Tataren-Melde
Tataren-Melde | ||||||||||||
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Tataren-Melde (Atriplex tatarica) | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Atriplex tatarica | ||||||||||||
L. |
Die Tataren-Melde (Atriplex tatarica), auch Tatarische Melde[1] genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Melden (Atriplex) in der Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae). Im deutschsprachigen Raum ist die Art hauptsächlich in Österreich heimisch, verbreitet sich jetzt aber auch in Teilen Niedersachsens.
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Die Tataren-Melde ist eine einjährige krautige Pflanze. Ihr aufrechter, auf salzhaltigen Standorten auch niederliegender Stängel erreicht eine Höhe von meist 30 bis 80 cm (bis über 150 cm). Er ist stark verzweigt mit schräg abstehenden oder aufsteigenden weißlichen Ästen mit kahler oder anfangs schwach bemehlter Oberfläche.
Die (mit Ausnahme der untersten) wechselständig am Stängel angeordneten Laubblätter weisen eine Länge von 3 bis 7 cm (bis über 10 cm) und eine Breite von 1 bis 4 cm auf. Die unteren Blätter sind bis 2 cm lang gestielt, die oberen fast sitzend. Ihre dicht mit Blasenhaaren besetzte, dadurch unterseits grau-silbrige, oberseits grüne oder graue Blattspreite ist dreieckig-eiförmig bis länglich-lanzettlich, mit keilförmiger oder fast spießförmiger Basis. Der Blattrand ist unregelmäßig gezähnt oder buchtig gelappt bis dreilappig und kraus gewellt, die obersten Blätter sind fast ganzrandig. Die Blattform dieser Art ist sehr variabel.
Blütenstand und Blüte
Die Tataren-Melde ist einhäusig getrenntgeschlechtig (monözisch). In ährigen Blütenständen, die fast keine Tragblätter aufweisen, stehen die Blüten in gedrängten oder entfernteren kugeligen Knäueln. Die männlichen Blüten besitzen vier bis fünf Blütenhüllblätter (Tepalen) und fünf Staubblätter mit länglichen Staubbeuteln. Die weiblichen Blüten, die zu mehreren gebüschelt auftreten, werden von zwei rhombisch-eiförmigen Vorblättern umhüllt, Blütenhüllblätter sind nicht vorhanden; sie enthalten nur einen vertikalen Fruchtknoten.
Die Blütezeit der Tataren-Melde reicht in Deutschland von Juli bis September. Die Bestäubung erfolgt in der Regel durch den Wind, ist aber auch durch Insekten möglich.[2]
Frucht und Samen
Die vertikale Frucht wird von den bis zur Hälfte miteinander verwachsenen Vorblättern umhüllt, die zur Fruchtzeit knorpelig verhärten und dann in der unteren Mitte gelblich-weiß und deutlich geadert sind. Die sitzenden oder kurz gestielten Vorblätter sind bei einer Länge von 3 bis 8 mm (selten bis 10 mm) und einer Breite von 3 bis 7 mm rhombisch bis eiförmig oder fast fächerförmig. Ihr Rand ist unregelmäßig gezähnt oder weist teilweise zwei Seitenlappen auf. Auf ihrer Rückseite tragen sie mitunter einige knotige Anhängsel.
Die häutige weißliche Fruchtwand umschließt den Samen. Es gibt rote, konvexe Samen mit einem Durchmesser von 1,5 mm sowie hellbraune, flache bis konkave Samen mit einem Durchmesser von 1,5 bis 2,5 mm (Heterokarpie).
Chromosomenzahl
Die Chromosomenzahl beträgt überwiegend 2n=18 (bei einer Untersuchung wurde auch 2n=36 angegeben).[3]
Photosyntheseweg
Die Tataren-Melde ist eine C4-Pflanze mit Kranzanatomie.[4]
Ökologie
Die Tataren-Melde ist eine Nahrungspflanze für die Schmetterlingsraupen des Miniersackträgers Coleophora serinipennella.[5]
Vorkommen
Das natürliche Verbreitungsgebiet der Tataren-Melde umfasst Ostmittel-, Ost- und Südeuropa, Nordafrika, Westasien und Zentralasien bis nach China. Dort besiedelt sie die Ufer salzhaltiger Gewässer, Halbwüsten und sandige, salzhaltige Wüsten sowie Ruderalstellen bis in Höhenlagen von 1800 Meter (selten bis 3000 Meter). Diese Art gedeiht in einem weiten Klimabereich bis zur borealen Zone. Ihr Hauptverbreitungsgebiet liegt im Tiefland der irano-turanischen Zone.
