Technik im Römischen Reich

Der Aquädukt Pont du Gard in Südfrankreich (um 19 n. Chr.) ist eines der Meisterwerke vorindustrieller römischer Technik

Die Technik im Römischen Reich erreichte den Höhepunkt ihrer Entwicklung zwischen dem Beginn der römischen Bürgerkriege um 100 v. Chr. und der Herrschaft Trajans (98 bis 117 n. Chr.).

Allgemeines

Die Römische Kultur breitete sich durch Schaffung effizienter Verwaltungsstrukturen, eine einheitliche Rechtsordnung sowie das Können römischer Ingenieure und Techniker in weiten Gebieten Europas und dem Mittelmeerraum aus.

Wenngleich es in der römischen Periode keine epochale Neuerungen auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Technologie, der Metallverarbeitung sowie der Herstellung von Keramik und Textilien gab (diese waren während der Jungsteinzeit und Bronzezeit von frühen Zivilisationen im Vorderen Orient und in Ägypten entwickelt worden), so verstanden es die Römer doch, bekannte Techniken weiterzuentwickeln und zu verfeinern. Der griechische Kulturraum des östlichen Mittelmeeres lieferte den römischen Ingenieuren wichtiges mathematisch-naturwissenschaftliches und anderes Grundlagenwissen, mit dem sie die Energiegewinnung, die Agrartechnik, das Bergbauwesen und die Metallverarbeitung, die Herstellung von Glas und Keramik, die Textilproduktion, das Transportwesen, den Schiffbau, die Infrastruktur, das Bauwesen, die Massenfertigung von Gütern, Kommunikation und Handel grundlegend modernisierten.

Wenngleich während der Kaiserzeit auf einigen Gebieten die Voraussetzungen für den Beginn einer industriellen Revolution gegeben waren, verharrte die römische Gesellschaft schließlich auf dem Niveau einer vorindustriellen Gesellschaft: Maschinen wurden kaum entwickelt; Sklaven verrichteten die Arbeit. Die wissenschaftlichen, ökonomischen und sozialen Ursachen für diese von verschiedenen Historikern als Stagnation der antiken Technik beschriebenen Entwicklung sind Gegenstand technisch-historischer Forschung.

Quellenlage

Schriftliche Quellen zur römischen Technikgeschichte sind weitgehend verloren gegangen. Man maß ihnen, anders als anderer Literatur, keine Bedeutung zu. Ausnahmen bilden die technischen Schriften von Autoren wie Vitruv oder Werke naturwissenschaftlich-technischen Inhalts, wie sie von Plinius verfasst wurden. Römische Technik und Verfahren werden daneben auch in historischen und wissenschaftlichen Texten sowie in Werken römischer Dichter beschrieben.[1] Im Gegensatz zur allgemeinen Geschichtswissenschaft sind für die technikwissenschaftliche Forschung erhaltene Geräte, Werkzeuge, Transportmittel und andere archäologische Funde oder bildliche Darstellungen aus der Antike oft bedeutsamer als schriftliche Quellen.[2]

Die Analyse und Rekonstruktion römischer Technik anhand von archäologischen Funden wird erschwert durch die Tatsache, dass neben Stein (etwa für Öl- oder Getreidemühlen), Eisen und Bronze für viele Geräte ausgerechnet ein vergängliches Material wie Holz zum Einsatz kam. Hier muss der Forscher oft auf bildliche Darstellungen oder Beschreibungen aus römischer Zeit zurückgreifen, um unvollständig erhaltenes Material rekonstruieren zu können.

Metallene Werkzeuge und Geräte sind dagegen in größerer Zahl bei Ausgrabungen in römischen Städten oder den villae in ihrer Umgebung entdeckt worden. So können die von römischen Gewerbebetrieben (wie etwa Getreidemühlen, Bronzegießereien und Töpferwerkstätten) verwendeten Verfahren und Geräte oftmals analysiert und im Rahmen der experimentellen Archäologie nachgebildet werden.

