Tetrazol

Strukturformel
Strukturformel von 1H-Tetrazol
Strukturformel des Tautomers 1H-Tetrazol
Allgemeines
NameTetrazol
Andere Namen
  • 1H-Tetrazol
  • 2H-Tetrazol
  • 5H-Tetrazol
SummenformelCH2N4
Kurzbeschreibung

farblose, sublimierbare Blättchen (1H-Tetrazol) [1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer288-94-8 (1H-Tetrazol)
EG-Nummer206-023-4
ECHA-InfoCard100.005.477
PubChem67519
WikidataQ58826308
Eigenschaften
Molare Masse70,06 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,406 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

157 °C (1H-Tetrazol) [3]

pKS-Wert

4,89[4]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[5]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Tetrazol ist eine heterocyclische chemische Verbindung, für die drei isomere Strukturen formuliert werden können.

Tautomerie

Je nach Lage der Doppelbindungen unterscheidet man die isomeren Strukturen 1H-, 2H- und 5H-Tetrazol. 1H- und 2H-Tetrazol bilden ein Tautomeriegleichgewicht, das im kristallinen Feststoff auf der Seite des 1H-Tetrazols liegt.[6][7][8] In der Gasphase dominiert das 2H-Tautomer.[7][9][10] Sowohl das 1H-Tetrazol (links) als auch das 2H-Tetrazol (Mitte) können als 6π-Heteroaromaten aufgefasst werden:

Tautomerie der 1H-Tetrazole und 2H-Tetrazole im Vergleich mit 5H-Tetrazol
Tautomerie der 1H-Tetrazole und 2H-Tetrazole im Vergleich mit 5H-Tetrazol
5H-Tetrazol (ganz rechts) ist eine nichtaromatische Struktur.

Darstellung

1H-Tetrazol entsteht durch Reaktion von Blausäure mit Stickstoffwasserstoffsäure.[1] Bei dieser Reaktion handelt es sich um eine 1,3-dipolare Cycloaddition. Die Verbindung kann auch durch die Deaminierung von kommerziell erhältlichem 5-Aminotetrazol, welches leicht aus Aminoguanidin hergestellt werden kann, gewonnen werden.[11][12]

Darstellung

Eine weitere Synthese gelingt durch die Umsetzung von Natriumazid, Ammoniumchlorid und Triethylorthoformiat in Eisessig.[13]

Eigenschaften

1H-Tetrazol ist ein kristalliner Feststoff, der in zwei polymorphen Formen auftritt. Die beiden Kristallformen stehen enantiotrop zueinander. Unterhalb der Umwandlungstemperatur von −31 °C liegt die Form II vor. Oberhalb der Umwandlungstemperatur ist die Form I die thermodynamisch stabile Kristallform. Diese zeigt einen Schmelzpunkt bei 157 °C.[3] Die Schmelzenthalpie beträgt 18,4 kJ·mol−1[14], die Umwandlungsenthalpie am Fest-fest-Phasenübergang 14,0 J·mol−1.[3] Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach August entsprechend ln(P) = −A/T+B (P in Pa, T in K) mit A = 10560 ±168 und B = 31,148 ±0,458 im Temperaturbereich von 333 K bis 404 K.[3] Aus der Dampfdruckfunktion lässt sich eine molare Sublimationsenthalpie von 87,8 kJ·mol−1 ableiten.[3] Die Verbindung ist mit einer Standardbildungsenthalpie von ΔfHsolid = 236 kJ·mol−1 bzw. ΔfHgas = 320 kJ·mol−1 stark endotherm.[15][16] Die Standardverbrennungsenthalpie ΔcHsolid beträgt −915,5 kJ·mol−1.[15][16] Die wässrige Lösung von 1H-Tetrazol reagiert schwach sauer und hat etwa die gleiche Acidität wie Essigsäure.[1][4] Es konnten eine Reihe von Salzen wie das Lithium–, Natrium–, Kalium–, Rubidium–, Cäsium–, Strontium–, Ammonium- und Hydraziniumsalz hergestellt und charakterisiert werden.[13] Mit einer Schlagenergie <4 J ist die Verbindung extrem schlagempfindlich. Gegenüber Reibung wurde bis 360 N keine Empfindlichkeit festgestellt.[13]

Bedeutung

Von den Derivaten des 1H-Tetrazols haben Tetrazoliumsalze besondere Bedeutung in der Biochemie. Die Bedeutung der Tetrazole in der Pharmazie liegt in der Bioisosterie zur Carboxygruppe. In 5-Position substituierte 1H-Tetrazole haben ähnliche physikalische Eigenschaften wie ihre Carboxy-Analoga, zeigen aber eine höhere Stabilität gegenüber der Metabolisierung. Bekannte Pharmazeutika sind zum Beispiel das Losartan oder auch das Pentamethylentetrazol oder auch Pentetrazol, ein Analeptikum.

