Taurus (Marschflugkörper)

Taurus KEPD-350

Allgemeine Angaben
TypMarschflugkörper
HerstellerTaurus Systems GmbH
Entwicklung1998–2004
Indienststellung2005
Stückpreis950.000 €
Technische Daten
Länge5100 mm
Durchmesser1080 mm
Gefechtsgewicht1360 kg
Spannweite2064 mm
AntriebWilliams International P8300-15 Mantelstromtriebwerk
GeschwindigkeitMach 0,6–0,95
Reichweite> 500 km
Ausstattung
LenkungTrägheitsnavigationssystem + GPS + Radar-Altimeter + abbildendes Infrarot (Endphase)
GefechtskopfMephisto 495 kg, davon 113 kg Explosivstoff
WaffenplattformenPanavia Tornado
F-15K
F/A-18 Hornet
Eurofighter
Saab 39 Gripen[1]
Listen zum Thema

Der Taurus ist ein deutscher Luft-Boden-Marschflugkörper. Der Name ist ein Akronym für Target Adaptive Unitary and Dispenser Robotic Ubiquity System. Taurus wurde als Modulare Abstandswaffe (MAW) für verschiedene Nutzlasten und Missionen entwickelt. Der Marschflugkörper ist das deutsch-schwedische Gegenstück zum parallel entwickelten britisch-französischen Storm Shadow/Scalp.

Geschichte

Während des Kalten Krieges wollte die Bundesrepublik ursprünglich die französischen Apache-Marschflugkörper beschaffen, um im Verteidigungsfall Start- und Landebahnen des Warschauer Paktes zerstören zu können. Mit dem Fall der Mauer änderten sich die Prioritäten, die nun auf der Bekämpfung von gepanzerten Punktzielen lagen. Die andauernden Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich über eine Weiterentwicklung der Apache scheiterten letztlich. Die Kürzung der Apache-Bestellungen und das Hinauszögern der Entwicklung einer Punktzielwaffe hätten für die Bundesrepublik eine Kostensteigerung bedeutet, weshalb sie sich aus der Apache-Entwicklung zurückzog.[2] Im Bundeswehrplan 1997 wurde die Entwicklung einer Familie modularer Abstandwaffen (MAW) für den Panavia Tornado ausgewiesen. Geplant war die Beschaffung von insgesamt 1200 Waffen für unterschiedliche Aufgabenstellungen zur Bekämpfung von Bodenzielen. Nach den Bedürfnissen der Luftwaffe sollte die Waffensystemfamilie ein breites Spektrum an Punkt- oder Flächenzielen wirksam bekämpfen können.

Marschflugkörper Taurus KEPD 350 unter einem Eurofighter Typhoon

Zur selben Zeit entwickelten DASA und Bofors den Gleitdispenser DWS-24, der später als DWS-39 bezeichnet wurde, um die Nähe zur Saab 39 zu verdeutlichen. Auf dessen Basis schlugen beide Firmen eine Version mit Turbojet und Einzel- oder Tandemgefechtskopf vor, die als Kinetic Energy Penetrator and Destroyer (KEPD) 350 bezeichnet wurde. 1996 wurden weitere Versionen angeboten, eine leichtere KEPD 150 und eine Version mit Submunitionen MAW PDWS 2000. Am 31. März 1998 verkündete das Bundesministerium der Verteidigung die Finanzierung der Entwicklung sowie den Bau von 28 Prototypen. Dabei sollte eine Version mit Submunition entwickelt werden (Taurus 350A), eine andere mit Penetrationsgefechtskopf (Taurus 350P). Die Waffe sollte auch die Anforderungen der Briten an eine Conventionally Armed Stand Off Missile (CASOM) erfüllen, dabei wurde die Waffe als Taurus beworben.[2] Auch nachdem sich die Briten für die Storm Shadow auf Apache-Basis entschieden, wurde der Name beibehalten und die Entwicklungsfirma Taurus Systems GmbH danach benannt. Diese Firma wurde von der damaligen LFK-Lenkflugkörpersysteme GmbH (seit Mai 2012 MBDA Deutschland GmbH) und Saab Bofors Dynamics AB eigens für die Entwicklung und Herstellung des Taurus KEPD-350 sowie eventueller weiterer Varianten gegründet.[3]