Mathematische Grundlagen

Rekonstruktion eines römischen Rechenbretts (Abakus), RGZ-Museum Mainz

Obwohl bereits in römischer Zeit überlegenere Stellenwertsysteme ähnlich unserem heutigen Dezimalsystem bekannt waren, hielten die traditionsbewussten Römer, was die Zahlenschrift betraf, an ihrem einfachen Additionssystem fest, bei dem Zahlen durch das Aneinanderreihen von Zahlzeichen gebildet wurden – im Gegensatz zum gesprochenen Latein, das sich gleich der deutschen Sprache dekadischer Zahlen bediente.

Für praktische Rechenzwecke wie die Grundrechenarten oder jegliche Art von schriftlichen Berechnungen war das römische Zahlensystem jedoch völlig ungeeignet. Man bediente sich deshalb für gewöhnlich eines mechanischen Rechenbretts (lateinisch abacus), bei dem Einer, Zehner, Hunderter und größere Zahlenwerte mittels Rechenspalten dargestellt werden konnten. Somit waren nicht nur Ingenieure und Techniker, sondern auch Kaufleute, Handwerker und Marktverkäufer in der Lage, elementare Berechnungen auf bequeme Weise durchzuführen.

Für alltägliche Berechnungen wie das kaufmännische Rechnen entwickelten die Römer eine handlichere Taschenversion des Abakus aus Bronze, die kleine Rechensteine (lateinisch calculi) enthielt und neben den Grundrechenarten auch Bruchrechnungen erlaubte. Überhaupt war es möglich, jedes beliebige Zahlensystem auf dem Abakus anzuwenden. Die besondere Leistung der Römer bestand in der Normierung der unüberschaubaren Zahl beliebiger Brüche, die in der Geschäftswelt Anwendung finden konnten – die Unze wurde zum Einheitsbruch erhoben.

In der römischen Welt galt für Münzen, Maße und Gewichte somit das ursprünglich in Ägypten und Babylonien verwendete Zwölfer- oder Duodezimalsystem, das sich im gesamten Mittelmeerraum verbreitet hatte und über phönizische Kaufleute und griechische Kolonisten in Süditalien auch nach Rom gelangt war. Neben einer Gewichtseinteilung in Unzen waren für dieses System auch Zwölferbrüche typisch, mit denen das Bruchrechnen vereinfacht werden konnte. Als „Zwischenspeicher“ für die Multiplikation oder Division größerer Zahlenwerte dienten oftmals die gekrümmten Fingerglieder von Sklaven, die für ihre Herren auf diese Weise ein Zwischenergebnis als Erinnerungswert festhielten.

Während Händler, Handwerker und Techniker ihre Berechnungen mit Unzen durchführten, war in einigen Bereichen ein zusätzliches, feineres Maß üblich. So bediente man sich auf dem Gebiet der Feinmechanik und des Rohrbaus des digitus oder Fingers, der 1/16 Fuß entsprach.[3]

Auch auf anderen Gebieten zeigten die Römer vor allem Interesse an einer praktischen Anwendung mathematischer Kenntnisse; so kannten römische Techniker die Näherung für und nutzten sie unter anderem zur Berechnung von Rohrquerschnitten.[4] Römische Feldmesser waren ungeachtet des einfachen Aufbaus ihrer Geräte in der Lage, Winkel, Steigungen und Gefälle zu bestimmen.[5]

Energiequellen

Ochsen treiben ein Schaufelradboot an. Miniatur aus dem 15. Jh. auf der Grundlage von De Rebus Bellicis (4. Jh. n. Chr.)
Rekonstruktion der Wassermühle des Vitruv

Im Römischen Reich waren fünf verschiedene Energiequellen verfügbar: Menschliche Muskelkraft, tierische Muskelkraft, Wasserkraft (seit dem Prinzipat des Augustus), Holz und Holzkohle als Brennstoffe sowie die Windenergie. Letztere wurde lediglich in der Schifffahrt genutzt, an Land spielte sie keine Rolle – vermutlich, weil man die rasch wechselnden Windrichtungen als Hindernis betrachtete. Auch die Dampfkraft wurde – wenngleich theoretisch bereits in der hellenistischen Welt bekannt – nicht für Produktionsprozesse eingesetzt. Der geringe Mechanisierungsgrad der römischen Wirtschaft ließ den Ersatz von Handarbeit durch die Erschließung neuer Energiequellen und den damit verbundenen Einsatz von Maschinen nicht als denkbaren Schritt zur Produktivitätssteigerung erscheinen.

