Targa Florio 1928

Albert Divo auf einer der sizilianischen Bergstraßen
Giuseppe Campari nach seiner Zielankunft, als er sich schon als Gesamtsieger wähnte
Eliška Junková in ihrem Bugatti T35B auf dem Weg zum fünften Gesamtrang
Der drittplatzierte Caberto Conelli bei der Anfahrt zum Boxenstopp

Die 19. Targa Florio, auch XIX Targa Florio, war ein Straßenrennen auf Sizilien und fand am 6. Mai 1928 statt.

Das Rennen

Teams, Hersteller und Fahrer

1927 waren bei der seit 1906 veranstalteten Targa Florio 24 Fahrzeuge gemeldet, eine Anzahl an Startern, die sich 1928 beinahe verdoppelte. Das Gros der 41 Meldungen stellte der französische Automobilhersteller Bugatti. Unter den 20 Fahrzeugen aus Molsheim befanden sich fünf Werkswagen für die Fahrer Caberto Conelli, Ferdinando Minoia, Louis Chiron, Gastone Brilli-Peri und Albert Divo. In der ursprünglichen Planung von Bugatti-Rennleiter Meo Costantini, der die Targa Florio 1925 und 1926 gewonnen hatte, war Pietro Bordino der fünfte Werksfahrer. Bordinos berufliches Leben und seine Fahrerkarriere waren eng mit Fiat verbunden. Nachdem Fiat die Rennaktivitäten 1927 fast eingestellt und für die Saison 1928 keine Rennen geplant hatte, war Bordino für dieses Jahr vertragsfrei. Meo Costantini ließ keine Zeit verstreichen und verpflichtete den neben Felice Nazzaro populärsten italienischen Fahrer für Bugatti. Bordino sollte bei der Mille Miglia, beim Circuito di Alessandria und der Targa Florio starten. Nach einer enttäuschenden Mille-Miglia-Teilnahme, wo er im Bugatti T43 nur Gesamtsechzehnter wurde, verunglückte er drei Wochen vor der Targa Florio beim Straßenrennen in Alessandria tödlich. Jetzt wäre eigentlich Tazio Nuvolari am Zug gewesen, der sich zu Beginn des Jahres mit Constantini auf einen Werkseinsatz bei der Targa Florio geeinigt hatte. Gegen den ausdrücklichen Wunsch von Constantini startete Nuvolari mit seinem privaten Bugatti beim Circuito di Alessandria, um das beträchtliche Preisgeld zu kassieren (Nuvolari gewann das Rennen). Constantini war über diese arrogant zur Schau gestellte Unabhängigkeit so erbost, dass er Nuvolari den Werkswagen verweigerte. „Ich werde einfach mit meinem eigenen Wagen starten, um Constantini zu zeigen, dass er einen Fehler gemacht hat“, schrieb Nuvolari an seinen Teammitbesitzer Achille Varzi (der Jahre später sein erbitterter Gegner wurde). Constantini verpflichtete daraufhin zwölf Tage vor dem Rennen Albert Divo, der trotz mangelnder Streckenkenntnisse schnell zusagte.

Die Rückkehr zur Targa Florio vollzog die Rennleitung von Alfa Romeo. Vittorio Jano ließ das Siegerwagenmodell der Mille Miglia, den Alfa Romeo 6C, für die Targa umbauen. Um Gewicht zu sparen, wurde die hintere Wagenverkleidung abgebaut, wodurch der Treibstofftank frei lag, auf dem das Reserverad montiert war. Den Sitz für den Beifahrer baute man aus, um Platz für einen zusätzlichen Öltank und Ersatzbatterien zu schaffen. Die Wagen steuerten der Mille-Miglia-Sieger 1928 Giuseppe Campari und Alfa-Romeo-Testfahrer Attilio Marinoni. Das dritte Werksteam war Maserati. Baconin Borzacchini, der bisher immer in der 1,1-Liter-Klasse am Start war, fuhr einen Tipo 26 mit 1,5-Liter-Kompressor-Achtzylindermotor. Ein 2-Liter-26B wurde für Ernesto Maserati vorbereitet