Die Entwicklungsarbeiten verliefen danach recht schnell: Da bereits 1996, zwei Jahre vor Vertragsabschluss, Tragversuche an einem Panavia Tornado der Luftwaffe stattgefunden hatten, konnte der Erstflug des Systems schon am 4. Oktober 1999 im schwedischen Testgebiet Vidsel stattfinden.[3] Im September 2000 wurde das System in mehreren Flügen in Südafrika erprobt, dabei konnte die Funktion der Navigationssysteme unter Beweis gestellt werden. Parallel dazu wurde der Gefechtskopf „Mephisto“ gegen Betonziele getestet. Im August 2002 erteilte das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung der Taurus Systems GmbH den Auftrag zur Serienvorbereitung der Flugkörper. Die Verifikation für die deutsche Luftwaffe wurde von der Wehrtechnischen Dienststelle 61 (WTD 61) durchgeführt und fand im März 2004 in der Overberg Test Range in Südafrika statt. Die neuen Taurus-Versionen wurden auf der Pariser Luftfahrtschau 2005 enthüllt. Die ursprünglichen A- und P-Bezeichnungen werden praktisch nicht mehr verwendet. Die Version mit Submunition MAW PDWS 2000 wurde nicht weiterverfolgt und ist bei der Luftwaffe nicht im Einsatz[4].

2005 bestellte die Bundeswehr 600 Flugkörper zum Gesamtpreis von 570 Millionen Euro. Die Lieferung an die Luftwaffe begann offiziell mit der Übergabe des ersten Flugkörpers an das Jagdbombergeschwader 33 in Büchel im Dezember 2005 und wurde im November 2010 abgeschlossen.[5][6] Die Tragetests mit der Saab 39 Gripen fanden im Mai 2008 statt, im Februar 2009 und Januar 2014 folgten die Tragetests am Eurofighter beim Jagdgeschwader 74.[7] Die Integration in die spanischen McDonnell Douglas F/A-18 wurde im Juni 2009 erfolgreich beendet.

Herstellung

Montiert wurde der Marschflugkörper in Deutschland bei Schrobenhausen (Bayern) in einem Bunker der Taurus Systems GmbH, einer Tochterfirma des Rüstungskonzerns MBDA.[8]

Konzept

Eine TacTom in Begleitung einer Tomcat

Marschflugkörper (engl. cruise missiles) besitzen gegenüber bemannten Fluggeräten Vorteile: Sie müssen die Distanz zum Ziel nur einfach zurücklegen und sind klein, was das Entdecken und Abfangen erschwert. Zusätzlich wird durch das Unterfliegen des Radars die Bekämpfung weiter erschwert. Da Marschflugkörper früher sehr teuer und relativ ungenau waren, wurden sie in der Regel mit Nuklearsprengköpfen bestückt. Die AGM-28 Hound Dog besaß beispielsweise einen Streukreisradius (CEP) von 3,7 km. Dies besserte sich im Laufe der Entwicklung, die ersten BGM-109 Tomahawk-Flugkörper von 1980 hatten beispielsweise einen CEP von 80 m, was immer noch einen nuklearen Sprengkopf erforderte. Erst in den 1990er-Jahren konnte die Technik so weit verbessert werden, dass auch konventionell bestückte Marschflugkörper mit genügend Präzision und vertretbaren Kosten in großen Stückzahlen gebaut werden konnten.