Viele Geräte wurden durch menschliche Muskelkraft angetrieben – die Drehscheibe der Töpfer ebenso wie Kräne der römischen Bauwirtschaft, die schwere Lasten oft mit Hilfe von Treträdern bewegten. Handelsschiffe nutzten zwar mit Segeln den Wind zur Fortbewegung, Kriegsschiffe, die unabhängig vom Wind manövrieren mussten, wurden ebenso wie viele Lastschiffe und Boote von Ruderern angetrieben. Auch der Gütertransport innerhalb der römischen Städte erfolgte meist durch menschliche Träger. Aufgrund der oft engen Gassen waren Sänften das bevorzugte Fortbewegungsmittel der Wohlhabenden.

Wie im gesamten Mittelmeerraum wurde auch im Römischen Reich die Zug- und Tragkraft von Tieren – vor allem Ochsen, Eseln und Maultieren – für landwirtschaftliche und Transportzwecke genutzt. Der Einsatz von Pferden war zunächst auf den militärischen Bereich und das Zirkuswesen beschränkt, doch spielten sie zunehmend eine Rolle im Transportwesen.

Dank verbesserter Getreidemühlen – die sogenannte „Pompeianische Mühle“ nutzte erstmals das Prinzip der Rotationsbewegung – konnten für die mühselige und monotone Arbeit des Kornmahlens statt menschlicher Arbeitskräfte nun Esel und Pferde herangezogen werden. Oftmals setzte man alte und geschwächte Tiere zur Bewegung der Getreidemühlen ein.

Römische Quellen belegen die Nutzung der Wasserkraft für die Wasserförderung mit Schöpfrädern und für Wassermühlen. Vitruv beschreibt von der Strömung eines Flusses angetriebene Schöpfräder[6]. Hierbei handelte es sich um einen einfacheren Mechanismus, bei dem das Antriebsrad zugleich als Schöpfrad diente. Wassermühlen waren aufwändiger konstruiert – um die Drehbewegung auf den Mühlstein übertragen zu können, war ein entsprechender Mechanismus in Form von Zahnrädern erforderlich.

In Rom wurde eine größere Anzahl Wassermühlen am Abhang des Ianiculum am Tiber errichtet und von einem Aquädukt gespeist. In spätrömischer Zeit entstand in der Nähe von Arles ein ähnlicher Komplex mit acht Mühlhäusern an einem steilen Abhang. Auch hier wurde der konstante Wasserzufluss durch einen Aquädukt sichergestellt. Quellen aus der Merowingerzeit lassen den Schluss zu, dass man im spätantiken Gallien Wassermühlen häufig einsetzte. Palladius[7] empfahl Gutsbesitzern den Bau von wasserbetriebenen Mühlen, um Getreide unabhängig von menschlicher oder tierischer Arbeitskraft mahlen zu können.

Nachdem die Mühlen am Ianiculum beim Einfall der Goten im Jahr 537 zerstört worden waren, wurden auf Befehl des Feldherrn Belisar Wassermühlen auf zwei fest vertäuten Schiffen installiert. Die starke Strömung des Tiber schuf ideale Bedingungen für den Einsatz solcher Schiffsmühlen, so dass ihre Zahl rasch vergrößert wurde, um die Versorgung der römischen Bevölkerung sicherzustellen. Diese besondere Form der Wassermühle wurde auch während des Mittelalters häufig genutzt; die letzten Exemplare in Rom wurden erst im 19. Jahrhundert stillgelegt.

