Suppletion

Unter Suppletion (von lateinisch supplere ‚ergänzen‘, auch Suppletivismus) versteht man in der Sprachwissenschaft die Bildung verschiedener Wortformen eines Flexionsparadigmas unter Verwendung „verschiedener“ Wurzeln. Im Gegensatz dazu stehen nicht-suppletivische Paradigmen, bei denen alle Formen auf dieselbe Wurzel zurückführbar sind.[1] Suppletivsysteme kommen vor allem bei häufig gebrauchten Wörtern vor.

Beispiele

Adjektive

Als Beispiel seien drei Adjektive genannt. In der ersten Zeile steht ein deutsches nicht-suppletivisches Paradigma (hell), in der zweiten ein deutsches suppletivisches (gut). In der dritten Zeile steht ein lateinisches suppletivisches Adjektiv (bonus, was auch „gut“ heißt), um zu demonstrieren, dass sich ein Suppletivsystem (kurz für „suppletivisches Paradigma“) auf das ganze Paradigma ausdehnen kann.

PositivKomparativSuperlativ
Deutsch, nicht-suppletivischhellhelleram hellsten
Deutsch, suppletivischgutbesseram besten
Latein, suppletivischbonusmelioroptimus

Verben

Viele indogermanische Sprachen haben Suppletivsysteme in den Verben:

InfinitivPräsensPräteritumPerfekt
Deutschseinbinwargewesen
Englischgogowentgone
Lateinessesumeramfuisse

Nomina

In indogermanischen Sprachen ist Suppletion bei Nomina seltener.

SingularPlural
Englischpersonpeople
DeutschBergmannBergleute
Bretonischbuoc'h (‚Kuh‘)saout (‚Kühe‘)

Unterscheidung von anderen Stammänderungen

Stammänderung durch Umlaut und Ablaut

Im Deutschen und den germanischen Sprachen überhaupt tritt im Paradigma oft eine Änderung des Stamms durch Umlautung oder Ablautung ein. Auch wenn sich dadurch der Wortstamm ändert, ist dies keine Suppletion, denn der ursprüngliche Stamm bleibt gleich:

  • starkstärker – am stärksten
  • singensanggesungen

Stammänderung durch Lautwandel

Auch der Wechsel von genus zu generis (Latein für „Geburt“, „Abkunft“) ist keine Suppletion, sondern gründet in einem lautgesetzlichen Vorgang: /s/ zwischen Vokalen wandelte sich in der vorklassischen Periode zu /r/ (Rhotazismus).[2]

Anlautmutation

Auch die Anlautmutation, die in den inselkeltischen Sprachen auftritt, ist keine Suppletion. Beispiel aus dem Neuirischen: a bhád (sein Boot), a bád (ihr [Singular] Boot), a mbád (ihr [Plural] Boot).

Anmerkungen

  1. Nichtsuppletivische Flexionsparadigmata müssen nicht regelmäßig sein. Man denke an das irische bean, Nominativ-Plural mná, das zwar nicht regelmäßig ist, sich aber von einem einzelnen urindogermanischen Stamm ableiten lässt. Dabei handelt es sich um eine Stammänderung durch Lautwandel.
  2. Der Kleine Stowasser. Lateinisch-deutsches Schulwörterbuch, Auflage von 1991, ISBN 3-209-00225-8, S. XVII, § 29.

Literatur

  • Werner Beckmann. Suppletion im Niederdeutschen (= Niederdeutsche Studien. Band 47). Böhlau, Köln 2002, ISBN 978-3-412-06100-5.