In der Gruppe der Privatfahrer befanden sich neben Tazio Nuvolari, René Dreyfus, Luigi Fagioli und Giulio Foresti auch zwei Frauen. Die Tschechoslowakin Eliška Junková (im deutschsprachigen Raum als Elisabeth Junek bekannt) und die deutsche Gräfin Margot von Einsiedel. Junková hatte 1927 eine starke fahrerische Leistung gezeigt, als sie bis zum Ausfall in der zweiten Runde an der vierten Stelle lag. Wie 1927 steuerte sie ihren privaten Bugatti. Margot von Einsiedel war eine schillernde Figur der 1920er-Jahre mit engen Kontakten zum Heiligen Stuhl in Rom. Neben Erfolgen bei Bergrennen flog sie mit Ernst Udet mehrmals über die Alpen.

Der Rennverlauf

Weil die Straßen durch anhaltendes trockenes Wetter im Frühjahr sehr verfestigt waren, wurde das Startintervall von fünf auf zwei Minuten verkürzt. Die Fahrzeuge gingen in der Reihenfolge ihrer Startnummern von den kleinen Hubraumklassen aufwärts am Renntag ab 8 Uhr in der Früh ins Rennen. Das präzise Einhalten des Intervalls gelang den Organisatoren wie in den Jahren davor auch 1928 nicht. Zwischen dem um 08:04 Uhr losgeschickten Vincenzo Verso und dem nachfolgenden Luigi Fagioli lagen nicht zwei, sondern vier Minuten. Die erste der fünf zu fahrenden Runden dominierte Gastone Brilli-Peri im Werks-Bugatti, der jedoch wenige Kilometer vor dem Überfahren der Start-und-Ziel-Linie mit einer gebrochenen Vorderradaufhängung ausfiel. Im Klassement lagen die ersten drei Fahrer innerhalb von sechs Sekunden. Hinter Louis Chiron, Giuseppe Campari und Albert Divo lag Eliška Junková mit einem Rückstand von knapp 30 Sekunden erneut an der vierten Stelle.

Mit dem Ende der zweiten Runde gab es wesentliche Veränderungen in der Wertung. Mit Eliška Junková führte zum ersten Mal in der Geschichte der Targa Florio eine Frau das Rennen an. Junková erwies sich in den folgenden Runden als zähe Gegnerin der beiden Bugatti-Piloten Divo und Conelli und des Alfa Romeos von Giuseppe Campari. Campari lag nach dem Ende der dritten Runde in Führung, der Vorsprung auf Junková betrug nur zwei Minuten.

Als Campari in der vierten Runde einen Reifenschaden hatte, zeigte sich der Vorteil seines gewichtbefreiten Alfa Romeo. Obwohl er elf Kilometer auf der Felge fahren musste, verlor er nur eine Minute auf die nach wie vor an der zweiten Stelle fahrende Junková. Die Rennleitung von Alfa Romeo hatte rund um die Strecke mehrere Servicestationen einrichten lassen, die durch provisorisch verlegte Telefonleitungen verbunden waren. Von dort meldeten Servicemitarbeiter Zwischenbestzeiten für Campari in der fünften Runde. Als er ins Ziel kam, wurde er bereits als Sieger gefeiert. Junková und Divo waren allerdings 40 Minuten nach Campari gestartet und es wäre geboten gewesen, deren Zielankünfte abzuwarten. Außerdem ermittelten die Alfa-Romeo-Mitarbeiter nur die Zeiten der eigenen Werkspiloten und keine der Konkurrenz. Als Albert Divo durchs Ziel fuhr, war er um 1 Minute und 37 Sekunden schneller als Campari. Kurz davor war bereits Caberto Conelli bis auf knapp zwei Minuten an Campari herangekommen. Die Enttäuschung bei Campari und der Alfa-Romeo-Teamleitung war groß. Eliška Junková verlor ihre Siegchance durch eine defekte Motorkühlung und erreichte langsam fahrend als Fünfte das Ziel. Margot von Einsiedel platzierte sich als Zwölfte.