Darstellung der wassergetriebenen Sägemühle von Hierapolis. Die im 3. Jh. n. Chr. gebaute Mühle ist die erste bekannte Maschine, die mit einem Mechanismus aus Kurbelwelle und Pleuelstange arbeitete.[8]

Vom Mahlen des Getreides abgesehen, wurde Wasserkraft in der römischen Antike noch zum Sägen von Stein- und Marmorblöcken genutzt. Das mechanische Zersägen von Marmor war mit der üblichen Rotationsbewegung von Wassermühlen nicht möglich; erforderlich war vielmehr eine hin- und hergehende Bewegung. Solch ein Transmissionsmechanismus ist erstmals in der Sägemühle von Hierapolis (spätes 3. Jh. n. Chr.) nachweisbar.[9] Ähnliche Kraftübertragungsmechanismen mit Kurbel und Pleuelstange, freilich ohne Zahnradgetriebe, sind von archäologischen Ausgrabungen zweier Steinsägemühlen des 6. Jh. n. Chr. in Gerasa (Jordanien) und Ephesus (Türkei) bekannt.[10] Ein schriftliches Zeugnis, aus dem der antike Betrieb von wassergetriebenen Marmorsägen in der Nähe von Trier hervorgeht, findet sich in Ausonius' Gedicht Mosella aus dem späten 4. Jh. n. Chr. Eine etwa zur gleichen Zeit verfasste Textstelle im Werk des Heiligen Gregor von Nyssa deutet auf die Existenz von Marmorsägemühlen auch im anatolischen Raum hin, so dass eine weite Verbreitung solcher industriellen Mühlen im Spätrömischen Reich anzunehmen ist.[11]

Als Brennstoffe wurden vorwiegend Holz und Holzkohle verwendet. Vereinzelt wurde auch Kohle genutzt, vor allem in Gegenden, in denen es Flöze nahe der Erdoberfläche gab und der Abbau kaum Probleme bereitete. Auf diesen fossilen Brennstoff griff man jedoch nur bei akutem Holzmangel zurück, da sein Einsatz unter anderem beim Schmelzen von Kupfer zu einer Qualitätsverschlechterung führte.[12]

Neben den privaten Haushalten, die über Holzfeuern kochten, wurden Brennstoffe vor allem von Gewerbebetrieben benötigt, so bei der Verhüttung von Erzen, dem Schmieden von Eisen und bei der Herstellung von Keramik und Glas. Daneben waren die Thermen mit ihren Hypokaustenheizungen seit der Kaiserzeit bedeutende Holznachfrager. Trotz des großen Bedarfes wurde keine nachhaltige Forstwirtschaft betrieben, so dass der Waldbestand in vielen Gegenden stark verringert oder völlig abgeholzt wurde. Im antiken Griechenland gab es aber bereits Landgüter, die sich auf die Produktion von Brennholz spezialisiert hatten.[13]

Beleuchtung

Einfaches römisches Öllämpchen aus Ton mit Öffnungen für den Docht (links) und den Brennstoff Olivenöl

Das Beleuchtungswesen gehört zu den technischen Bereichen, in denen es im Lauf der römischen Geschichte praktisch keine Neuerungen gab. Als Quellen für künstliche Beleuchtung kamen das Herdfeuer, Kienspäne, Pechfackeln und Öllampen, seltener auch Kerzen aus Talg oder Wachs zum Einsatz.[14][15]

Für den Außenbereich kamen vor allem Pechfackeln als sturmfeste Lichtquelle in Betracht. Daneben waren Sturmlaternen bekannt, in denen eine Kerze in einem Hornzylinder entzündet wurde. Die Leuchtkraft der Lampen konnte durch Hochziehen oder Absenken des Zylinders reguliert werden, für das Löschen der Kerze verwendete man Hütchen aus Metall. Unversehrte Sturmlaternen wurden bei Opfern des Vesuvausbruches in Pompeji entdeckt, die dem Inferno zu entkommen versuchten.

Die leuchtstärksten Vorrichtungen in römischer Zeit waren die Leuchttürme, die vor allem in Nähe der wichtigen Seehäfen betrieben wurden. Hier brannte ein Feuer vor einem Hohlspiegel und war – etwa im Fall des Pharos von Alexandria – noch über Dutzende von Kilometern sichtbar.