Eingeschleppt kommt die Tataren-Melde auch in vielen anderen Regionen vor. So ist sie in Teilen von Mittel- und Nordosteuropa eingebürgert und tritt gelegentlich in Nordeuropa auf.[6] Auch an den Küsten von Nordamerika ist sie eingeschleppt worden. Außerhalb ihres natürlichen Areals findet man sie fast ausschließlich an durch Menschen beeinflussten (anthropogenen) Standorten.
In Österreich tritt die Art im pannonischen Gebiet zerstreut auf trockenen, meist skelettreichen und nährstoffreichen Ruderalfluren und an mit Streusalz belasteten Straßenrändern in der collinen Höhenstufe auf. Die natürlichen Vorkommen beschränken sich auf die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland, in der Steiermark und Kärnten sind nur unbeständige Vorkommen auf Bahnanlagen bekannt.[7]
In Deutschland ist die Tataren-Melde ein eingebürgerter Neophyt.[8] Als kontinentale Art kommt sie vor allem in Ostdeutschland vor, in den anderen Landesteilen tritt sie nur selten und unbeständig auf. Sie wächst in kurzlebigen Unkrautfluren, beispielsweise an Bahnhöfen, Hafenanlagen, Straßenrändern oder Schuttplätzen auf nährstoffreichen Sand- und Steinböden. Im System der Pflanzensoziologie liegt ihr Schwerpunktvorkommen in Mitteleuropa im Verband Sisymbrion.[1] Im Mittelmeergebiet kommt sie in Gesellschaften des Verbands Chenopodion muralis vor.[1] Sie gilt als eine Zeigerpflanze für volle Besonnung, Trockenheit und Wärme (Steppenklima).[1]
Systematik
Die Tataren-Melde (Atriplex tatarica) zählt innerhalb der Gattung Atriplex zur C4-Atriplex-Clade.[4] Mit der Gelappten Melde (Atriplex laciniata) und anderen nah verwandten Arten wird sie zum Atriplex tatarica-Aggregat zusammengefasst.[6]
Die Erstveröffentlichung von Atriplex tatarica erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, 2, S. 1053.[9]
Da die Tataren-Melde äußerst variabel in Wuchsform, Verzweigung und Blattform ist, wurden viele Formen als eigene Arten, Unterarten oder Varietäten beschrieben. Synonyme von Atriplex tataricaL. sind Atriplex diffusaTen., Atriplex graecaWilld., Atriplex laciniataH.J. Coste, Atriplex olivieriMoq., Atriplex venetaWilld. und Atriplex tatarica t.infr. diffusaHayek.[6] Auf demselben Typusexemplar basieren zudem die Synonyme Chenopodium tataricum(L.) E.H.L. Krause: Schizotheca tatarica(L.) Čelak. und Teutliopsis tatarica(L.) Čelak.[3]
Nutzung
Die Blätter und jungen Pflanzen der Tataren-Melde sind essbar und dienen in Notzeiten als Gemüse. Auch die Samen können gekocht gegessen werden. Gemahlen können sie zum Andicken von Speisen oder als Mehlzusatz beim Brotbacken genutzt werden.[10]
Literatur
- Henning Haeupler, Thomas Muer: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Hrsg.: Bundesamt für Naturschutz (= Die Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. Band 2). Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2000, ISBN 3-8001-3364-4, S. 93 (Abschnitt Beschreibung).
- Ian C. Hedge: Atriplex tatarica. In: Karl Heinz Rechinger (Hrsg.), Ian C. Hedge u. a.: Flora Iranica. Band 172: Chenopodiaceae. Akad. Druck- u. Verl.-Anst., Graz 1997, ISBN 3-201-00728-5, S. 75 (Abschnitt Beschreibung, Vorkommen).
