Targa Florio 1927

Rennsieger Emilio Materassi im Bugatti T35C
Ernesto Maserati im Tipo 26
Die drei Werks-Maserati vor dem Start
Aymo Maggi mit gebrochenem Maserati-Chassis an der Box, wo er das Rennen aufgeben musste

Die 18. Targa Florio, auch XVIII Targa Florio, war ein Straßenrennen auf Sizilien und fand am 24. April 1927 statt.

Vorgeschichte

Mitte der 1920er-Jahre geriet die italienische Automobilindustrie in eine Krise. Viele Unternehmer der Pionierzeit des Automobils waren wieder vom Markt verschwunden und arrivierte Autobauer wie Alfa Romeo standen knapp vor dem finanziellen Ruin. Seit 1925 regierte Benito Mussolini das Land diktatorisch, der in den 1930er-Jahren die Fahrzeugindustrie teilweise verstaatlichte und im Falle von Fiat mit Steuermitteln großzügig unterstützte. Die finanzielle Schwäche der meisten Unternehmen wirkte sich auch auf den Rennwagenbau aus. Gegen die Konkurrenz aus Frankreich, Deutschland und England waren die technisch veralteten Straßenfahrzeuge in Rückstand geraten. Auch im Rennwagenbau war der Aufholbedarf inzwischen groß. Dieser Umstand hatte sich schon 1925 und 1926 auf die Targa Florio ausgewirkt, die in diesen beiden Jahren von Bugatti dominiert wurde.

Trotz der vielen Straßenrennen dieser Zeit hatte die Targa Florio in den 1920er-Jahren ein Alleinstellungsmerkmal. Das lag vor allem an der Popularität von Rennfahrern wie Felice Nazzaro und Giulio Masetti (der bei der Targa Florio 1926 tödlich verunglückte) und der Teilnahme ausländischer Rennteams, die dem Rennen internationale Bedeutung gaben. Das änderte sich ab 1927 mit der Etablierung der Mille Miglia in Oberitalien. Dort war die Targa Florio weit weniger populär als im Süden Italiens und galt als Rennen des armen Siziliens.

Das Rennen

Teams, Hersteller und Fahrer

Diese Umfeld bescherte Vincenzo Florio und seinem Organisationsteam eine Meldeliste ohne große Überraschungen. Weder Alfa Romeo noch Fiat beteiligte sich mit Werkswagen an seiner Veranstaltung. Im Gegenteil: Nachdem Fiat-Testfahrer Cesare Pastore im März auf einem 509M die Straße im Renntempo befahren hatte, sprach er von indiskutablen Zuständen auf dem Medio circuito delle Madonie, vor allem im Streckenabschnitt zwischen Polizzi Generosa und Collesano. Die Ankündigung Florios, sich um die Bereitstellung öffentlicher Mittel zur Fahrbahnsanierung zu kümmern, hatte wenig Erfolg. Fiat, Alfa Romeo und der spanische Hersteller Ricart, die im Vorfeld eine Teilnahme zugesagt hatten, blieben dem Rennen fern. Alfieri Maserati sorgte mit der Teilnahme seines Rennteams für die einzige Repräsentanz der italienischen Hersteller. Die drei Tipo 26 steuerten neben Alfieri, dessen Bruder Ernesto und Aymo Maggi, einer der Gründerväter der Mille Miglia.

Wieder am Start waren die Werkswagen von Ettore Bugatti unter der Führung des neuen Rennleiters Meo Costantini. Der Targa-Gesamtsieger der Jahre 1925 und 1926 hatte dieses Amt nach seinem Rücktritt vom aktiven Rennsport übernommen und meldete vier Type 35. Drei T 35 C für Emilio Materassi, Ferdinando Minoia und André Dubonnet sowie einen Bugatti Type 37 A für Caberto Conelli. Bei Peugeot reduzierte die Geschäftsleitung das Engagement auf einen 174S, der von André Boillot, dem Sieger der Targa Florio 1919, gefahren wurde. Die Tschecksolowakin Eliška Junková (Elisabeth Junek) war nach Maria Antonietta Avanzo die zweite Frau, die an der Targa teilnahm. Sein Targa-Florio-Debüt gab Luigi Fagioli.