Schwieriger gestaltete sich die Beleuchtung von Innenräumen. Um die dürftige Lichtstärke der Lampen zu erhöhen, blieb nur die Verwendung einer Vielzahl von Brennstellen – so wurden Steh- oder Hängelampen und Kerzenständer mit mehreren Öllämpchen verwendet. Im Süden des Römischen Reiches war Olivenöl als Brennstoff weit verbreitet und wurde teils auch in die nördlichen Reichsteile eingeführt. Einfache Tonlampen, die als Massenartikel hergestellt wurden, waren für jedermann erschwinglich; daneben sind Lampen aus Bronze gefertigt worden. Die kleinen Tonlämpchen verfügten über eine seitliche Öffnung für den Docht, während Öl über ein Loch im Deckel nachgefüllt werden konnte. Das Öl verbrannte in der Regel rauchfrei und spendete – bei rechtzeitigem Nachfüllen – auch unbegrenzt Licht. Überliefert sind aufwändigere Lampenmodelle mit automatischer Nachfüllvorrichtung.

Nicht so praktisch, weil von kurzer Brenndauer, waren Kerzen, die für gewöhnlich aus gerolltem Stoffgewebe gefertigt und mit Wachs oder Talg getränkt wurden. Als Halter kamen Kandelaber mit Stacheln zum Einsatz, wie sie auch heute noch verwendet werden. Kerzen waren vor allem im Norden verbreitet, wo Olivenbäume als Öllieferant nicht zur Verfügung standen.

Produktion

Agrartechnik

Die antiken Gesellschaften waren ausnahmslos Agrargesellschaften mit einer ganz überwiegend ländlichen Bevölkerung und der Landwirtschaft als wichtigstem Wirtschaftszweig. Der Reichtum der wohlhabenden Römer bestand vor allem aus Landbesitz, mit dem sich hohe Einkommen erzielen ließen. So stammte der größte Teil der Steuereinnahmen des Römischen Reiches aus den ländlichen Regionen.[16]

Ein bedeutender Teil der ländlichen römischen Bevölkerung produzierte vor allem für den eigenen Bedarf. Die kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft Mittelitaliens begann sich erst mit dem Bevölkerungszuwachs und der Entstehung städtischer Zentren zu wandeln. In anderen, dünner besiedelten Regionen ohne ausreichende Transportwege blieb sie von dieser Entwicklung unberührt.

Die Versorgung der größeren Städte – Rom zählte im ersten Jahrhundert bereits 800.000 Einwohner – war nur durch eine Strukturanpassung sicherzustellen, in deren Verlauf stadtnahe oder an Handelswegen gelegene Landgüter die wachsende Nachfrage durch marktorientierte Produktionsformen zu befriedigen begannen. Sehr häufig war dies mit einer Spezialisierung auf bestimmte Agrarerzeugnisse wie Wein oder Olivenöl verbunden (wobei letzteres auch zu Beleuchtungszwecken verwendet wurde). Hier gab es erste Ansätze zur Arbeitsteilung. Während Sklaven die Masse der Landarbeiter stellten, wurde der Spitzenbedarf an Arbeitskräften zu Erntezeiten zusätzlich durch freie Kleinbauern und Tagelöhner gedeckt. Zusätzlich waren umfangreiche Einfuhren aus anderen Teilen des Reiches erforderlich, um Roms Bedarf an Getreide, Öl und Wein zu decken.

Die großen landwirtschaftlichen Güter hatten im Gegensatz zu den Kleinbauern, die für ihre Eigenversorgung an traditionellen Verfahren und Geräten festhielten, prinzipiell Bedarf an Neuerungen auf dem Gebiet der Agrartechnik, wobei in der Praxis neben der Verbesserung bekannter landwirtschaftlicher Geräte durchaus auch neue Technik entwickelt wurde. Dabei schenkten die Landbesitzer technischen Innovationen wenig Beachtung. Oft waren ihre landwirtschaftlichen Kenntnisse vergleichsweise gering, und auch die erhalten gebliebenen Werke römischer Agronomen enthalten kaum Beschreibungen landwirtschaftlicher Geräte oder Anbaumethoden.

