Systemkonkurrenz

Systemkonkurrenz ist eine Bezeichnung für den weltweiten Wettbewerb zwischen Ländern mit unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Systemen wie Kapitalismus und Sozialismus[1] bzw. Demokratie und Diktatur.[2] In der Epoche des Kalten Krieges konkurrierten vor allem die USA und die Sowjetunion miteinander sowie Bundesrepublik Deutschland und DDR. In neuerer Zeit wird auch die Konkurrenz zwischen USA und EU auf der einen Seite und China auf der anderen Seite als Systemkonkurrenz bezeichnet.[3]

Erscheinungsformen

Der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow verkündete um 1960 das Ziel, die Sowjetunion solle die USA auf technischem und wirtschaftlichem Gebiet „einholen und überholen“.[4] Ein symbolträchtiges Feld dieses Konkurrenzkampfes war die Raumfahrt, bei der die Sowjetunion 1957 und 1961 die Nase vorn hatte (Sputnikschock). SED-Generalsekretär Walter Ulbricht übernahm die Parole für die Konkurrenz zwischen DDR und „BRD“ in der Form „Überholen ohne einzuholen“.

Nach Ursula Schmiederer handelte es sich in der Ost-West-Konfrontation nicht allein um eine machtpolitische Konstellation, sondern Konflikt und Konkurrenz wurden maßgeblich durch die verschiedenen Sozialordnungen in „Ost“ und „West“ geprägt.[1]

Udo Wengst skizzierte die Systemkonkurrenz zwischen den beiden deutschen Staaten: „Indem in der Bundesrepublik die Demokratie Fuß fasste und in der DDR mithilfe eines forcierten sozioökonomischen Wandels eine sozialistische Diktatur nach sowjetischem Vorbild etabliert wurde, verfestigten sich die konträren, miteinander konkurrierenden politisch-gesellschaftlichen Systeme in den beiden deutschen Staaten. Aus dem geteilten Deutschland wurde das doppelte Deutschland. Beide Staaten präsentierten sich als die jeweils bessere Alternative: Die Bundesrepublik etwa stellte der totalitären Diktatur in der DDR ihre freiheitlich-demokratische Grundordnung gegenüber, und die DDR verwies darauf, dass bei ihr der Faschismus ausgerottet sei, während in Westdeutschland alte Nazis weiterhin an den Schaltstellen der Macht säßen.“[5] Günter Gaus wies 1983 darauf hin, wie bedeutsam dieser letztgenannte Anspruch vielen Menschen in der DDR gewesen sei, auch systemkritischen Intellektuellen, mit denen er als Ständiger Vertreter der Bundesrepublik in der DDR gesprochen hatte.[6]

Die Systemkonkurrenz wurde auch auf Feldern wie der Entwicklungspolitik,[7][8] der Bildungspolitik,[9] der Sozialpolitik[10] und im Sport[11] ausgetragen.

Literatur

  • Das doppelte Deutschland : 40 Jahre Systemkonkurrenz; eine Veröffentlichung des Instituts für Zeitgeschichte. Hg. v. Udo Wengst u. Hermann Wentker, Berlin 2008. ISBN 978-3-86153-481-5. Teilweise online auf Google Books
  • Winfried Röhrich: Die UdSSR: Bürokratischer Sozialismus und Systemkonkurrenz. In: ders. (Hrsg.): Gesellschaftssysteme der Gegenwart: Politökonomische Systemanalysen im internationalen Kontext. (= wv studium; Bd. 140). Westdeutscher Verl., Opladen 1985, ISBN 3-531-22140-X, S. 90–113.
  • Rainer Rotermundt, Ursula Schmiederer, Helmut Becker-Panitz: Entspannung, Systemkonkurrenz und 'realer Sozialismus': kapitalistischer Weltmarkt und nicht-kapitalistische Produktionsverhältnisse sowjetischen Typs als strukturelle Determinanten der Aussen- und Europapolitik der Sowjetunion. [Ohne Verlagsangabe], Nürnberg usw. 1977, OCLC 248757754.
  • Michael Lemke (Hrsg.): Schaufenster der Systemkonkurrenz: Die Region Berlin-Brandenburg im Kalten Krieg. (= Zeithistorische Studien; Bd. 37). Böhlau Verl., Köln/Weimar/Wien 2006, ISBN 3-412-02606-9.

Einzelnachweise

  1. a b Ursula Schmiederer: Systemkonkurrenz als Strukturprinzip der internationalen Politik. Online über Springer. Westdeutscher Verlag, Opladen 1973.
  2. Wie funktioniert das Nebeneinander von Demokratie und Diktatur? In: Lebendiges Museum Online. Deutsches Historisches Museum, abgerufen am 26. März 2025.
  3. Auswärtiges - Anhörung: Systemkonkurrenz und Wahrung der internationalen Ordnung. Deutscher Bundestag, 18. Oktober 2022, abgerufen am 26. März 2025.
  4. Hans-Hermann Höhmann; Gertraud Seidenstecher: Zurück zu Chruschtschow? : zur sowjetischen Parole vom Einholen und Überholen der amerikanischen Wirtschaft. Köln 1971.
  5. Udo Wengst, Hermann Wentker (Hrsg.): Das doppelte Deutschland : 40 Jahre Systemkonkurrenz. Einleitung. Berlin 2008, S. 7 f.
  6. Günter Gaus: Wo Deutschland liegt. Eine Ortsbestimmung. Hoffmann und Campe, Hamburg 1983, S. 55 f.
  7. Amit Das Gupta: Ulbricht am Nil. Die deutsch-deutsche Rivalität in der Dritten Welt. In: In: Das doppelte Deutschland, hg. v. U. Wengst u. H. Wentker. Berlin 2008, S. 111–134.
  8. Georg J. Dufner: Chile als Partner, Exempel und Prüfstein. Deutsch-deutsche Außenpolitik und Systemkonkurrenz in Lateinamerika. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Online bei degruyter. 2013, S. 513–548.
  9. Anne Rohstock: Ist Bildung Bürgerrecht? Wege zur Bildungsexpansion im doppelten Deutschland. In: Udo Wengst, Hermann Wentker (Hrsg.): Das doppelte Deutschland: 40 Jahre Systemkonkurrenz. Berlin 2008, S. 135–160.
  10. "Im Kalten Krieg entscheiden die Bataillone der besseren Sozialleistungen" – Das Verhältnis von Kommunismus und Sozialpolitik seit 1945. In: 4. Hermann-Weber-Konferenz zur Historischen Kommunismusforschung, 9./10. Juni 2022. Bundesstiftung Aufarbeitung, 31. Dezember 2021, abgerufen am 26. März 2025.
  11. Thomas Raithel: Das Sparwasser-Tor. Entwicklung und Bedeutung des Sports in beiden deutschen Staaten. In: Udo Wengst, Hermann Wentker (Hrsg.): Das doppelte Deutschland : 40 Jahre Systemkonkurrenz. Berlin 2008, S. 259–282.