Taurusrind
Das Taurusrind ist die Weiterzüchtung des Heckrinds durch Einkreuzen von überwiegend südeuropäischen Rassen mit dem Ziel, eine stärkere Ähnlichkeit zum ausgerotteten Auerochsen zu gewährleisten. Das Taurusrind ist damit eine Abbildzüchtung und wird vor allem in Deutschland, Dänemark und Ost-Ungarn gezüchtet und zu Naturschutzzwecken eingesetzt.
Geschichte und Zuchtstandorte
1996 wurde in Nordrhein-Westfalen von der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU) damit begonnen, Heckrinder mit alten und ursprünglichen Rinderrassen zu kreuzen. Der Anstoß hierfür war, dass das Heckrind (das aus einem Abbildzüchtungs-Versuch hervorging) von vielen für zu wenig Auerochsen-ähnlich befunden wird. So wird etwa geschrieben: „Die ‚Rückzüchtungen’ der Gebrüder Heck sind zu klein, zu kurzbeinig, nicht elegant genug, außerdem läßt die Hornform zu wünschen übrig“.[1] Das Zuchtziel ist folglich ein wesentlich größeres, hochbeinigeres Rind mit nach vorne geschwungenen Hörnern zusätzlich zur bereits vorhandenen Wildfarbe.[2][3] Für diese neue Kreuzungszucht wurde der Name Taurusrind gewählt.
Gezüchtet wird das Taurusrind von Standorten der ABU, des Naturschutzbunds Deutschlands (vor allem in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Niedersachsen), in Dänemark und im Hortobágyi-Nationalpark in Ungarn.[4]
Deutschland
In Deutschland werden neben Heckrindern die Rassen Chianina sowie Sayaguesa und Lidia (Spanisches Kampfrind) zur Kreuzungszucht verwendet.[5][6] Der wichtigste Standort in Deutschland ist das Naturschutzgebiet Lippeaue (SO-007), wo die Kreuzungszucht auch ihren Ausgang nahm.
Verschiedenste Kombinationen der vier verwendeten Rassen bestehen bereits und die jüngsten im Jahr 2015 geborenen Tiere entstammen bereits der fünften Generation. In der Lippeaue ist Sayaguesa mit 47 % die in den Kreuzungstieren dominierende Rasse, gefolgt von Heckrind (29 %), Chianina (20 %) und Lidia (4 %).[7]
Taurusrinder werden im Zuchtbuch X des Heckrinderzucht-Vereins VFA angeführt. Mittlerweile zeigen einige Heckrinderzüchter Interesse an diesen Kreuzungsexemplaren, sodass es einen fließenden Übergang zwischen Taurus- und Heckrind gibt.[2]
Für Aufsehen sorgte ein entlaufenes Kampfrind im Jahre 1997, welches sich über sieben Monate frei in Nordrhein-Westfalen bewegte, bis es erschossen wurde.[1]
Hortobágy
Im Hortobágy-Nationalpark gibt es die bislang größte Taurusrind-Herde von etwa 200 Tieren. Dort werden zusätzlich zu Kreuzungstieren aus Deutschland Watussi-Rinder, vormals auch ungarische Steppenrinder und eine Kreuzungskuh mit Holstein-Rind-Einfluss verwendet.[8] Dort wurden zwei Herden gebildet, eine Hauptherde in Pentezug und die andere in Karácsonyfok.[9] Die Studien im Nationalpark haben gezeigt, dass Rinder schlechter an trockenes, karges Grasland bei kalten Temperaturen angepasst sind als Przewalski-Pferde; ohne Zufütterung hätten die Rinder in den ersten Jahren vermutlich nur teilweise überlebt.[5][9] Den Winter 2010/2011 verbrachten die Rinder allerdings bereits ohne Zufütterung.[10]
Aussehen
Taurusrinder sind überwiegend schlanke und hochbeinige Rinder. Es gelang, die Schulterhöhe von lediglich 140 cm Widerristhöhe bei durchschnittlichen Heck-Stieren auf etwa 160–165 cm und ein Gewicht von 1400 kg bei einzelnen Taurusbullen anzuheben, was den Maßen des Auerochsen bereits nahekommt.[2] Die Farbe der Stiere ist meist schwarz mit hellem Aalstrich, ein hellerer Sattel auf dem Rücken kann auftreten. Die Kühe sind oft, jedoch nicht immer, heller als die Bullen und weisen eine überwiegend rotbraune Färbung auf. Gräulich, beige oder schwarz gefärbte Kühe können auftreten. Die Hörner der Taurusrinder sind meist deutlich nach vorne und stärker nach innen als bei üblichen Heckrindern geschwungen. Die exakte Krümmung und auch die Horngröße ist jedoch variabel. Der Schädelbau der Taurusrinder ist länglicher als beim Heckrind und gleicht dadurch dem des Auerochsen eher. Auch haben Taurusrinder zumeist eine athletischere Gestalt und oft eine ausgeprägte Schulter- und Nackenmuskulatur.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b ABU info 06/07: Bunzel-Drüke, Scharf & Vierhaus: Lydias Ende - eine Tragikomödie.