Sicherheit

1H-Tetrazol ist von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) im Sinne des Sprengstoffgesetzes als explosionsgefährlicher Stoff in der Stoffgruppe A eingestuft.[17]

Commons: Tetrazol – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. a b c d e Brockhaus ABC Chemie, VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig 1965, S. 1391.
  2. W. C. McCrone, D. Grabar, E. Lieber: Crystallographic Data. 42. Tetrazole in Anal. Chem. 23 (1951) 543, doi:10.1021/ac60051a052.
  3. a b c d e G. J. Kabo, A. A. Kozyro, A. P. Krasulin, V. M. Sevruk, L. S. Ivashkevich: Thermodynamic properties and tautomerism of tetrazole in J. Chem. Thermodyn. 25 (1993) 485–493, doi:10.1006/jcht.1993.1156.
  4. a b E. Lieber, S.H. Patinkin, H.H. Tao: The Comparative Acidic Properties of Some 5-Substituted Tetrazoles in J. Am. Chem. Soc. 73 (1951) 1792–1795, doi:10.1021/ja01148a111.
  5. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  6. Goddard, R.; Heinemann, O.; Krüger, C.: α–1H–1,2,3,4–Tetrazole in Acta Cryst. C 53 (1997) 590–592, doi:10.1107/S0108270197000772.
  7. a b Kiselev, V.G.; Cheblakov, P.B.; Gritsan, N.P.: Tautomerism and Thermal Decomposition of Tetrazole: High-Level ab Initio Study in J. Phys. Chem. A 115 (2011) 1743–1753, doi:10.1021/jp112374t.
  8. van der Putten, N.; Heijdenrijk, D.; Schenk, H.: in Cryst. Struct. Comm. 1974, 321.
  9. Wong, M.W.; Leung-Toung, R.; Wentrup, C.: Tautomeric Equilibrium and Hydrogen Shifts of Tetrazole in the Gas Phase and in Solution in J. Am. Chem. Soc. 115 (1993) 2465–2472.
  10. Razynska, A.; Tempczyk, A.; Malinski, E.; Szafranek, J.; Grzonka, Z.; Hermann, P.: in J. Chem. Soc. Perkin Trans. 2 1983, 379.
  11. R.A. Henry, W.G. Finnegan: An Improved Procedure for the Deamination of 5-Aminotetrazole in J. Am. Chem. Soc. 76 (1954) 290–291, doi:10.1021/ja01630a086.
  12. F. Kurzer, L.E.A. Godfrey: Synthesen heterocyclischer Verbindungen aus Aminoguanidin in Angew. Chem. 75 (1963) 1157–1175, doi:10.1002/ange.19630752303.
  13. a b c Klapötke, T.M.; Stein, M.; Stierstorfer, J.: Salts of 1H-Tetrazole – Synthesis, Characterization and Properties in Z. Anorg. Allg. Chem. 634 (2008) 1711–1723, doi:10.1002/zaac.200800139.
  14. F.R. Hilgeman, F.Y.N. Mouroux, D. Mok, M.K. Holan: Phase Diagrams of Binary Solid Azole Systems in J. Chem. Eng. Data 34 (1989) 220–222, doi:10.1021/je00056a022.
  15. a b A.A. Balepin, V.P. Lebedev, E.A. Miroshnichenko, G.I. Koldobskii, V.A. Ostovskii, B.P. Larionov, B.V. Gidaspov, Yu.A. Lebedev: Energy effects in polyphenylenes and phenyltetrazoles in Svoistva Veshchestv Str. Mol., 1977, 93–98.
  16. a b W.S. McEwan, W.S., M.W. Rigg: The heats of combustion of compounds containing the tetrazole ring in J. Am. Chem. Soc. 73 (1951) 4725–4727, doi:10.1021/ja01154a072.
  17. Bekanntmachung der gemäß § 2 SprengG von der BAM seit 1987 neu getroffenen Feststellungen – Feststellungsbescheid Nr. 301 vom 31. März 1994 pdf-Link.

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Tautomerie der 1H-Tetrazole und 2-H-Tetrazole Vergleich mit 5-H-Tetrazol