Theater der Versammlung

Das Theater der Versammlung zwischen Bildung, Wissenschaft und Kunst (TdV) ist ein in Bremen ansässiges Theaterensemble unter künstlerischer Leitung von Jörg Holkenbrink. Es ging Anfang der 1990er Jahre aus einem Modellversuch der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung hervor und ist seit 2004 dem Zentrum für Performance Studies der Universität Bremen angeschlossen. Das Theater der Versammlung gilt als eines der ersten Forschungstheater Deutschlands und nimmt seither eine innovative Stellung nicht nur in der Theaterszene Bremens ein.

Arbeitsweise

Zentraler Schwerpunkt seiner praktisch-ästhetischen Arbeitsweise liegt in der Untersuchung wissenschaftlich-theoretischer Inhalte mit den Mitteln der performativen Künste. Fragestellungen der akademischen Forschung und Lehre werden so zum Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung. Das Operieren zwischen Wissenschaft und Kunst ist konzeptueller Bestandteil aller Produktionen. Das Theater der Versammlung arbeitet hierfür häufig mit Projekt-Ensembles, in denen die Zusammenarbeit mit Studierenden und Hochschullehrern erwünscht ist, die ihr fachspezifisches Wissen in die Inszenierungsprozesse einbringen und umgekehrt von Schauspielern und Regisseuren performative Fähigkeiten vermittelt bekommen. Darüber hinaus ist allen Inszenierungen ein enger Publikumskontakt eigen. Das Theater der Versammlung fördert in besonderer Weise den Austausch mit seinem Publikum, zu jeder Aufführung gehört eine Publikumsbühne, auf der die Zuschauer Gelegenheit für den Austausch mit Ensemble-Mitgliedern erhalten.

Ein weiterer Schwerpunkt des Theater der Versammlung liegt in der Gestaltung neuer Formen für wissenschaftliche Veranstaltungsformate. Das Ensemble entwickelt hierzu Veranstaltungsdramaturgien, die auf der Grundlage künstlerischer Begegnungen operieren. Hier steht nicht der Wissenstransfer, sondern vielmehr die spezifische Qualität von Begegnung und Austausch im Mittelpunkt.

Das Theater der Versammlung nimmt Aufträge für Produktionswünsche und Veranstaltungsdramaturgien der universitären Fachbereiche sowie außeruniversitärer Organisationen wie Fachverbänden, Schulen, Unternehmen, Gesundheitszentren, Kultureinrichtungen etc. entgegen. Prinzipiell kann jeder Fachbereich der Universität Bremen Mitglied im Zentrum für Performance Studies werden, um dann dem Theater der Versammlung den Auftrag zu erteilen, eine wissenschaftliche Thematik performativ zu bearbeiten. Zurzeit sind es die Fachbereiche Mathematik/Informatik, Produktionstechnik, Sozialwissenschaften, Kulturwissenschaften, Sprach- und Literaturwissenschaften, Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Dieses Agieren zwischen Wissenschaft und Kunst stellt ein Modell in der akademischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland dar.

Preise

1993 erhielt das Theater der Versammlung den Berninghausen-Preis für ausgezeichnete Lehre und ihre Innovation im Hochschulbereich.[1]

Produktionen (Auswahl)

  • Am Seidenen Faden – Was hat das Leben mit dem Tod zu tun? Performance-Abend in Kooperation mit dem trauerraum Bremen
  • C copy A, verschlüsselt! Klick-Performance zur Veränderung von Kommunikation und Wahrnehmung in einer immer schneller werdenden Zeit.
  • Tschechow – Eine Landpartie Feldforschung beim Tschechow-Völkchen im Exil, Teilnehmende Beobachtung in Zeiten der Globalisierung[2]
  • Speisen mit dem Menschenfeind Buffet-Performance zu kulturellem Kapital und feinen Unterschieden, nach Molière in ausgewählten Restaurants
  • Minne 2000 Eine Deutschstunde für Verliebte und Verrückte
  • Brecht für Manager – Ein Seelentraining Untersuchungen zur Arbeit in Zukunft
  • Ist Hamlet teamfähig? Improvisationen zur Philosophie des Scheiterns
  • Das Clavigo-Spiel Hochschul-Führungen mit Goethe-Figuren
  • Das sieht man am Blick Performance-Abende im Rahmen der Sonderausstellung Sie. Selbst. Nackt. Paula Modersohn-Becker und andere Künstlerinnen im Selbstakt, Museum Böttcherstraße, Bremen

Literatur

  • Jörg Holkenbrink: ''Lügen, Stehlen, Ausbilden – Zur Arbeitsweise des Theaters der Versammlung zwischen Bildung, Wissenschaft und Kunst.'' In: U. Eberhardt (Hrsg.): ''Neue Impulse in der Hochschuldidaktik. Sprach- und Literaturwissenschaften.'' Wiesbaden 2010, S. 299–308. Ebenfalls in: M. Bülow-Schramm, D. Gipser, D. Krohn (Hrsg.): ''Bühne frei für Forschungstheater.'' Oldenburg 2007, S. 35–44
  • Jörg Holkenbrink/ Alice Lagaay, ''Performance in Philosophy/Philosophy in Performance: How Performative Practices Can Enhance and Challenge the Teaching of Theory in Performance matters- the journal'' http://performancematters-thejournal.com, 2016. ISSN 2369-2537
  • Jörg Holkenbrink/ Anna Seitz: Die subversive Kraft der Verletzlichkeit. Ein Dialog über Wissenskulturen und ihre Aufführungen, in: Ingrisch, Doris; Mangeldorf, Marion; Dressel, Gert (Hg.) (2017): Wissenskulturen im Dialog – Experimentalräume zwischen Wissenschaft und Kunst. Bielefeld: transcript, S. 97–110.
  • Jörg Holkenbrink/ Anna Seitz: „Challenging Formats. Content and Form in Dialogue“ in: Ahmad, Aisha-Nusrat; Fielitz, Maik; Leinus, Johanna; Schlichte, Gianna Magdalena (Hg.) (2018): Knowledge, Normativity and Power in Academia – Critical Interventions, Frankfurt/New York: Campus, S. 137–149.
  • Festschrift für Jörg Holkenbrink: Alice Lagaay, Anna Seitz (Hg.) (2018). WISSEN FORMEN. Performative Akte zwischen Bildung, Wissenschaft und Kunst. Erkundungen mit dem Theater der Versammlung. Bielefeld: transcript.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Uni-Bremen: Preis für gute Lehre, abgerufen am 9. Mai 2014.
  2. Ortsamt Blumental: Sattelhof aus dem Schlaf gerissen, Norddeutsche, 19. September 2013, abgerufen am 2. Juni 2014

Koordinaten: 53° 6′ 25,1″ N, 8° 51′ 14,5″ O

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