Der Rennverlauf

Schon nach der ersten der fünf zu fahrenden Runden ergab sich eine klare Favoritenstellung der Bugatti-Piloten, die den Rennsieg unter sich ausmachten. Die große Überraschung war Eliška Junková, die hinter Minoia, Dubonnet und Materassi an der vierten Stelle lag und damit schneller war als Conelli, Boillot im Peugeot und alle drei Maserati. Louis Charavel überlebte den 15-Meter-Sturz seines Bugatti T 35 A in eine Schlucht in der Nähe von Polizzi Generosa unverletzt. Junková kam am Ende der zweiten Runde auf dem Beifahrersitz von Saverio Candrillis Steyr VI zurück zu Start und Ziel. Eine gebrochene Lenksäule am Bugatti hatte einen Unfall ausgelöst, den auch sie unverletzt überstand.

An der Spitze hatte inzwischen Materassi die Führung übernommen. Zweiter war lange Zeit der Schweizer Mario Lepori in seinem privaten Bugatti, ehe ihn eine gebrochene Vorderradaufhängung in der vierten Runde aus dem Rennen riss. Der starke Regen, der am Ende des Rennens einsetzte, verhinderte Verschiebungen im Klassement, da die Fahrer ihr Tempo den immer schlechter werdenden Straßenverhältnissen anpassen mussten. Materassi siegte mit einem Vorsprung von fünf Minuten auf seinen Teamkollegen Conelli. Der Drittplatzierte Alfieri Maserati lag schon 25 Minuten zurück. Wie im Vorjahr gewann Baconin Borzacchini das Rennen der 1,1-Liter-Klasse.

Ergebnisse

Schlussklassement

Pos.KlasseNr.TeamFahrerFahrzeugFahrzeit
1Kategorie III24Dritte Französische Republik Automobiles Ettore BugattiItalien 1861 Emilio MaterassiBugatti T35C7:35:55,400
2Kategorie II6Dritte Französische Republik Automobiles Ettore BugattiItalien 1861 Caberto ConelliBugatti T37A7:39:06,000
3Kategorie III26Italien 1861 Officine Alfieri MaseratiItalien 1861 Alfieri MaseratiMaserati 26B8:01:36,000
4Kategorie III36Dritte Französische Republik Automobiles PeugeotDritte Französische Republik André BoillotPeugeot 174S8:27:35,000
5Kategorie III22Spanien 1875 Joaquín PalacioSpanien 1875 Joaquín PalacioBugatti T35C8:33:52,200
6Kategorie III38Dritte Französische Republik Automobiles Ettore BugattiDritte Französische Republik André DubonnetBugatti T35C8:37:59,600
Nicht klassiert
7Kategorie II14Deutsches Reich Heinrich EckertDeutsches Reich Heinrich EckertBugatti T379:15:00,000
8Kategorie II8Italien 1861 Salvatore MaranoItalien 1861 Salvatore MaranoFiat 501S9:27:41,000
Ausgefallen
9Kategorie III30Schweiz Mario LeporiSchweiz Mario LeporiBugatti T35B
10Kategorie II16Italien 1861 Officine Alfieri MaseratiItalien 1861 Aymo MaggiMaserati 26
11Kategorie III18Italien 1861 Saverio CandrilliItalien 1861 Saverio CandrilliSteyr VI
12Kategorie II10Italien 1861 Officine Alfieri MaseratiItalien 1861 Ernesto MaseratiMaserati 26
13Kategorie II20Italien 1861 Renato BalestreroItalien 1861 Renato BalestreroBugatti T35C
14Kategorie III34Tschechoslowakei 1920 Eliška JunkováTschechoslowakei 1920 Eliška JunkováBugatti T35B
15Kategorie III32Dritte Französische Republik Automobiles Ettore BugattiItalien 1861 Ferdinando MinoiaBugatti T35C
16Kategorie III28Italien 1861 Nicolò ValdesItalien 1861 Nicolò ValdesDiatto 20
17Kategorie II4Dritte Französische Republik Louis CharavelDritte Französische Republik Louis CharavelBugatti T37A
18Kategorie II12Italien 1861 Antonino CaliriItalien 1861 Antonino CaliriBugatti T37
Nicht gestartet
19Kategorie I2Italien 1861 Innocenzo CiriItalien 1861 Innocenzo CiriBugatti T371

