Teletherapie

Die Bedeutung des Begriffs Teletherapie (von tele „fern“) hat sich im Laufe der Zeit gewandelt.

Unter Teletherapie versteht[1] man zum einen eine Form der Radiotherapie (deutsch: Strahlentherapie) mit Photonen, Elektronen, Kohlenstoffionen oder Protonen, bei der im Gegensatz zur Brachytherapie die Strahlung aus einem bestimmten Abstand („aus der Ferne“) auf den Patienten einwirkt, dieser also von außen bestrahlt wird. Hierzu stehende verschiedene Techniken (unter Verwendung eines Linearbeschleunigers bzw. Cyberknifes oder eines Zyklotrons bzw. Synchrotrons) zur Verfügung: die intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT), die volumetrisch modulierte Arc-Therapie (VMAT) und die stereotaktische Körperradiotherapie (SBRT), die PBT (proton beam therapy) und IMPT (intensity modulated proton therapy) sowie die zweidimensionale Radiotherapie (2D-RT).[2]

Zum anderen bezeichnet man etwa seit dem Jahr 2000 mit Teletherapie die in diesem Artikel behandelte Therapieart, bei dem supervidierte Therapie mittels Bildtelefon (mithilfe von Videokamera, Mikrofon, PC und Datenfernübertragung) statt in einer persönlichen Begegnung Arzt/Patient durchgeführt wird. Die Methode hat sich wegen der Ansteckungsgefahr im Zuge der Covid-19-Pandemie etabliert.

Teletherapie in diesem Sinne ist eine Kombination aus fernübertragenen Angesicht-zu-Angesicht-Sitzungen mit einem Anteil von supervidierten Sitzungen. Der Begriff setzt sich zusammen aus den Wörtern Telematik und Therapie.

Allgemeines

Teletherapie ist ein Anwendungsgebiet der Telemedizin. Mit der Teletherapie wird die Erbringung von Therapieleistung mittels sogenannter neuer Medien verstanden, ohne dabei auf die direkte Mitarbeit der Therapiefachkraft zu verzichten.

Teletherapie gibt es offline und online (z. B. Videobehandlung). Aufgrund des Ausbruchs von SARS-CoV-2 (Corona) wurden im März 2020 Empfehlungen für den Heilmittelbereich ausgegeben, um das Ansteckungsrisiko bei Arztsprechstunden zu verringern. Demnach sind grundsätzlich Videosprechstunden möglich in den Bereichen:
Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie, Schlucktherapie (ausschließlich bei Störungen des oralen Schluckakts), Ergotherapie, Physiotherapie (in drei vorgegebenen Positionsnummern) und der Ernährungstherapie.

Diese Verfahrensregelung gilt zunächst für alle Behandlungen, die bis einschließlich 30. Juni 2020 durchgeführt werden; sie stellt kein Präjudiz für die Zeit danach dar. Psychotherapeutische Videositzungen und Telefonsprechstunden wurden separat geregelt.

Kernelement der Teletherapie ist die fachliche und persönliche Beratung. Der Therapeut steuert als zentraler Ansprechpartner den Behandlungsverlauf und vermittelt die Therapieübungen an den Patienten. Die Behandlung mittels Teletherapie ist keine Software zur Eigentherapie durch den Patienten selbst, der Patient kann nur in dem vom Therapeuten vorgegebenen Rahmen trainieren, wobei jedoch Software zur Kommunikation und Unterstützung eingesetzt werden kann.

Die Leistungen sollten auf diversen Endgeräten erbracht werden können, hierbei sollten jedoch immer die Vorgaben zur Barrierefreiheit erfüllen sein (z. B. barrierefreie Gestaltung von Schaltflächen, Buttons und Menüs, Navigationen, Audio-, Multimedia- und Videodateien sowie Funktionen, Schrift und Sprache).

Teletherapie erfolgt in Deutschland ausschließlich durch einen zugelassenen Leistungserbringer aus den Heilberufen. Das Übungsprogramm und die Ergebnisse werden mittels Telematik übertragen. Somit ist eine räumliche Trennung von Therapeut und Patient möglich. Sie dient auch der Intensivierung einer bereits etablierten Therapie bzw. der Ergänzung von Sprechstunden mit persönlichem Erscheinen.[3]

Mit der Teletherapie kann in der Neurologie, Orthopädie und Kardiologie für den Patienten eine schnellere Hilfe erreicht werden. Ziel ist es, dem Patienten eine schnellere Reintegration ins Berufs- und Privatleben zu ermöglichen.[4]

Die asynchrone Teletherapie (Therapeut kommuniziert nicht direkt mit dem Patienten, sondern nur zeitnah) spart dem Therapeuten Zeit. Er kann dem Patienten zum Beispiel Rehabilitationsmaßnahmen verordnen, ohne selbst anwesend zu sein. So kann er mehr Patienten betreuen und sich Problemfällen intensiver widmen.[5]