Marschflugkörper werden dabei gegen strategische Einrichtungen des Gegners wie Flugplätze, Gefechtsstände, Industrieanlagen und Häfen eingesetzt. Diese Ziele sind im Kriegsfall zwar stark verteidigt, aber stationär. Um die Einsatzmöglichkeiten zu erweitern, wird versucht, Marschflugkörper auch zur Bekämpfung von mobilen Zielen wie Schiffen oder Panzerverbänden über sehr große Entfernungen einzusetzen. Des Weiteren macht die zunehmende Mobilität der gegnerischen Luftverteidigung, zum Beispiel durch Tor-Systeme (Nato Code: SA-15 Gauntlet), zu schaffen. Während früher spezialisierte Marschflugkörper wie die AGM-136 Tacit Rainbow dagegen entwickelt wurden, werden modernste Flugkörper wie die Tactical Tomahawk mit einer 2-Wege-Satellitenverbindung ausgestattet, um Zielupdates und Kurskorrekturen vornehmen zu können. Der Datenlink ermöglicht es dabei, von der Aufklärung entdeckte Flugabwehrstellungen zu umfliegen, ein mobiles Ziel anzugreifen, auf Alternativziele auszuweichen oder durch das Senden des letzten Sucherbildes später eine Trefferanalyse durchzuführen.

Mit der zunehmenden Verbreitung von Antisatellitenraketen (oder der Fähigkeit, diese zu entwickeln) und leistungsstarken GPS-Störsendern rückt auch die Fähigkeit in den Fokus, über weite Strecken eine präzise Navigation ohne globales Navigationssatellitensystem zu ermöglichen. Dies war nicht nur bei der Taurus, sondern ist auch bei der Long Range Anti-Ship Missile ein Schwerpunkt der Entwicklung.

Technik

Taurus im Transportgestell

Der Taurus ist ein modularer Marschflugkörper, der mit verschiedenen Nutzlasten ausgeliefert werden kann. Die Grundform wurde dabei vom Munitionsdispenser DWS-39 übernommen. Der etwa 5 Meter lange Rumpf besteht dabei aus Aluminiumfeinguss und ist rechteckig aufgebaut. Auf der Oberseite sind zwei ausklappbare Tragflächen angebracht, zur Steuerung befindet sich ein X-Leitwerk am Heck. Die Pitoteinläufe des Triebwerkes sind starr links und rechts des Rumpfes angebracht.

Der vordere Bereich enthält wie bei jedem Marschflugkörper das Navigationssystem, das einen autonomen Tiefflug durch gegnerisches Gebiet ermöglicht. Taurus verfügt laut Bundeswehr über vier voneinander unabhängige Navigationssysteme.[9] Das für den Taurus entwickelte Navigationssystem besteht aus einem GPS-Empfänger, einem Trägheitsnavigationssystem (engl. inertial navigation system, INS), einer Geländereferenznavigation (engl. Terrain Reference Navigation, TRN) und einem bildverarbeitenden Navigationssystem (engl. Image Based Navigation, IBN). Der zwölfkanalige, mit P-Code arbeitende GPS-Empfänger wurde gegen Störversuche abgeschirmt (engl. anti-jamming, AJ) und wird im Regelfall zur Navigation eingesetzt.[10] Wenn dies zu ungenau oder nicht verfügbar ist, stützt sich die Positionsbestimmung auf das Tri-Tec-Navigationssystem. Das Trägheitsnavigationssystem besteht dabei aus Faserkreiseln und wird von Northrop Grumman LITEF gefertigt. Zur Korrektur der Daten misst ein Radarhöhenmesser im Ku-Band das Höhenprofil des überflogenen Gebietes und vergleicht dieses kontinuierlich mit den zuvor eingespeicherten Geländedaten des Soll-Flugpfades, um daraus eine Kurskorrektur zu berechnen.[10] Da die Geländereferenznavigation grundsätzlich nur über ausreichend profiliertem Gelände verwertbare Navigationsdaten liefern kann, verfügt der Taurus mit der bildverarbeitenden Navigation über ein weiteres System zur Navigationsstützung. Für den Flugweg werden dabei zwischen fünf und zehn Navigations-Aufdatpunkte bestimmt, deren vereinfachte Signaturen im Bordcomputer abgespeichert werden. Beim Überfliegen der Aufdatpunkte sucht der Infrarotsuchkopf die zuvor eingespeicherten Strukturen und vermisst deren Lage im Raum. Durch eine Vergleichsrechnung zwischen Soll- und vermessener Position wird dann eine Kurskorrektur errechnet.[3]