Wie in allen Jahren davor waren die Fahrer und Fahrerinnen nach dem Rennen völlig erschöpft. Targa-Forio-Gründer Vincenzo Florio erklärte dazu am Rennabend: „Das war nun die 19. Targa Florio und ich habe noch keinen Teilnehmer gesehen, der nach fünf Runden gerne weitergefahren wäre.“

Ergebnisse

Schlussklassement

Pos.KlasseNr.TeamFahrerFahrzeugFahrzeit
1Kategorie IV56Dritte Französische Republik Automobiles Ettore BugattiDritte Französische Republik Albert DivoBugatti T35B7:20:56,600
2Kategorie II16Italien 1861 SA Ital. Ing. Nicola RomeoItalien 1861 Giuseppe CampariAlfa Romeo 6C-1500 MMS7:22:33,600
3Kategorie II24Dritte Französische Republik Automobiles Ettore BugattiItalien 1861 Caberto ConelliBugatti T37A7:22:50,000
4Kategorie III40Dritte Französische Republik Automobiles Ettore BugattiMonaco Louis ChironBugatti T37C7:27:22,400
5Kategorie IV58Tschechoslowakei 1920 Eliška JunkováTschechoslowakei 1920 Eliška JunkováBugatti T35B7:29:40,200
6Kategorie II32Dritte Französische Republik Automobiles Ettore BugattiItalien 1861 Ferdinando MinoiaBugatti T37A7:40:21,600
7Kategorie II8Italien 1861 Luigi FagioliItalien 1861 Luigi FagioliMaserati 267:43:25,000
8Kategorie II12Dritte Französische Republik René DreyfusDritte Französische Republik René DreyfusBugatti T37A7:53:53,600
9Kategorie IV53Schweiz Mario LeporiSchweiz Mario LeporiBugatti T35B7:54:05,000
10Kategorie III42Italien 1861 Giulio ForestiItalien 1861 Giulio ForestiBugatti T35C8:09:39,000
11Kategorie III38Italien 1861 Officine Alfieri MaseratiItalien 1861 Ernesto MaseratiMaserati 26B8:21:12,400
12Kategorie II22Deutsches Reich Countess von EinsiedelDeutsches Reich Margot von EinsiedelBugatti T37A8:21:25,600
Nicht klassiert
13Kategorie III48Italien 1861 Diego de SterlichItalien 1861 Diego de SterlichMaserati 26B MM8:35:27,000
Ausgefallen
14Kategorie II30Italien 1861 SA Ital. Ing. Nicola RomeoItalien 1861 Attilio MarinoniAlfa Romeo 6C-1500 MMS
15Kategorie II26Italien 1861 Giovanni SciannaItalien 1861 Giovanni SciannaBugatti T37
16Kategorie IV54Schweiz Huldreich HeusserSchweiz Huldreich HeusserBugatti T35B
17Kategorie III36Italien 1861 Scuderia MaterassiItalien 1861 Emilio MaterassiBugatti T35C
18Kategorie III34Italien 1861 Officine Alfieri MaseratiItalien 1861 Baconin BorzacchiniMaserati 26B
19Kategorie V60Italien 1861 Saverio CandrilliItalien 1861 Saverio CandrilliSteyr VI
20Kategorie II14Italien 1861 Pietro di VillarosaItalien 1861 Pietro di VillarosaBugatti T37
21Kategorie IV62Italien 1861 Amedeo SillittiItalien 1861 Amedeo SillittiAlfa Romeo RL
22Kategorie II20Italien 1861 Salvatore MaranoItalien 1861 Salvatore MaranoMaserati 26
23Kategorie III46Italien 1861 Scuderia NuvolariItalien 1861 Tazio NuvolariBugatti T35C
24Kategorie II4Italien 1861 Cleto NenzioniItalien 1861 Cleto NenzioniBugatti T37A
25Kategorie II6Italien 1861 Vincenzo VersoItalien 1861 Vincenzo VersoBugatti T37
26Kategorie II2Italien 1861 Giuseppe IngleseItalien 1861 Giuseppe IngleseBugatti T37
27Kategorie III50Dritte Französische Republik Automobiles Ettore BugattiItalien 1861 Gastone Brilli-PeriBugatti T35C

