mit dem Zug in Buenos Aires ein. Am 21. Oktober 1898 um 5:00 Uhr legte der Passagierdampfer Portugal ab.

Allein die Fischausbeute[3] der Reise betrug 228 Fische aus 91 Arten. Aus ihren Aufsammlungen beschrieb der Wiener Ichthyologe Franz Steindachner in den Jahren 1900 und 1902 insgesamt acht neue Arten. Sie lernte zahlreiche, im europäischen Raum bisher noch unbekannte Völker kennen und beschrieb diese, und sie sammelte „Kuriositäten“ und seltene Pflanzen. 1893 reiste sie durch Nordamerika, wobei sie sich besonders den Indianern der Plains und des Südwestens widmete. Ihre umfangreichen ethnologischen Sammlungen befinden sich heute im Museum Fünf Kontinente. Der gesamte zoologische Nachlass wurde 1926 testamentarisch der Zoologischen Staatssammlung München[4] übereignet, darunter auch die Fischsammlung der Südamerikareise von 1898 und die Exemplare der Mexikoreise von 1893, die im Zweiten Weltkrieg vermutlich nahezu vollständig zerstört wurden.

Nach dem Tod ihres Vaters Ende 1912 stellte Therese das Reisen ein und widmete sich stattdessen sozialen und politischen Fragen in ihrer Heimat. Insbesondere engagierte sie sich im Katholischen Frauenbund und setzte sich für die Verbesserung der Mädchen- und Frauenbildung ein.

Den Eintritt Deutschlands in den Ersten Weltkrieg und die Kriegsbegeisterung dieser Zeit (→ Augusterlebnis, Militarismus in Deutschland) lehnte Therese entschieden ab.[5][6]

Sie zog sich 1914 in die Villa Amsee[7] bei Lindau am Bodensee zurück, wo sie 1925 im Alter von 74 Jahren starb. Sie wurde unter dem Hauptaltar der Theatinerkirche beigesetzt.

Ihre Bibliothek umfasste ca. 11.000 Einheiten, davon 580 Landkarten. Sie kam 1925 in die Bayerische Staatsbibliothek, wo die Bände ohne Angabe der Provenienz in den normalen Bibliotheksbestand eingearbeitet wurden.[8][9]

Ehrungen

Therese-von-Bayern Platz in Lindau

Nach ihr ist eine Stiftung benannt, die sich für die Förderung von Frauen in der Wissenschaft engagiert und die an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität angesiedelt ist.

Seit April 2009 steht ihre Büste in der Ruhmeshalle in München.

Nach ihr wurde 2013 das staatliche Gymnasium in Höhenkirchen-Siegertsbrunn südöstlich von München benannt, das seitdem den Namen Therese-von-Bayern-Gymnasium trägt. Es ist mathematisch-naturwissenschaftlich und musisch ausgelegt. Ebenso wurde die Staatliche Fachoberschule FOS für Wirtschaft und Verwaltung in München in Therese-von-Bayern-Fachoberschule für Wirtschaft und Verwaltung umbenannt.

Da Therese von Bayern zuletzt ihren Wohnsitz in Lindau hatte und der Stadt sehr verbunden war, entschied sich der Stadtrat 2017 dazu, den Platz neben der Inselhalle nach ihr zu benennen.[10]

Werke (Auswahl)

  • Ausflug nach Tunis. In: Jugendblätter. 26, 1880, S. 545–571.
  • Reiseeindrücke und Skizzen aus Russland. Stuttgart 1885.
  • Über den Polarkreis. Leipzig 1889.
  • Über einige Fischarten Mexicos und die Seen, in denen sie vorkommen. Wien 1895.
  • Meine Reise in den Brasilianischen Tropen. Dietrich Reimer, Berlin 1897. (Digitalisat)
  • Einiges über die Pueblo-Indianer. In: Völkerschau. 2, 1902, S. 4–6, 38–42.
  • Reisestudien aus dem westlichen Südamerika. 2 Bände, Dietrich Reimer, Berlin 1908.

Vorfahren

Ahnentafel von Therese von Bayern
Ururgroßeltern

Herzog
Friedrich Michael von Pfalz-Birkenfeld
(1724–1767)
⚭ 1746
Maria Franziska Dorothea von Pfalz-Sulzbach
(1724–1794)

Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt
(1722–1782)
⚭ 1748
Maria Luise Albertine von Leiningen-Dagsburg-Falkenburg
(1729–1818)

Herzog
Ernst Friedrich III. Carl von Sachsen-Hildburghausen
(1727–1780)
⚭ 1758
Ernestine von Sachsen-Weimar Eisenach
(1740–1786)

Großherzog
Karl zu Mecklenburg-Strelitz
(1741–1816)
⚭ 1768
Friederike Caroline Luise von Hessen-Darmstadt
(1752–1782)

Kaiser
Leopold II.
(1747–1792)
⚭ 1765
Maria Ludovica von Spanien
(1745–1792)

König
Ferdinand I. von Neapel-Sizilien
(1751–1825)
⚭ 1768
Maria Karolina
(1752–1814)

Kurfürst Friedrich Christian von Sachsen
(1722–1763)
⚭ 1747
Maria Antonia von Bayern
(1724–1780)

Herzog Ferdinand von Bourbon
(1751–1802)
⚭ 1769
Maria Amalia von Österreich
(1746–1804)

Urgroßeltern

Bayerische Königskrone
König Maximilian I. Joseph
(1756–1825)
⚭ 1785
Auguste Wilhelmine von Hessen-Darmstadt
(1765–1796)