Der Infrarotsucher besteht dabei aus einem Focal Plane Array aus Indiumantimonid mit einer Auflösung von 256 × 256 Pixeln.[11] Wenn der Flugkörper im Zielgebiet ankommt, sucht der IR-Suchkopf das Ziel und schaltet es auf. Wenn mehrere Ziele entdeckt und angegriffen werden sollen, vermisst der Sucher ihre Position im Raum, und der Waffenrechner ermittelt dazu den optimalen Zeitpunkt zum Auslösen der Nutzlast.[3] Diese befindet sich in der Mitte des Rumpfes direkt hinter dem Sucher. Der Bediener kann dabei zwischen fünf verschiedenen Angriffsmodi wählen, je nach Ziel und Variante:[10]

  • Pop-Up: Der Flugkörper fliegt dabei im Tiefflug an, geht in den Steigflug über und führt dann einen senkrechten Sturzflug auf das Ziel aus. Wird beispielsweise gegen Bunker eingesetzt.
  • Low Level Pop-Up: Der Flugkörper fliegt im Tiefflug an, geht in den Steigflug über und schlägt schräg von oben im Ziel ein. Wird zum Beispiel gegen Hardened Aircraft Shelter, Brücken oder Schiffe im Hafen eingesetzt.
  • Dive Attack: Der Taurus fliegt das Zielgebiet in großer Höhe an und geht dann in einen schrägen Sturzflug über. Gleiches Zielspektrum wie beim Low Level Pop-Up, aber mehr Durchschlagskraft und weniger Überlebensfähigkeit.
  • Air Burst: Das Zielgebiet wird im Tiefflug angeflogen. Kurz vor dem Ziel geht der Flugkörper auf eine größere Marschflughöhe parallel zum Boden und löst die Nutzlast über dem Ziel aus. Wird gegen Truppenansammlungen eingesetzt.
  • Horizontal „Cave Type“: Der Taurus fliegt das Zielgebiet in geringer Höhe an. Kurz vor dem Ziel geht der Flugkörper in einen extremen Tiefflug flach über dem Boden und schlägt ins Ziel ein. Wird gegen Flugzeugkavernen oder ähnliches eingesetzt.

Als Antrieb kommt ein Mantelstromtriebwerk (Turbofan) P8300-15 von Williams International zum Einsatz. Es entwickelt etwa 6,67 kN Schub in Bodennähe und beschleunigt den Marschflugkörper auf eine Geschwindigkeit von Mach 0,6 bis Mach 0,95. Das Triebwerk entwickelt somit signifikant mehr Schubkraft als das Williams F107-WR-402 der BGM-109 Tomahawk mit 3,1 kN. Das bessere Schub-Gewicht-Verhältnis ermöglicht einen härteren Konturenflug, da engere Kurven und größere Steigwinkel erreicht werden können, was das Abfangen erschwert.[3] Die Treibstofftanks befinden sich auf beiden Seiten der Nutzlast zwischen Sucher und Triebwerk. Um die Überlebensfähigkeit zu verbessern, können optional eine „aktive Selbstverteidigungsfähigkeit“ und ein 2-Wege-Datenlink eingerüstet werden.[12] Durch den 2-Wege-Datenlink können auch bewegliche Ziele wie Schiffe oder Panzerverbände bekämpft werden, außerdem kann auch ein Bild des Zieles übermittelt werden, um später eine Schadenanalyse durchführen zu können (engl. battle damage indication).[13]

Varianten

Die einzige Serienversion ist die Variante KEPD-350. Auf Basis dieses Modells wurde von der Taurus Systems GmbH eine Familie von Marschflugkörpern vorgeschlagen. Die folgenden Versionen wurden auf der Pariser Luftfahrtschau 2005 präsentiert. In einer Präsentation des Herstellers von 2008 wurde zusätzlich zwischen der Version „M“ und „MP“ unterschieden.