- ↑ a b c Bunzel-Drüke, Finck, Kämmer, Luick, Reisinger, Riecken, Riedl, Scharf & Zimball: "Wilde Weiden: Praxisleitfaden für Ganzjahresbeweidung in Naturschutz und Landschaftsentwicklung.
- ↑ Cis van Vuure: History, Morphology and Ecology of the Aurochs (Bos primigenius). 2002.
- ↑ Waltraut Zimmermann: Przewalskipferde auf dem Weg zur Wiedereinbürgerung – Verschiedene Projekte im Vergleich. 2005.
- ↑ a b Julia Poettinger: Vergleichende Studie zur Haltung und zum Verhalten des Wisents und des Heckrinds. 2011.
- ↑ Margret Bunzel Drüke: En økologisk erstatning for uroksen. 2004.
- ↑ Internationales Zuchtbuch für Heckrinder.
- ↑ Walter Frisch: Der Auerochs - Das europäische Rind. 2010, ISBN 978-3-00-026764-2.
- ↑ a b Waltraut Zimmermann, Lydia Kolter, Istvan Sandor: Naturschutzprojekt Hortobagy – Jahresbericht 2003. Zeitschrift des Kölner Zoo 2004.
- ↑ Waltraut Zimmermann, Lydia Kolter, Istvan Sandor: Naturschutzprojekt Hortobagy – Jahresbericht 2011. Zeitschrift des Kölner Zoo 2012.
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Taurus cattle at Lippeaue nature reserve (SO-007), Germany.
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Taurus cattle at Lippeaue nature reserve (SO-007), Germany.
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Bull Lamarck (50 % Sayaguesa, 25 % Heck, 25 % Chianina) from the Lippeaue, Germany. Part of the stock of the Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz.
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Skull of a Taurus bull, Lippeaue, Germany. Named Latino (50% Sayaguesa, 25% Fighting bull, 25% Heck cattle).
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Taurus cattle at Lippeaue nature reserve (SO-007), Germany.
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Taurus cattle at Lippeaue nature reserve (SO-007), Germany.
Autor/Urheber: Monica from Anghiari (AR), Italy, Lizenz: CC BY 2.0
In Tuscany: razza Chianina, da dove provengono le bellissime bistecche fiorentine.
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Taurus cattle at Lippeaue nature reserve (SO-007), Germany.
Autor/Urheber: Jens Kramer, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Taurusrind im Steinbruch Gerhausen/Beiningen (Beweidungsprojekt „Urzeit-Weide“) innerhalb des Landschaftsschutzgebiets „Blaubeuren“ (LSG 4.25.108), Baden-Württemberg
Im Steinbruch Gerhausen/Beiningen der HeidelbergCement AG, nahe Blaubeuren, leben derzeit 27 urtümliche Taurusrinder (eine Auerochsen-Abbild-Züchtung) und 13 Konikpferde. Die frei lebenden Konikpferde und Taurusrinder sollen die Verbuschung im Steinbruch Gerhausen/Beiningen zurückdrängen und damit den halboffenen Landschaftscharakter erhalten, der für die Artenvielfalt auf dem Gelände so wichtig ist. Für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten sind Steinbrüche heute ein wichtiger Rückzugsort, denn trotz der fortlaufenden Abbautätigkeit unterliegen die meisten Bereiche über längere Zeiträume einer ungestörten natürlichen Entwicklung. Die Urzeit Weide im Steinbruch Gerhausen/Beiningen ist das erste Ganzjahres-Beweidungsprojekt dieser Größenordnung in Baden-Württemberg mit Wildpferden und Wildrindern. Die naturnahe Ganzjahresbeweidung ist ein Naturschutz-Konzept, bei dem der weitgehend vom Menschen ungesteuerte Prozess der Beweidung im Vordergrund steht. Durch Rinder und Pferde geprägte Landschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie diejenigen Tiere und Pflanzen fördern, die viel Licht, Wärme und aufgelockerte Vegetationsstrukturen brauchen. Die Weidetiere sorgen im vielgestaltigen Steinbruchgelände dafür, dass Kleingewässer nicht zuwachsen und Offenlandbiotope sowie die unterschiedlichen Wald-Sukzessionsstadien erhalten werden. Davon profitieren nicht nur die im Steinbruch nachgewiesenen Amphibienarten, sondern auch Vögel sowie eine Fülle von Insekten wie Libellen und Käfer. Der Gesteinsabbau stört die Tiere nicht, da das Gebiet groß genug ist und ausreichend Ausweichmöglichkeiten bietet.
Obwohl die Konikpferde und die Taurusrinder innerhalb ihrer Weideflächen eigenständig leben, sind sie nicht vollständig sich selbst überlassen. Ein Landwirt schaut regelmäßig nach den Tieren, um eventuelle Probleme, wie beispielsweise ernsthafte Verletzungen, zu erkennen und gegebenenfalls eingreifen zu können. In aller Regel suchen die Tiere ihr Futter selbst, denn die Weideflächen sind dafür ausreichend groß. Nur in strengen Wintern wird gelegentlich zugefüttert. So wird verhindert, dass Tiere hungern müssen, wie es unter natürlichen Bedingungen der Fall sein könnte.