Herzog Friedrich von Sachsen-Hildburghausen (1763–1834)
⚭ 1785
Charlotte Georgine Luise von Mecklenburg-Strelitz (1769–1818)

Großherzog Ferdinand III. von Österreich-Toskana (1769–1824)
⚭ 1790
Luisa Maria von Neapel-Sizilien (1773–1802)

Maximilian von Sachsen
(1759–1838)
⚭ 1792
Caroline von Bourbon-Parma
(1770–1804)

Großeltern

Bayerische Königskrone
König Ludwig I. (1786–1868)
⚭ 1810
Therese von Sachsen-Hildburghausen (1792–1854)

Großherzog Leopold II. von Österreich-Toskana
(1797–1870)
⚭ 1816
Maria Anna von Sachsen (1799–1832)

Eltern

Prinzregent Luitpold von Bayern (1821–1912)
⚭ 1844
Auguste Ferdinande von Österreich (1825–1864)

Therese von Bayern

Literatur

  • Marita A. Panzer: Wittelsbacherinnen. Fürstentöchter einer europäischen Dynastie. Pustet, Regensburg 2012, ISBN 978-3-7917-2419-5, S. 195–210.
  • Hadumod Bußmann (Hrsg.): Die Prinzessin und ihr „Kavalier“. Therese von Bayern und Maximilian Freiherr von Speidel auf Brasilien-Expedition im Jahr 1888. Allitera, München 2013, ISBN 978-3-86906-185-6.
  • von Bayern, Prinzessin Therese, in: Bettina Beer: Frauen in der deutschsprachigen Ethnologie. Ein Handbuch. Köln : Böhlau, 2007, ISBN 978-3-412-11206-6, S. 23–28
  • Armin Strohmeyr: Abenteuer reisender Frauen: 15 Porträts. (= Piper Taschenbuch. Band 7431). München 2012, ISBN 978-3-492-27431-9.
  • Hadumod Bußmann, Evi Neukum-Fichtner (Hrsg.): „Ich bleibe ein Wesen eigener Art“. Prinzessin Therese von Bayern. Wissenschaftlerin – Forschungsreisende – Mäzenin (1850–1925). Universität München, München 1997, ISBN 3-922480-17-9.
  • Walther L. Bernecker: Auf der Suche nach selbstbestimmter Freiheit. Therese Prinzessin von Bayern als Wissenschaftlerin und Forschungsreisende durch Lateinamerika. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, Bd. 84 (2021), Heft 2, S. 427–456.
  • Irma Hildebrandt (Hrsg.): Bin halt ein zähes Luder. 15 Münchner Frauenporträts. 6. Auflage. Diederichs, München 1995, ISBN 3-424-01035-9, S. 43–54, 154–155.
  • Manfred Berger: Therese Charlotte Marianne Auguste von Bayern. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 21, Bautz, Nordhausen 2003, ISBN 3-88309-110-3, Sp. 1486–1493.
  • Margaretha Schweiger-Wilhelm: Ich bleibe ein Wesen eigner Art – Therese Prinzessin von Bayern (1850–1925). In: Landkreis Aichach-Friedberg (Hrsg.): Altbayern in Schwaben 2016. Jahrbuch für Geschichte und Kultur. Aichach 2016, ISBN 978-3-9813801-4-9, S. 167–180.
  • Hadumod Bußmann: Ich habe mich vor nichts im Leben gefürchtet. Die ungewöhnliche Geschichte der Therese Prinzessin von Bayern. 3. Auflage. Insel, Berlin 2017, ISBN 978-3-458-35989-0.

Filme

  • Wolfgang Voelker: Prinzessin Therese von Bayern – Forscherin, Sammlerin, Weltreisende. Dokumentarfilm, 1997.[11]

Weblinks

Commons: Therese von Bayern – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Findbuch GU119: Wiltrud Herzogin von Urach Gräfin von Württemberg (geb. Prinzessin von Bayern) (1884-1975) mit Teilnachlässen Therese Prinzessin von Bayern..., Einführung, abgerufen am 23. Februar 2022
  2. Armin Strohmeyr: Abenteuer reisender Frauen: 15 Porträts, Piper, 10. Auflage, ISBN 978-3492274319, S. 109–135
  3. Siehe http://www.zsm.mwn.de/ich/coll_therese.htm
  4. Siehe http://www.zsm.mwn.de/
  5. Mirjam Zimmer: Erster Weltkrieg: Therese von Bayern. In: Die Zeit. Nr. 08/2014 (online).
  6. siehe auch Liste der Baudenkmäler in Lindau (Bodensee)#Ensemble Hoyrener Bodenseeufer (Bad Schachen)
  7. https://www.lindau.de
  8. Dagmar Jank: Bibliotheken von Frauen: ein Lexikon. Harrassowitz, Wiesbaden 2019 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen; 64), ISBN 9783447112000, S. 20.
  9. siehe auch www.bsb-muenchen.de: Nachlass in der Bayerischen Staatsbibliothek
  10. Pressemitteilung: Neuer Platz heißt »Therese-von-Bayern-Platz«, erschienen am 31. März 2017.
  11. Gesendet auf Phoenix am Sa, 15. Februar 2003, 21.00 Uhr.Prinzessin Therese von Bayern Forscherin, Sammlerin, Weltreisende (Memento vom 14. November 2003 im Internet Archive).

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Ruhmeshalle München: Therese Prinzessin v. Bayern Forscherin (im Jahre 2009 neu aufgestellt)