Der neu zugelassenen Teletherapie ging eine kontroverse Debatte voraus, in welcher der Einfluss des Gesetzgebers sowie die Auswirkungen auf die Medizinprodukteindustrie diskutiert wurden. Das deutsche Gesundheitswesen ist durch Kostenanstieg gekennzeichnet, die Teletherapie könnte kostensenkend wirken.[6]

Behandlungsbereiche

Voraussetzungen für Teletherapie

  • Die Teletherapie darf keine Softwarelösung sein, die den Patienten sich selber überlässt
  • Leistungen der Teletherapie dürfen nur nach Vorgabe eines zugelassenen Leistungserbringers aus den Heilberufen durchgeführt werden
  • Der Therapeut muss die Kontrolle der Therapie behalten, damit er zu jeder Zeit während der Therapie an den „richtigen Rädern“ drehen kann
  • Die Teletherapie muss eine individuelle Therapie jedes einzelnen Patienten zulassen
  • Die Übungsausführung durch den Patienten darf weder orts-, noch zeitgebunden sein
  • Die Durchführung der Übungen an einem modernen Medium muss für Patienten leicht und verständlich sein
  • Verwendete Medien sollten keine gesonderten Kenntnisse zur Anwendung voraussetzen[7]

Vorteile der Teletherapie

  • Bringt Therapie in das persönliche Umfeld des Patienten
  • Steigerung der Trainingsfrequenz
  • Zeitliche Unabhängigkeit der Trainingsphasen vom Terminplan des Therapeuten, durch asynchrone Supervision
  • Sicherung erarbeiteter Reha-Erfolge
  • Möglichkeit der Integration der häuslichen Übungen in den Alltag
  • Begleitung durch den vertrauten Therapeuten beim Wiedereintritt in die Alltagsrealität
  • Kostengünstige Auslagerung von Routineanteilen in der Therapie
  • Unterstützung bei Fachkräftemangel
  • Möglichkeiten des weiteren Monitorings bei Risikopatienten
  • Möglichkeiten des Case-Managements auch über Kostenträgerzuständigkeiten hinweg
  • „Rehabilitation der Person“[8]

Regelversorgung

Das erste zugelassene Behandlungsverfahren in der Regelversorgung ist seit dem 8. Juli 2013 die EvoCare-Teletherapie.[9][10] Diese wurde von Achim Hein bereits im Jahr 2002 zum Patent angemeldet, er gilt als Erfinder der Teletherapie, einem Therapiesystem sowie Therapieverfahren.[11][7] Derzeit wird das zugelassene Versorgungsverfahren in der Nachsorge der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd angewendet.

Diese Zulassung wurde nach Veröffentlichung der DRV eigenen Studie,[12] zur Untersuchung der Wirksamkeit, ausgestellt. Der Kostenträger der Deutschen Rentenversicherung Rheinland hat diese Teletherapie-Form für Ihre Versicherten in der Aggertalklinik übernommen.[13] Die Wirtschaftlichkeit wurde in einer Machbarkeitsstudie der Aggertalklinik, Rehabilitationsklinik für orthopädische Erkrankungen der DRV Rheinland, evaluiert.[14] Bezüglich Wirtschaftlichkeit kommt die Studie zu folgendem Ergebnis: "Kosten und Erlöse wurden in eine Deckungsbeitragsrechnung überführt. [...] Beide weisen ein positives Gesamtergebnis für die Klinik auf."[15] 2017 wurde das Behandlungsverfahren EvoCare mit einer teletherapeutischen Anwendungen als TeleNachsorge nach einer ganztägigen Reha-Maßnahme bundesweit für Versicherte der Deutschen Rentenversicherung als unimodales Behandlungsangebot in der Indikation Orthopädie möglich.[16] Das neue digitale Therapieangebot gibt Versicherten, mit Befunden am Haltungs- und Bewegungsapparat, die Möglichkeit gymnastische Übungen (zu Muskelaufbau, Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination) mit einer individuellen Betreuung aus einer Reha-Klinik auch zuhause fortzuführen.[17] Für eine multimodale Tele-Nachsorge (in Anlehnung an IRENA) oder in anderen Indikationen kann ein modellhafter Einsatz von EvoCare in von der Deutschen Rentenversicherung zugelassenen Reha-Einrichtungen erfolgen, diese sind Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems, neurologische Krankheiten, Stoffwechselkrankheiten sowie bei psychischen und psychosomatischen Störungen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Für die Teletherapie existieren zugelassene Abrechnungsstrukturen, die von Datenschützern unterschiedlicher Institutionen erfolgreich geprüft wurden.[18]