Varro und Columella beschränken sich wie ihre griechischen Kollegen auf die Behandlung der Sklaven. Als ausschlaggebend für die Produktivität der landwirtschaftlichen Güter wurde zumeist nicht agrarisches Wissen oder fehlender Einsatz von Technik angesehen, sondern der Einsatz und die Beaufsichtigung der Sklaven. Eine Ausnahme bilden Cato, der in seinem Werk De agricultura den Einsatz technischer Gerätschaften wie Ölpressen und -mühlen auf einem Gut ausführlich beschreibt und selbst den Anschaffungskosten und der Anlieferung der technischen Ausstattung breiten Raum widmet, sowie Plinius mit seiner Naturalis historia, die in ihrem landwirtschaftlichen Teil technische Neuerungen wie den Räderpflug aus Raetien, ein Erntegerät aus Gallien und die Schraubenpresse behandelt.[17]

Darstellung einer gallo-römischen Mähmaschine. Relief in Buzenol, Belgien

Wie ein erhaltenes Relief aus Arlon zeigt, bestand die gallo-römische Mähmaschine (vallus) aus einer zweirädrigen Wagenachse, auf die ein Kasten montiert war. Der untere Rand des muldenförmigen Kastens bildete eine kammartige Zahnung. Zwischen eine lange Deichsel wurde ein Zugtier geschirrt, das die Mähmaschine vor sich herschob. Durch Senken oder Anheben der Deichsel konnte die Höhe des Schneidbretts verändert werden. Getreideähren, die zwischen die Greifzähne gerieten, wurden so abgerissen und in dem Kasten aufgefangen.[18] Dieses vorwiegend in den gallischen Provinzen eingesetzte Gerät erleichterte und beschleunigte die Ernte durch den Einsatz von Ochsen oder Eseln. Nach Palladius war sein Einsatz jedoch auf ebene Felder beschränkt, und das Stroh, das auf den Feldern blieb, musste für den Gutsbetrieb verzichtbar sein.

Nicht geklärt ist bislang der Einfluss der Sklaven auf den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft. Dass das Vorhandensein billiger Arbeitskräfte den Innovationsprozess behindert haben könnte, ist kaum anzunehmen, da zum Beispiel Pressen in ihrer Effizienz verbessert wurden und auch völlig neue Geräte wie der Dreschschlitten oder die Rotationsmühle entwickelt wurden. Möglicherweise sahen die Sklaven aber für sich wenig Vorteile durch den Einsatz verbesserter Technologien und trugen so, obwohl mit den jeweiligen Produktionsprozessen vertraut, kaum zu technischen Neuentwicklungen bei. Sicher ist jedoch, dass die Entwicklung der römischen Agrartechnik eng mit der des Handwerks verbunden war. Pflugscharen und andere Geräteteile, die in der Antike zunächst aus Holz gefertigt worden waren, sind im Römischen Reich stets aus Eisen geschmiedet worden. Lieferanten waren das städtische Gewerbe oder Handwerkssklaven auf den Landgütern.

Bergbau und Metallverarbeitung

In der griechischen und römischen Welt wurden verschiedene Verfahren der Metallgewinnung und -verarbeitung angewendet, um den Bedarf von Militär, Landwirtschaft, Handwerk und Baugewerbe zu decken. Edelmetalle, aber auch Kupfer, waren von zentraler Bedeutung für das Münzwesen der römischen Welt.

Die Römer benutzten eine Vielzahl von Metallgeräten oder -teilen für landwirtschaftliche Zwecke, wie etwa Spaten aus Eisen oder Bronze, Hacken, Sicheln, Sensen und Pflugscharen. Für größere Pressen und die Mühlen zur Gewinnung des Olivenöls wurden Bauteile aus Metall benötigt.

Im Handwerk benutzten Schmiede, Zimmerleute und Maurer metallene Werkzeuge. Bis in die frühe Kaiserzeit wurden für größere Bauvorhaben, die in dieser Zeit vorwiegend mit Natursteinen errichtet wurden, Metallklammern für die Verbindung der einzelnen Steinblöcke verwendet. Das Gesamtgewicht der für das Kolosseum verbauten Klammern wird auf rund 300 t geschätzt. Medizinische Instrumente von höchster Präzision wurden für Ärzte und Chirurgen gefertigt.

Wasserleitungen als zentrale Bestandteile der Infrastruktur römischer Städte erforderten die Produktion großer Mengen an Bleirohren, so dass die Bleigewinnung systematisch vorangetrieben wurde. Dazu kamen unzählige Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Lampen, Metallgefäße, Küchenutensilien, Schlüssel und Ketten.