1 nicht gestartet

Schlussklassement Kategorie I

Pos.KlasseNr.TeamFahrerFahrzeugFahrzeit
1 (20)Kategorie I44Italien 1861 Baconin BorzacchiniItalien 1861 Baconin BorzacchiniSalmson4:59:03,000
2 (21)Kategorie I42Italien 1861 Luigi FagioliItalien 1861 Luigi FagioliSalmson5:10:36,600
3 (22)Kategorie I40Italien 1861 Ignazio ZubiagaItalien 1861 Ignazio ZubiagaBNC6:12:58,000
Ausgefallen
4 (23)Kategorie I46Italien 1861 Francesco StarrabbaItalien 1861 Francesco StarrabbaAmilcar

Nur in der Meldeliste

Hier finden sich Teams, Fahrer und Fahrzeuge, die ursprünglich für das Rennen gemeldet waren, aber nicht daran teilnahmen.

Pos.KlasseNr.TeamFahrerChassis
24Kategorie I48Italien 1861 Ezio RolloItalien 1861 Ezio RolloSalmson

Klassensieger

KlasseFahrerFahrzeugPlatzierung im Gesamtklassement
Kategorie IIItalien 1861 Caberto ConelliBugatti T 37 ARang 2
Kategorie IIIItalien 1861 Emilio MaterassiBugatti T 35 CGesamtsieg

Klassensieger Kategorie I

KlasseFahrerFahrzeugPlatzierung im Gesamtklassement
Kategorie IItalien 1861 Baconin BorzacchiniSalmsonKlassensieg

Renndaten

  • Gemeldet: 24
  • Gestartet: 22
  • Gewertet: 11
  • Rennklassen: 3
  • Zuschauer: unbekannt
  • Wetter am Renntag: kühl, Regen am Rennende
  • Streckenlänge: 108,000 km
  • Fahrzeit des Siegerteams: 7:35:55,400 Stunden
  • Gesamtrunden des Siegerteams: 5
  • Gesamtdistanz des Siegerteams: 540,000 km
  • Siegerschnitt: 71,064 km/h
  • Schnellste Trainingszeit: keine
  • Schnellste Rennrunde: Emilio Materassi – Bugatti T35C (#24) – 1:25:48,100 = 75,524 km/h
  • Rennserie: zählte zu keiner Rennserie

Literatur

  • Peter Higham: The Guinness Guide to International Motor Racing. A complete Reference from Formula 1 to Touring Car. Guinness Publishing Ltd., London 1995, ISBN 0-85112-642-1.
  • Pino Fondi: Targa Florio – 20th Century Epic. Giorgio Nada Editore Vimodrone 2006, ISBN 88-7911-270-8.

Weblinks

Commons: Targa Florio 1927 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Entry #10 in the 1927 Targa Florio on April 24, 1927, was Ernesto Maserati in a Maserati Tipo 26, 1.5-litre straight-8 engine.
AymoMaggi-MaseratiTipo26-TargaFlorio1927-brokenchassisrepair.jpg
Entry #16 with broken chassis at the Targa Florio on April 24, 1927 is Count Aymo Maggi in a Maserati Tipo 26 1.5-litre straight-8, entered by the Maserati factory. During the fourth lap "... due to the rain which left the road slippery, Maggi ended up in a meadow with the chassis and springs broken on his Maserati. Despite this and losing very much time, Maggi managed to complete the lap by driving back to the pits where his team received him with great astonishment". So, Maggio did not finish [1]
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Flagge Deutschlands mit einem Seitenverhältnis von 3:2, anstelle von 3:5. Die 3:2-Version wurde vom Deutschen Bund und der Weimarer Republik verwandt.
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Emilio Materassi su Bugatti 35c durante la Targa Florio del 1927
1927-04-24 Targa Florio Maserati Tipo 26 Alfieri Ernesto e Aymo.jpg
Three Maserati Tipo 26 at "Floriopoli" at Targa Florio on Sicilia on 24 Abril 1927. #10 is Ernesto Maserati, #16 is Aymo Maggi, and #26 (right) is Alfieri Maserati (his was a Tipo 26 B; the two others were Tipo 26, according to [1]).[2]