Taurus KEPD-350

Die Laserentfernungsmesser über dem Infrarotsucher

Die Taurus KEPD-350 „Kinetic Energy Penetrator and Destroyer“ trägt den Gefechtskopf MEPHISTO (Multi-Effect Penetrator High Sophisticated and Target Optimized). Es handelt sich dabei um einen Tandem-Gefechtskopf, bestehend aus einer Vorhohlladung und dem Penetrator mit integriertem intelligentem Zünder. Zwei Laserentfernungsmesser messen dabei die Distanz zum Ziel und lösen die Vorhohlladung im optimalen Abstand zum Ziel aus. Diese ist etwa 95 kg schwer, hat einen Durchmesser von fast 0,36 m und 0,53 m Länge. Der Hohlladungsstachel durchschlägt dabei das Ziel, um dem nachfolgenden Penetrator das Eindringen zu erleichtern. Dieser hat etwa denselben Durchmesser wie die Vorhohlladung, eine Länge von fast 2,3 Metern und eine Masse von 400 kg.[10] An dessen Heck befindet sich der intelligente Zünder PIMPF (Programmable Intelligent Multi Purpose Fuze), der auch in der Naval Strike Missile eingesetzt wird. Er verfügt über eine Verzögerungssensorik, die den Durchgang durch unterschiedlich dichte Medien feststellen kann. Anhand der gemessenen Verzögerung kann berechnet werden, an welcher Stelle des Zieles sich der Penetrator gerade befindet. Durch Vorprogrammierung ist es deshalb möglich, den Penetrator an der gewünschten Position im Ziel, zum Beispiel einem bestimmten Stockwerk explodieren zu lassen. PIMPF wiegt 5 kg, kann Beschleunigungskräften bis zu 10.000 g widerstehen und wird über einen Lithium-Ionen-Akkumulator mit Energie versorgt.[14]

Bei Anflug im Air Burst kann die Vorhohlladung zuerst gezündet werden, da diese mit einem Splittermantel umgeben ist. Aufgrund seiner Masseträgheit fliegt der Penetrator dann noch ein Stück weiter, bevor er selbst gezündet wird. Damit können bei Bedarf zwei Luftdetonationen in kurzen Abständen ausgelöst werden.[10] Von der deutschen Luftwaffe wurde diese Taurus-Variante unter anderem im Jahr 2017 in der Hochwertübung Two Oceans auf der südafrikanischen Overberg Air Base getestet.[15]