Las Médulas: Galerie einer römischen Goldmine

Repräsentativen Zwecken dienten große Bleibarren mit einem Gewicht von teilweise mehr als 80 Kilogramm, die seit der Erschließung der Bleivorkommen in der Provinz Britannien gefertigt und mit Inschriften versehen wurden. Hinzu kamen kleinere Plastiken aus Bronze, meist als Votivgaben gefertigt, sowie größere Bronzestatuen für den öffentlichen und privaten Bereich. Die römische Armee benötigte Schwerter aus Eisen sowie Rüstungen mit Helmen, Brustpanzern und Beinschienen aus Bronze. Um eine römische Legion mit Waffen und Rüstungen auszustatten, mussten mehr als dreißig Tonnen Roheisen verarbeitet werden.

Tagebau in Hispanien

Die Bergbaureviere Hispaniens lieferten seit griechischer Zeit vor allem Gold, Silber und Kupfer für den Export. Für den Goldabbau wurden Minen mit Schächten und Galerien angelegt, zusätzlich auch oberirdische Terrassen, auf denen das abgebaute Gestein mit Steinhämmern in Mörsern zerkleinert wurde.

Die einheimische Tradition, abgebaute Erze in eigens dafür angelegten Wasserläufen zu waschen, entwickelten römische Ingenieure zu für antike Verhältnisse geradezu spektakulären Tagebaugruben weiter. Hier ist vor allem Las Médulas zu nennen, wo 300 Millionen Tonnen alluviales Gestein abgebaut wurden, sowie die Minen im Tal des Duero.[19]

Für Bergbauaktivitäten dieser Größenordnung wurden riesige Gruben angelegt, in denen durch Unterminierung mit Wasser gezielte Einstürze hervorgerufen werden konnten. Hügel wurden kurzerhand durchbohrt und durch Wasserkraft abgetragen – ein Verfahren, das die Römer ruina montium nannten. Das benötigte Wasser wurde über ein Leitungsnetz aus großen Entfernungen herangeführt.

Ökologische Aspekte

Nicht nur in Hispanien war der römische Bergbau mit großen Umweltbelastungen und oft unmenschlichen Arbeitsbedingungen verbunden. Meist wurden Sklaven und Verbrecher für den Erzabbau eingesetzt, die in der römischen Kaiserzeit über längere Zeiträume untertage ausharren mussten und hier unter Sauerstoffmangel, Staubentwicklung, der Rauchbildung ihrer Lampen und Grubengasen zu leiden hatten. Entsprechend hoch war die Sterblichkeit der Bergleute. Allerdings ist seit dem Principat unter Augustus auch der Einsatz freier Pächter und Lohnarbeiter belegt, deren Arbeitsbedingungen zum Beispiel in der lex metalli Vipascensis (überliefert aus Hispanien, um 100 n. Chr.) gesetzlich geregelt wurden. So konnten Bergarbeitersiedlungen oft dieselben Annehmlichkeiten wie kleinere römische Siedlungen bieten, etwa ein Bad.

Der gesundheitlichen Gefahren der Bleiverarbeitung war man sich durchaus bewusst. Vitruv erwähnt die blasse Haut der Bleiarbeiter und die giftigen Dämpfe, die beim Gießen von Blei entstehen.

Der römische Bergbau war nicht nur mit erheblichen Eingriffen in das Landschaftsbild verbunden, sondern meist auch so intensiv betrieben worden, dass zumindest die Vorkommen an Edelmetallen im Mittelmeerraum und in Westeuropa bereits in der Antike erschöpft waren. Der immense Bedarf an Holzkohle als Brennstoff für die Erzverhüttung wurde vor allem durch das Holz junger Bäume gedeckt, ohne dass eine nachhaltige Forstwirtschaft betrieben wurde. Die mit der Metallerzeugung verbundene Verringerung des Waldbestandes im Römischen Reich wird auf jährlich mehr als 5000 Hektar geschätzt.[20]