- Alexander P. Suchorukow: Zur Systematik und Chorologie der in Russland und den benachbarten Staaten (in den Grenzen der ehemaligen USSR) vorkommenden Atriplex-Arten (Chenopodiaceae). In: Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien, Serie B. Band 108, 2007, S. 342–344 (zobodat.at [PDF; 32,1 MB]; Abschnitte Beschreibung, Vorkommen).
- Stanley L. Welsh: Atriplex tatarica. (textgleich online wie gedrucktes Werk) In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 4: Magnoliophyta: Caryophyllidae, part 1. Oxford University Press, New York / Oxford u. a. 2003, ISBN 0-19-517389-9, S. 341 (englisch, Abschnitt Beschreibung, Vorkommen).
- Gelin Zhu, Sergei L. Mosyakin, Steven E. Clemants: Chenopodiaceae. Atriplex tatarica. (textgleich online wie gedrucktes Werk) In: Wu Zhengyi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 5: Ulmaceae through Basellaceae. Science Press/Missouri Botanical Garden Press, Beijing/St. Louis 2003, ISBN 1-930723-27-X, S. 365 (englisch, Abschnitt Beschreibung, Vorkommen).
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 350.
- ↑ Eintrag bei BiolFlor
- ↑ a b Atriplex tatarica bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis.
- ↑ a b Gudrun Kadereit, Evgeny V. Mavrodiev, Elizabeth H. Zacharias, Alexander P. Sukhorukov: Molecular phylogeny of Atripliceae (Chenopodioideae, Chenopodiaceae): Implications for systematics, biogeography, flower and fruit evolution, and the origin of C4 Photosynthesis. In: American Journal of Botany. Band 97, Nr. 10, 2010, S. 1664–1687.
- ↑ Gaden S. Robinson, Phillip R. Ackery, Ian J. Kitching, George W. Beccaloni, Luis M. Hernández: Eintrag bei HOSTS - A Database of the World's Lepidopteran Hostplants.
- ↑ a b c Pertti Uotila: Chenopodiaceae (pro parte majore). In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity. Atriplex tatarica. 2011 (Eintrag bei Euro+Med Plantbase).
- ↑ Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9.
- ↑ Tataren-Melde. FloraWeb.de
- ↑ Erstveröffentlichung eingescannt bei Biodiversity Heritage Library.
- ↑ Eintrag bei Plants For A Future.
Weblinks
- Verbreitungskarte für Deutschland. In: Floraweb.
- Verbreitungskarte für Europa
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben)
- Fotos bei botanische-spaziergaenge.at
- Illustration in der Flora of China
- Illustration in der Flora of Pakistan
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Atriplex tatarica, Blütenstand. Deutschland, östlich von Halle (Saale), Autobahnparkplatz an der A9 (Grenze Sachsen-Anhalt/Sachsen).
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Atriplex tatarica, Habitus. Deutschland, östlich von Halle (Saale), Autobahnparkplatz an der A9 (Grenze Sachsen-Anhalt/Sachsen).
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Laubblattunterseite (Durchsicht) mit dem regelmäßigen, dicht verästelten Nervennetz der C4-Pflanzen
Taxonym: Atriplex tatarica ss Fischer et al. EfÖLS 2008 ISBN 978-3-85474-187-9
Fundort: Sinawastingasse, Wien-Floridsdorf - ca. 160 m ü. A.
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Chalkhill Blue (Polyommatus coridon Poda). A cluster of males puddling on Atriplex tatarica (L.) flower buds. Vicinity of Saratov city, Russia.
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Blütenstand mit weiblichen und männlichen Blüten
Taxonym: Atriplex tatarica ss Fischer et al. EfÖLS 2008 ISBN 978-3-85474-187-9
Fundort: Sinawastingasse, Wien-Floridsdorf - ca. 160 m ü. A.
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Atriplex tatarica, Habitus. Deutschland, östlich von Halle (Saale), Autobahnparkplatz an der A9 (Grenze Sachsen-Anhalt/Sachsen).
Autor/Urheber: Gabriele Kothe-Heinrich, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Atriplex tatarica, Vorblätter der weiblichen Blüten. Deutschland, östlich von Halle (Saale), Autobahnparkplatz an der A9 (Grenze Sachsen-Anhalt/Sachsen).