Schlussklassement Kategorie I

Pos.KlasseNr.TeamFahrerFahrzeugFahrzeit
1 (28)Kategorie I70Italien 1861 Eugenio RiccioliItalien 1861 Eugenio RiccioliFiat 509S5:15:23,200
2 (29)Kategorie I78Italien 1861 Ezio RalloItalien 1861 Ezio RalloFiat 509S5:58:35,800
Ausgefallen
3 (30)Kategorie I68Italien 1861 Prince Francesco di SirignanoItalien 1861 Francesco di Sirignano
Italien 1861 Mario Esposito
Camen
4 (31)Kategorie I82Italien 1861 Giorgio CiolinoItalien 1861 Giorgio CiolinoSan Giorgio Fiat 509
5 (32)Kategorie I74Italien 1861 Salvatore CasanoItalien 1861 Salvatore CasanoSalmson
6 (33)Kategorie I76Italien 1861 Clemente BiondettiItalien 1861 Clemente BiondettiSalmson
7 (34)Kategorie I64Italien 1861 Antonio ZanelliItalien 1861 Antonio ZanelliFiat 509S
8 (35)Kategorie I66Italien 1861 Giocchino VigoItalien 1861 Giocchino VigoFiat 509S
9 (36)Kategorie I72Italien 1861 Guglielmo EspositoItalien 1861 Guglielmo EspositoCamen

Nur in der Meldeliste

Hier finden sich Teams, Fahrer und Fahrzeuge, die ursprünglich für das Rennen gemeldet waren, aber nicht daran teilnahmen.

Pos.KlasseNr.TeamFahrerChassis
37Kategorie II10Italien 1861 Gioacchino CocuzzaItalien 1861 Gioacchino CocuzzaBugatti T37A
38Kategorie II16Italien 1861 Giuseppe VittoriaItalien 1861 Giuseppe VittoriaMaserati 26
39Kategorie II28Italien 1861 SA Ital. Ing. Nicola RomeoAlfa Romeo 6C-1500
40Kategorie III44Italien 1861 Cesare PastoreItalien 1861 Cesare PastoreBugatti T35C
41Kategorie I80Italien 1861 Luigi FagioliItalien 1861 Erminio FagioliSalmson

Klassensieger

KlasseFahrerFahrzeugPlatzierung im Gesamtklassement
Kategorie IIItalien 1861 Giuseppe CampariAlfa Romeo 6C-1500 MMSRang 2
Kategorie IIIMonaco Louis ChironBugatti T37CRang 4
Kategorie IVDritte Französische Republik Albert DivoBugatti T35BGesamtsieg
Kategorie Vkein Teilnehmer im Ziel

Klassensieger Kategorie I

KlasseFahrerFahrzeugPlatzierung im Gesamtklassement
Kategorie IItalien 1861 Eugenio RiccioliFiat 509SKlassensieg

Renndaten

  • Gemeldet: 41
  • Gestartet: 36
  • Gewertet: 14
  • Rennklassen: 5
  • Zuschauer: unbekannt
  • Wetter am Renntag: trocken und heiß
  • Streckenlänge: 108,000 km
  • Fahrzeit des Siegerteams: 7:20:56,600 Stunden
  • Gesamtrunden des Siegerteams: 5
  • Gesamtdistanz des Siegerteams: 540,000 km
  • Siegerschnitt: 73,478 km/h
  • Schnellste Trainingszeit: keine
  • Schnellste Rennrunde: Louis Chiron – Bugatti T35C (#40) – 1:26:29,000 = 74,927 km/h
  • Rennserie: zählte zu keiner Rennserie

Literatur

  • Peter Higham: The Guinness Guide to International Motor Racing. A complete Reference from Formula 1 to Touring Car. Guinness Publishing Ltd., London 1995, ISBN 0-85112-642-1.
  • Pino Fondi: Targa Florio – 20th Century Epic. Giorgio Nada Editore Vimodrone 2006, ISBN 88-7911-270-8.

Weblinks

Commons: Targa Florio 1928 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Luigi Fagioli in Maserati Tipo 26 at Targa Florio on 6 May 1928. He ended in 7th place.[1]
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Albert Divo in his Bugatti at the 1928 Targa Florio.
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Eliska Junkova, cinquème de la Targa Florio 1928.