Keramikproduktion

Römische Qualitätskeramik (Terra Sigillata) aus Rheinzabern

Keramikgefäße waren in der Antike weit verbreitet. So wurden Wein und Öl vorwiegend in Amphoren transportiert. Aber auch für die Lagerung von Lebensmitteln kamen überwiegend Behältnisse aus Keramik zum Einsatz. In Griechenland verwendete die Oberschicht Tafelgeschirr aus bemalter Keramik, das erst in der hellenistischen Periode zunehmend von Silberwaren verdrängt wurde. Für die breite Masse war jedoch auch im Römischen Reich nur Keramikgeschirr erschwinglich. Hier war vor allem die Terra Sigillata als hochwertige Keramik begehrt. In der Küche kam Keramik von gröberer Qualität zum Einsatz. Sie wurde meist ohne Verwendung einer Töpferscheibe gefertigt; wichtiger war ihre Hitzebeständigkeit. Einige Werkstätten hatten sich auf die Fertigung von Keramiköllampen spezialisiert.

Für die Errichtung von Töpferwerkstätten waren eine Reihe von Standortfaktoren maßgeblich. Qualitätskeramik wie die römische Terra Sigillata wurde aus bestimmten Tonsorten gefertigt, die nur in wenigen Gegenden zur Verfügung standen. Die bedeutenden Zentren griechischer und römischer Keramikproduktion – Korinth, Athen, Arezzo, La Graufesenque, Lezoux und Rheinzabern – befanden sich deshalb in der Nähe entsprechender Lagerstätten, um die Transportkosten bei der Rohstoffbeschaffung zu minimieren. Auch musste der Brennstoffbedarf möglichst vor Ort gedeckt werden können. Die Nähe zu waldreichen Regionen war von Vorteil, um die Brennholzversorgung zu gewährleisten. Daneben konnten Töpferöfen auch mit Stroh befeuert werden. Ein drittes wichtiges Kriterium war die Nähe der Absatzmärkte, zumindest aber deren Erreichbarkeit mittels guter Verkehrsverbindungen.[21]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Helmuth Schneider: Einführung in die antike Technikgeschichte. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, S. 30–31
  2. Schneider (1992), S. 30
  3. Fritz Kretzschmer: Bilddokumente römischer Technik. Düsseldorf: VDI-Verlag 1983, S. 7
  4. Heinrich Pleticha und Otto Schönberger: Die Römer. Geschichte und Kultur von A–Z. Bindlach 1992: Gondrom, S. 437
  5. Pleticha/Schönberger (1992), S. 437
  6. De architectura10,5,1
  7. (1,41)
  8. Ritti, Grewe, Kessener (2007), S. 161
  9. Ritti, Grewe, Kessener (2007), S. 138–163
  10. Ritti, Grewe, Kessener (2007), S. 149–153
  11. Wilson (2002), S. 16
  12. Schneider (1992), S. 49
  13. Schneider (1992), S. 50
  14. Kretzschmer (1983), S. 46
  15. Pleticha/Schönberger (1992), S. 217
  16. Schneider (1992), S. 52
  17. Plinius: Naturalis historia, Buch 18, 172, 296, 317, vgl. Schneider (1992)
  18. Kretzschmer (1983), S. 52–53
  19. Claude Lepelley (Hrsg.): Rom und das Reich. Die Regionen des Reiches. Hamburg: Nikol 2006, S. 134
  20. J.F. Healy: Problems in Mineralogy and Metallurgy in Pliny the Elder's Natural History. In: Tecnologia, economia e società nel mondo romano. Como 1980, S. 163–201
  21. Schneider (1992), S. 95–96

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Pont du Gard, in Vers-Pont-du-Gard, Gard department, South France. The Pont du Gard is the most famous part of the roman aqueduct which carried water from Uzès to Nîmes until roughly the 9th century when maintenance was abandoned. The monument is 49m high and now 275m long (it was 360m when intact) at its top. It's the highest roman aqueduct, but also one of the best preserved (with the aqueduct of Segovia). The Pont du Gard has been a UNESCO world heritage site since 1985.
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Las Médulas, Province of León, Spain. Roman gold mine. UNESCO World heritage site.
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Rekonstruktion eines römischen Abakus im RGZ-Museum Mainz (1977)
Das Original ist aus Bronze und befindet sich in der Bibliothèque nationale de France (Paris)
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Darstellung der römischen Steinsägemühle von Hierapolis. Die Wassermühle aus dem 3. Jh. n. Chr. gilt als die erste bekannte Maschine mit Kurbelwelle und Pleuel überhaupt.