Siehe auch

Literatur

  • Eckart Rupp, Simone Sünderhauf, Jürgen Tesak: Teletherapie in der Behandlung von Aphasie. Aphasie und verwandte Gebiete 2/2008.[19]
  • Uwe Eisermann, Ingo Haase, Bernd Kladny: Computer-Aided Multimedia Training in Orthopedic Rehabilitation. In: American Journal of Physical Medicine & Rehabilitation. Band 83, Nr. 9, September 2004, ISSN 0894-9115, S. 670–680, doi:10.1097/01.PHM.0000137307.44173.5D (lww.com).
  • D. Kraft: Telematik im Gesundheitswesen. DuD-Fachbeiträge. Deutscher Universitäts-Verlag. 2003, ISBN 3-8244-2166-6.
  • M. Schellenberger, M. Dittrich, G. Eichner, B. Kleist, W. Schupp, W. F. Beyer: Untersuchung der Wirksamkeit der Nachsorgekonzepte IRENA und EvoCare-Teletherapie bei Patienten mit Erkrankungen des Bewegungsapparates in Bezug auf körperliche Parameter. In: DRV-Schriften. Band 103, 2014, S. 268–271 (deutsche-rentenversicherung.de [PDF]).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bundesamt für Strahlenschutz: Teletherapie. 25. Juni 2019, abgerufen am 13. April 2020.
  2. Arne Grün, Thomas Kuhnt u. a. : Re-Bestrahlung bei lokal rezidivierten Kopf-Hals-Tumoren und beim Prostatakarzinom. In: Deutsches Ärzteblatt. Band 117, Heft 10, 6. März 2020, S. 167–174, hier: S. 169.
  3. Teletherapie in der Behandlung von Aphasie
  4. Berliner Schlaganfall Allianz, Glossar, Abruf Internet 28. Oktober 2015 Evocare-Teletherapie
  5. Fachtagung „Qualitätsmanagement und TeleTherapie“, 19. Februar 2002, Bernd Kladny, Chefarzt Orthopädie, m&i-Fachklinik Computergestütztes multimediales Training in der orthopädischen Rehabilitation
  6. M. Johanni, D. Tietze, R. Setz, A. Hein: EvoCare: a new standard in tele-therapy. In: Studies in health technology and informatics. Band 108, 2004, S. 228–234, PMID 15718651.
  7. a b R. Kohnen, M. Schellenberger: Teletherapie – Zukunftsweisende Therapie auf dem Vormarsch. (PDF)
  8. Möglichkeiten und Grenzen telemedizinischer Behandlungsangebote bei kognitiven und kommunikativen Störungen. Abgerufen am 20. Mai 2019.
  9. Erste Zulassung für TeleTherapie von der Deutschen Rentenversicherung – anfangs regional begrenzt auf Bayern Süd, 8. Juli 2013, Internetabruf: 12. Oktober 2021
  10. Patienten profitieren von Tele-Reha. In: Deutsches Ärzteblatt. Heft 1/2014.
  11. Deutsches Patent- und Markenamt, Abruf Internet 22. November 2015 Patent, Aktenzeichen 102 47 440.0, Bezeichnung „Therapiesystem sowie Therapieverfahren“
  12. Untersuchung der Wirksamkeit der Nachsorgekonzepte IRENA und EvoCare-Teletherapie bei Patienten mit Erkrankungen des Bewegungsapparates in Bezug auf körperliche Parameter. In: DRV-Schriften. Band 103, 2014, S. 268–271. (online)
  13. EvoCare Telemedizin als teletherapeutische Nachsorge der Aggertalklinik, Engelskirchen, 19. August 2014, Internetabruf: 20. Mai 2019
  14. Tele-Behandlung: Wirtschaftlichkeit belegt und veröffentlicht, 23. November 2016, E-HEALTH-COM, Internetabruf: 28. Juni 2018
  15. Auszug Machbarkeitsstudie zur EvoCare®-Teletherapie als Nachsorgeangebot der Aggertalklinik, Rehabilitationsklinik der DRV Rheinland. In: STUDIEN UND PUBLIKATIONEN EvoCare®-Behandlung. Abgerufen am 12. Oktober 2021
  16. Deutschen Rentenversicherung Bund, bundesweite Anerkennung, Vergütungssätze für EvoCare, 11. Oktober 2017
  17. Neues Therapieangebot für Patienten nach der Reha!, 26. Oktober 2017, E-HEALTH-COM, Internetabruf: 28. Juni 2018
  18. Wilfried Berg: Telemedizin und Datenschutz. In: Medizinrecht. Springer, Heft 8/2004.
  19. Teletherapie in der Behandlung von Aphasie.(PDF)[1]