Sutselvische Sprache

Ehemaliges Verbreitungsgebiet der einzelnen romanischen Idiome im Kanton Graubünden

Sutselvisch (auch Nidwaldisch, bündnerromanisch Sutsilvan) ist eines der fünf bündnerromanischen Schriftidiome in der Schweiz und wird im Domleschg, am Heinzenberg, im Schams und im Ferreratal im Kanton Graubünden verwendet. Als Schulsprache findet man das Sutselvische lediglich in der Primarschule in Donat am Schamserberg. Dem Sutselvischen zugerechnete Mundarten werden auch in der Region Imboden (bündnerromanisch Plaun) gesprochen, als Schriftsprache dient dort jedoch das Surselvische.

Erste Schrift

1601 veröffentlichte der Dorflehrer auf Schloss Fürstenau, Daniel Bonifazi (1574–1639), das erste in sutselvischer Sprache geschriebene Buch: einen Katechismus, der vor allem für den Schulgebrauch gedacht war.[1]

Dialekt

Die Geschichte der Andeerer Kirche auf Sutsilvan

Im Sutselvischen gibt es eine Deckmantelorthographie, die mehrere Unterdialekte des Sutselvischen zusammenfasst. So spricht man das Wort für ‚Baum, Pflanze‘ in Schams planta, im Domleschg plaunta und am Heinzenberg plönta, schreibt aber einheitlich plànta.

Das Sutselvische ist die am meisten gefährdete Dialektgruppe des Bündnerromanischen. Nur noch im Schams, und dort vor allem am Schamserberg, wird die Sprache noch der jüngsten Generation weitergegeben. Der Heinzenberger Dialekt steht kurz vor dem Aussterben, da ihn nur noch einzelne ältere Leute in Präz und evtl. Sarn beherrschen; das Domleschger Romanische wird im Alltag noch von mehreren Dutzend Personen gesprochen, aber nur selten von Personen unter 30 Jahren.

Sutselvisch gehört mit Surmeirisch zu den Mittelbündner Dialekten des Bündnerromanischen.

Sprachplanerische Rettungsaktionen in den 1930er Jahren

In den 1930er Jahren – im Zuge einer allgemeinen Aufbruchsstimmung in der Rumantschia, die u. a. zur Anerkennung als schweizerische Landessprache führte – kam es zu zwei länger dauernden Aktionen, die die Rettung bzw. sogar die Re-Romanisierung von Teilen der Sutselva zum Ziel hatten. Ihre massgeblichen Protagonisten waren Andri Augustin und Giuseppe Gangale. Unter anderem wurde eine Orthographie entworfen, und es wurden sutselvische Kindergärten eingeführt – finanziert durch die Lia Rumantscha. Diese Aktionen waren jedoch nicht von einer nachhaltigen Wirkung.

Sutsilvanische Literatur

Zu den wichtigsten Exponenten der sutsilvanischen Dichtung zählen Curò Mani und Margarita Uffer.

Sprachbeispiele

Als Beispiel ein Text in Sutselvisch, Rumantsch Grischun sowie Deutsch.

SutselvischRumantsch GrischunDeutsch
La gualp eara puspe egn'eada fumantada. Qua â ella vieu sen egn pegn egn corv ca taneva egn toc caschiel ainten sieus pecel. Quegl gustass a mei, â ella tartgieu, ed â clamo agli corv: "Tge beal ca tei es! Scha tieus tgànt e aschi beal sco tia pareta, alura es tei igl ple beal utschi da tuts".La vulp era puspè ina giada fomentada. Qua ha ella vis sin in pign in corv che tegneva in toc chaschiel en ses pichel. Quai ma gustass, ha ella pensà, ed ha clamà al corv: "Tge bel che ti es! Sche tes chant è uschè bel sco tia parita, lura es ti il pli bel utschè da tuts".Der Fuchs war wieder einmal hungrig. Da sah er auf einer Tanne einen Raben, der ein Stück Käse in seinem Schnabel hielt. Das würde mir schmecken, dachte er, und rief dem Raben zu: „Wie schön du bist! Wenn dein Gesang ebenso schön ist wie dein Aussehen, dann bist du der schönste von allen Vögeln“.

Literatur

  • Clau Solèr, Theodor Ebneter: Heinzenberg/Mantogna Romanisch (= Schweizer Dialekte in Text und Ton. [Abt.] 4; Romanisch und Deutsch am Hinterrhein/GR. Heft 1). Verl. des Phonogrammarchivs der Universität Zürich, Zürich 1983, OCLC 886770256 (mit Tonbandkassette).
  • Mathias Kundert: Der Sprachwechsel im Domleschg und am Heinzenberg (19./20. Jahrhundert) (= Quellen und Forschungen zur Bündner Geschichte. Band 18). Kommissionsverlag Desertina, Chur 2007, ISBN 978-3-85637-340-5.
  • Corrado Conforti, Linda Cusimano, Bartolome Tscharner: An lingia directa 1 – Egn curs da rumàntsch sutsilvan. Lia Rumantscha, Cuira 1997–[1998], OCLC 77653447 (Lehrmittel mit Audio-CD).
  • Clau Solèr, Theodor Ebneter: Romanisch im Domleschg (= Schweizer Dialekte in Text und Ton. [Abt.] 4; Romanisch und Deutsch am Hinterrhein/GR. Band 3). Phonogrammarchiv der Universität Zürich, Zürich 1988, ISBN 3-907538-02-1 (mit Tonbandkassette).
  • Wolfgang Eichenhofer (Red.): Pledari: sutsilvan – tudestg = Wörterbuch: Deutsch – Sutsilvan. Lehrmittelverlag des Kantons Graubünden, Chur 2002, OCLC 254183374.

Literarische Werke und Übersetzungen auf Sutselvisch werden hauptsächlich von der Sprachorganisation Lia Rumantscha in Chur herausgegeben.

Einzelnachweise

  1. Huldrych Blanke: Ein Förderer der Muttersprache. In: NZZ Online. 4. August 2003, abgerufen am 23. Februar 2019.

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Sutsilvan - Beschreibung und Geschichte der reformierten Kirche Andeer, im Eingangsbereich der Kirche