Andere Varianten

  • Taurus KEPD-150: Die Variante KEPD-150 wird auch manchmal als Taurus L bezeichnet.[10] Es handelt sich dabei um eine massereduzierte Version der KEPD-350 mit kleinerem Penetrator und weniger Treibstoff.[16] Der Erstflug des Mock-ups fand am 27. August 1998 in Linköping in Schweden statt.[17]
SMArt-Auswurf am Beispiel GMLRS
  • Taurus M: Die Taurus M (Multiple Warhead) dient zum Transport von Submunitionen, um gegnerische Flugplätze, Flugabwehrstellungen und Panzerverbände zu zerstören. Eine frühere Bezeichnung ist MAW PDWS 2000. Die Zahl der Submunitionen ist unklar, nach schematischen Bildern des Herstellers sollen aber acht Stück hintereinander im Rumpf Platz finden.[10] Bei zwei Reihen ergäben sich damit 16 Stück. Dabei wurden drei Munitionsarten angedacht:[18]
    • MUSJAS 1/2: Streumunition (engl. Dual Purpose Improved Conventional Munition, DPICM) gegen leicht- und ungepanzerte Ziele.[18] Da Deutschland dem Übereinkommen über Streumunition beigetreten ist, entfällt diese Version.
    • STABO: Anti-Runway-Munition gegen Start- und Landebahnen, ein Projektil soll etwa 16 kg wiegen.[18] Die Submunitionen werden nach unten ausgeworfen, beschleunigen mit einem Raketenmotor auf die Bahn, durchschlagen diese und detonieren darunter. Gegenstück zur französischen Apache.
    • SMArt: Soll Suchzünder-Munition für die Artillerie ins Zielgebiet tragen, um Flugabwehrstellungen und Panzerverbände zu bekämpfen. Ermöglicht dann eine wesentlich größere Reichweite als GMLRS-SMArt oder die Panzerhaubitze 2000. Die Munition wird nach dem Ausstoßen mit einem Bremsschirm verzögert, dann öffnet sich der Fallschirm und die Munition beginnt mit ihrer Dreifach-Suchsensorik das Gebiet autonom nach Zielen abzusuchen. Dabei wird Infrarot und aktives wie passives Millimeterwellenradar im Frequenzbereich von 94 GHz eingesetzt, um Gefechtsfahrzeuge zu finden. Deren Zerstörung erfolgt über eine projektilbildende Ladung aus Tantal.[19][20]
  • Taurus MP: Taurus MP steht für „Modular Payload“.[10] Hierzu wurden noch keine näheren Angaben gemacht, denkbar ist der Einbau von Systemen zu elektronischen Kampfführung in Verbindung mit einem 2-Wege-Datenlink zum Satelliten.
  • Taurus HPM: Die Variante Taurus HPM soll Hochleistungs-Mikrowellenstrahlung (engl. High Power Microwave, HPM) zur Zerstörung gegnerischer Elektronik einsetzen.[21] Diese Version orientiert sich ebenfalls an der britisch-französischen Storm Shadow. Die Briten testeten bereits im Juli 2002 erfolgreich einen HPM-Gefechtskopf für diesen Marschflugkörper.[22] In neueren Publikationen wird die HPM-Version meist als Variante der Taurus MP behandelt.
  • Taurus CL: Die Variante Taurus CL für „Container Launched“ soll von Schiffen und Lastkraftwagen gestartet werden. Dafür wird der Marschflugkörper mit einem Tragegestell versehen und in einen Startbehälter gesteckt. Das Tragegestell führt den Flugkörper innerhalb des Containers und beschleunigt ihn mit einem Feststoffbooster auf Marschgeschwindigkeit und -höhe, um danach abgeworfen zu werden.[10]
  • Taurus T: Diese Version geht auf die Future-Offensive-Air-System-Studie der Royal Air Force zurück. Damals wurde untersucht, ob es sinnvoll sei, mit einem Transportflugzeug (A400M oder C-130) Marschflugkörper wie die Storm Shadow von der Laderampe zu starten. Der Grundgedanke dabei war, dass Unterschallflugzeuge ohne Tarnkappeneigenschaften eine zu geringe Überlebensfähigkeit in feindlichem Luftraum haben. Bomber wie die Boeing B-52 werden deshalb mit Marschflugkörpern bewaffnet, um Abstandsfähigkeit zu erzielen. Der Start dieser Marschflugkörper von einer Transportmaschine hätte das gleiche Resultat, jedoch zu wesentlich geringeren Kosten. Die Lenkwaffen werden dabei mit einem Bremsschirm über die Laderampe aus der Maschine gezogen. Anschließend wird der Schirm abgeworfen und die Marschphase beginnt.

