Theater am Rand

Das Theater am Rand ist ein privates Haus- und Freiluft-Theater in der Siedlung Zollbrücke (Ortsteil Zäckericker Loose, Gemeinde Oderaue, Landkreis Märkisch-Oderland, Land Brandenburg) an der Oder gelegen, der östlichen Grenze Deutschlands. Die Anregung für den Namen gab allerdings nicht dieser geografische Rand, sondern das Lied am Rand des Liedermachers Hans-Eckardt Wenzel, der bis heute regelmäßig in dem Theater auftritt.

Das Theater am Rand, ein Holzbau ohne rechte Winkel mit markantem Solarturm

Das Projekt

Am Anfang stand eine Panne. Im Jahr 1997 hatten der Musiker Tobias Morgenstern und der Schauspieler Thomas Rühmann einen szenischen Abend nach Edna Annie Proulx’ 600-Seiten-Roman Das grüne Akkordeon erarbeitet. Doch der Verlag verweigerte die Aufführungsrechte. Um das Stück wenigstens einmal aufzuführen, luden die beiden Akteure am 31. Januar 1998 Freunde und Bekannte zum privaten Vorspiel in Morgensterns Wochenendhaus in Zollbrücke im Oderbruch. Im Wohnzimmer (ca. 4 × 10 Meter groß) befand sich ein Portal – wie geschaffen zur Trennung von Bühnen- und Zuschauerraum. Der Abend vor 32 Zuschauern wurde ein Erfolg. Nach der Vorstellung legte jeder Besucher Geld in eine Schale.[1]

Kamen anfangs vor allem Freunde, Bekannte und Kollegen, erweiterte sich das Publikum bald. Anwohner aus der Umgebung, Berliner und weitgereiste Gäste kamen einzeln und in Bussen, um die Künstler in der einzigartigen Spielstätte zu erleben. Inzwischen kommen etwa 28.000 Zuschauer pro Jahr.

Der Bezahlmodus hat sich erhalten. Im Theater am Rand gibt es traditionell keine Tickets, es gilt „Eintritt bei Austritt“: Am Ausgang werden die Gäste aufgefordert, zu geben, was ihnen die erlebte Vorstellung wert ist.

Die Spielstätten

Nach dem Beginn im hundertjährigen Fachwerkhaus reichte der Platz bald nicht mehr und man wich auf die grüne Wiese aus. Ein neues Haus mit überdachtem Bühnenraum wurde errichtet. Die grüne Wiese verwandelte sich in eine Freilichtbühne mit amphitheaterähnlichen Publikumsrängen.

Tobias Morgenstern (links) und Thomas Rühmann 1998 vor dem Fachwerkhaus, in dem anfangs gespielt wurde

Das Theater wuchs mit seiner Akzeptanz. Wurde eine akzeptable Zuschauerzahl erreicht, dachte man über Veränderungen nach. Seit 2008 wird in Holzbau ohne rechte Winkel mit Solarturm gespielt. Es gibt 160–180 Plätze, die meisten auf schlichten Holzbänken.

Direkt neben dem Theater steht die „Randwirtschaft“, Deutschlands selbst erklärte einzige bio-zertifizierte Theatergastronomie. Holz und Lehm bestimmen das Ambiente, serviert werden Köstlichkeiten aus dem Umland.[2]

Für die Autos der Gäste legte die Gemeinde einen neuen Parkplatz an.

Repertoire

Von April bis Dezember gibt es jeweils am Wochenende Vorstellungen – ohne Sommerpause. Auf dem Spielplan stehen etwa zu gleichen Anteilen Bühnenstücke, Lesungen und Konzerte. Kernrepertoire sind um die 20 Eigenproduktionen, meist Stücke nach literarischen Vorlagen, sparsam umgesetzt ohne viele Requisiten. Die aktuellsten Produktionen sind „Der Schneesturm“ nach Vladimir Sorokin, „Liebe in Zeiten des Hasses“ nach Florian Illies und „Als Tom Waits bei Chuck Berry auf dem Sofa lag“, alle von und mit Thomas Rühmann. Dazu gibt es Gastspiele von Schauspielprojekten und Konzerte, vor allem Jazz, Swing und Liedermacher.

Regelmäßig gastieren bekannte Musiker aus dem In- und Ausland, darunter Pascal von Wroblewsky, Hans-Eckardt Wenzel, Günther Fischer, Uschi Brüning, Uwe Kropinski. Die Theatergründer treten jeweils mit einer Reihe eigener musikalischer Projekte in verschiedenen Formationen auf. Tobias Morgenstern beispielsweise mit „Drei plus vier: L’art de passage-Trio und Streichquartett“, „Morgenstern von Ipanema“, „Lilly Passion“ und Meditativen Improvisationskonzerten. Thomas Rühmann mit „Lebenslieder – ein Solo“, „Thomas Rühmann & Band“ und „Sugar Man – die unglaubliche Geschichte des Sixto Rodriguez“.

Jedes Jahr gibt es das Festival Liederlauschen am Rand, ein Internationales Akkordeonfestival und das OderKurz-Filmspektakel. Seit 2022 läuft die Reihe „Freies Wort – Freie Musik“, ein künstlerisch-politisches Forum von Tobias Morgenstern und Gabriele Gillen, in der Zeitfragen diskutiert werden und innovative Musik gespielt wird.

Produktionen (Auswahl)

  • Als Tom Waits bei Chuck Berry auf dem Sofa lag
  • Auflaufend Wasser
  • Liebe in Zeiten des Hasses
  • Der Schneesturm
  • Der Wal und das Ende der Welt
  • Das heißbegehrte Haus (Operette)
  • Die Entdeckung der Langsamkeit
  • Mitten in Amerika
  • Dshamilja
  • Siddhartha

Bislang sind z. B. folgende Produktionen des Theaters auf CD erschienen: „Die Weihnachtsrevue“ (2007), das „Liederfest“ (2009), welches eines der Höhepunkte zum 10. Jubiläum war, „Troubadoure am Rand“ (2013 – 15 Jahre Theater am Rand) oder „Musik zu Film und Theater“ von Tobias Morgenstern (2017).[3]

Das Theater heute

Personal[4]:

  • Künstlerische Leitung: Tobias Morgenstern und Thomas Rühmann
  • Geschäftsführung: Almut Undisz
  • Weitere 14 Mitarbeiter im Büro, an der Technik und Theatergärtnerinnen

Plätze:

  • je nach Bühnengröße 160–180

Bedeutung

Die kleine, unkonventionelle Spielstätte ist in der Region und auch überregional bekannt.[5] Das Theater bereichert nicht nur die kreative Vielfalt im Oderbruch, sondern erweitert nach der Wende und deutschen Wiedervereinigung auch den kulturellen, geistigen und geografischen Horizont von Anwohnern und Gästen. Es wurde zur festen Adresse in der künstlerischen Landschaft Brandenburgs.

Websites

Einzelnachweise

  1. Tom Mustroph 2003, abgerufen 9. Januar 2022
  2. TaR online Randwirtschaft, abgerufen 9. Januar 2022
  3. Buschfunk 2017, abgerufen 9. Januar 2022
  4. TaR Menschen, abgerufen 9. Januar 2022
  5. RBB online, abgerufen 9. Januar 2022

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Thomas Rühmann und Tobias Morgenstern 1998 vor dem Fachwerkhaus, in dem anfangs gespielt wurde
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Das Theater am Rand, ein Bau ohne rechte Winkel mit Solarturm, Foto: Uwe Wolf