Technische Daten

Taurus KEPD-350Taurus KEPD-150Taurus MTaurus MPTaurus HPMTaurus CLTaurus T
Indienststellung2005
NavigationssystemeGPS, Trägheitsnavigation (INS), bildverarbeitende Navigation (IBN), Geländereferenznavigation (TRN)
SuchkopfAbbildendes Infrarot (IIR)
TriebwerkTurbofan Williams International P8300-15
Flugleistungen
nominale Reichweite500 km150+ km
FluggeschwindigkeitMach 0,6 – 0,95
Maße und Gewicht
Länge5100 mm
Breite1080 mm
Höhe805 mm
Spannweite2064 mm
Gewicht1400 kg1060 kg
Nutzlast
GefechtskopfMEPHISTO:
Vorhohlladung und
Penetrator
MEPHISTO:
Vorhohlladung und
leichterer Penetrator
STABO:
Startbahnbekämpfungs-Munition
SMArt:
Selbstziel­suchende
Munition
UnbekanntHochleis­tungs­mikrowellevermutlich alle Versionenvermutlich alle Versionen
Gewicht Gefechtskopf495 kg
Kompatibilität
PlattformenPanavia Tornado, F/A-18 Hornet, McDonnell Douglas F-15, Saab JAS 39 Gripen, Eurofighter Typhoon[1]LKW oder SchiffTransport­flugzeuge
Kosten
Stückpreis950.000 €

Nutzer

Nach dem russischen Überfall 2022 bat die angegriffene Ukraine Deutschland 2023 um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Teile seiner Partei sowie die Linke und die AfD lehnen die Lieferung ab. Einige Politiker der Unionsparteien, der SPD, der Grünen und der FDP fordern sie hingegen (Stand September 2023).[26][27][28][29][30]

Weblinks

Commons: Taurus (Marschflugkörper) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Multiple Platforms. In: taurus-systems.de. Taurus Systems GmbH, abgerufen am 25. Mai 2023.
  2. a b EADS/Bofors Taurus. In: starstreak.net. Archiviert vom Original am 23. Juni 2011; abgerufen am 27. Mai 2023 (englisch).
  3. a b c d e Karl-Heinz Pitsch: Modulare Abstandswaffe Taurus. In: europaeische-sicherheit.de. Verlagsgruppe Koehler Mittler, archiviert vom Original am 21. Juni 2011; abgerufen am 27. Mai 2023.
  4. Der Lenkflugkörper Taurus KEPD-350 knackt auch Bunker. In: bundeswehr.de. Abgerufen am 30. September 2023.
  5. Ralf Nobis: Luftwaffe erhält weltweit modernste Abstandswaffe. In: luftwaffe.de. Bundesministerium der Verteidigung, 15. November 2006, archiviert vom Original am 3. April 2009; abgerufen am 25. Januar 2009.
  6. MBDA liefert den 600. Taurus KEPD 350 an Luftwaffe. In: griephan.de. DVV Media Group GmbH, 8. Dezember 2010, archiviert vom Original am 21. Juni 2011; abgerufen am 29. Mai 2023.
  7. Christian Dewitz: Erfolgreicher Eurofighter-Testflug mit Taurus. In: bundeswehr-journal.de. mediakompakt, 25. Februar 2014, abgerufen am 29. Mai 2023.
  8. Thomas Gautier: Bunker-Brecher „Taurus“: Marschflugkörper aus Bayern bald im Ukraine-Krieg? In: bild.de. Axel Springer SE, 26. Mai 2023, abgerufen am 26. Mai 2023.
  9. Taurus: Das bewirken die deutschen High-Tech-Raketen gegen Putins Armee. In: businessinsider.de/. Abgerufen am 6. Oktober 2023.
  10. a b c d e f g h i Christoffer Drevstad: Taurus KEPD 350: The Modular Stand Stand-off Missile for Precision Strike against HDBT. (PDF; 1,8 MB) In: dtic.mil. Taurus Systems GmbH, 2008, archiviert vom Original am 27. September 2012; abgerufen am 29. Mai 2023 (englisch).
  11. Guenther Riedl, Michael Assel, Alfred Fendt, Walter Hetzer, Erwin Keller, Fridbert Kilger, Thomas Kuligk, Lothar Popp, Rudolf Proels, Nikolaus Schweyer: IR focal plane array seekers for ground-to-ground and air-to-ground missiles. In: spie.org. SPIE, 10. Oktober 2001, abgerufen am 29. Mai 2023 (englisch).
  12. @1@2Vorlage:Toter Link/www.taurus-systems.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2018. Suche in Webarchiven.)
  13. a b c Taurus KEPD. In: deagel.com. 2023, abgerufen am 29. Mai 2023 (englisch).
  14. PIMPF – Gesellschaft für verteidigungstechnische Wirksysteme mbH (Memento vom 27. Juni 2004 im Internet Archive)
  15. Taurus bei Übung Two Oceans. In: luftwaffe.de. Abgerufen am 4. Juni 2017.
  16. Deagel.com – Taurus KEPD 350 L
  17. Sweden tests KEPD-150 mockup on Gripen. In: flightglobal.com. DVV Media International, 16. September 1998, abgerufen am 23. Mai 2023 (englisch).
  18. a b c Taurus 350A/P. In: missilethreat.com. The Claremont Institute, 12. Januar 2010, archiviert vom Original am 12. Januar 2010; abgerufen am 27. Mai 2023 (englisch).
  19. Diehl – Rocket Artillery in Future Scenarios, First Answer (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF; 9,4 MB)
  20. Alex Popov: KEPD-150/350 Taurus. In: airwar.ru. Jane’s Defense Equipment, 2004, abgerufen am 29. Mai 2023 (russisch).
  21. Deagel.com – Taurus HPM
  22. The Naval Institute guide to world naval weapon systems. S. 518
  23. Björn Stritzel: Ukraine bittet um Taurus-Marschflugkörper. In: tagesschau.de. Norddeutscher Rundfunk, 27. Mai 2023, abgerufen am 28. Mai 2023.
  24. Zachary Keck: South Korea to Purchase Bunker-Buster Missile. In: thediplomat.com. Abgerufen am 23. Mai 2023 (englisch).
  25. Gabriel Dominguez: South Korea to buy additional Taurus missiles. In: janes.com. Jane’s Information Group, archiviert vom Original am 6. Oktober 2016; abgerufen am 6. Oktober 2016 (englisch).
  26. Warum Scholz bei Taurus-Marschflugkörpern für Kiew zögert. Rheinische Post, 11. September 2023
  27. SPD-Politiker: Zweifel an Taurus-Lieferung nicht wegwischen. Süddeutsche Zeitung, 14. August 2023
  28. Tino Chrupalla:Keine Lieferung von Marschflugkörpern in den Ukraine-Krieg. AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, 12. September 2023
  29. CDU und FDP drängen Scholz zu Taurus-Lieferung an Kiew. n-tv, 10. August 2023
  30. Ampel-Abgeordnete fordern "Taurus"-Lieferung an Ukraine.tagesschau, 14. September 2023

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ILA 2010 Samstag 124.JPG
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ILA 2010, am Samstag aufgenommen, meist erhöht von einer Leiter fotografiert
Tomahawk with F-14.jpg
China Lake, Calif. (Nov. 10, 2002) -- A Tactical "Tomahawk" Block IV cruise missile is escorted by a Navy F-14D Tomcat fighter during a controlled test over the Naval Air Systems Command (NAVAIR) western test range complex in southern California. During the second such test flight, the missile successfully completed a vertical underwater launch, flew a fully guided 780-mile course, and impacted a designated target structure as planned. The Tactical "Tomahawk", the next generation of Tomahawk cruise missile adds the capability to reprogram the missile while in-flight to strike any of 15 preprogrammed alternate targets or redirect the missile to any Global Positioning System (GPS) target coordinates. It also will be able to loiter over a target area for some hours, and with its on-board TV camera, will allow the war fighting commanders to assess battle damage of the target, and, if necessary redirect the missile to any other target. Launched from the Navy's forward-deployed ships and submarines, Tactical Tomahawk will provide a greater flexibility to the on-scene commander. Tactical Tomahawk is scheduled to join the fleet in 2004.
GMLRS effect with SMArt.jpg
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GMLRS effects on ground with SMArt 155 submunition
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Taurus Marschflugkörper auf der ILA 2006
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