Sueton

Gaius Suetonius Tranquillus (deutsch meist Sueton; * wohl um 70 in Hippo Regius; † nach 122) war ein römischer Schriftsteller und Verwaltungsbeamter, dessen bedeutendstes Werk die „Kaiserviten“ (lateinisch De vita Caesarum libri VIII = Acht Bücher über das Leben der Kaiser) sind. In diesen schildert er das Leben Caesars und der römischen Kaiser von Augustus bis Domitian. Für moderne Historiker liefern seine Schriften eine wertvolle Informationsquelle über das Leben römischer Gelehrter sowie der ersten römischen Kaiser, wenngleich seine Angaben teils mit Vorsicht zu behandeln sind, da Sueton vieles aus seinen Quellen allzu unkritisch übernahm. Trotzdem war er ein äußerst sorgfältiger und aufrichtiger Schriftsteller, der die Kürze liebte.[1]

Leben

Quellenlage

Über Sueton selbst existiert keine zeitgenössische Biographie. Seine Lebensdaten sind nur ungefähr aus seinen eigenen, teilweise fragmentarisch überlieferten Werken sowie aus einer Inschrift aus Hippo Regius.[2] zu erschließen. Wichtige Hinweise liefern zudem mehrere Briefe des jüngeren Plinius, der Suetons Förderer war.[3]

Herkunft

Sueton wurde um das Jahr 70 geboren, was sich daraus ergibt, dass er die Zeit Domitians nach eigener Beschreibung als „junger Mann“, adulescens[4] bzw. adulescentulus[5] erlebte. Er stammte wahrscheinlich aus Hippo Regius, dem heutigen Annaba, einer ursprünglich phönizischen Hafenstadt westlich von Karthago, die seit dem Dritten Punischen Krieg (149–146 v. Chr.) zum römischen Imperium gehörte. Darauf weisen Fragmente einer Inschrift hin, die 1951 in Hippo Regius entdeckt wurden und offenbar Sueton gewidmet sind.[6] Dennoch haben Gelehrte auch andere Herkunftsorte wie Pisaurum, Lanuvium oder Ostia in Italien aufgrund von Indizien in Betracht gezogen, sodass seine genaue Herkunft ungewiss bleibt.

Die Familie Suetons besaß offenbar über mehrere Generationen Beziehungen zum Kaiserhaus. Sueton zitiert seinen Großvater als Quelle für eine Anekdote über Caligula.[7] Sein Vater Suetonius Laetus gehörte dem Ritterstand (equester ordo) an und nahm im Vierkaiserjahr 69 als Militärtribun (tribunus angusticlavius) der Legio XIII Gemina auf Seiten Othos am Bürgerkrieg teil.[8] Andere Stationen seiner militärischen Laufbahn, zu der weitere Offiziers- und Verwaltungsposten gehört haben könnten, sind nicht bekannt.

Ausbildung

Sueton erhielt eine standesgemäße Ausbildung in den sogenannten artes optimae, der höheren römischen Bildung, die Politik, Rechtswesen, Rhetorik, Philosophie, Poesie, Musik, Mathematik, Astronomie und Medizin umfasste. Der Rhetorik wurde dabei das größte Gewicht beigemessen. Sueton überliefert den Namen eines seiner Lehrer, Princeps.[9] Als junger Mann studierte er in Rom Grammatik und Rhetorik und war als gelehrter Herr (scholasticus dominus) bekannt.[10]

Karriere

Nach seiner Ausbildung arbeitete Sueton zunächst als Gerichtsredner in Rom, wie zwei Briefe des Plinius aus der Regierungszeit Nervas oder den ersten Jahren Trajans zeigen.[11] Um 96 oder 97 führte er einen Prozess, bat Plinius jedoch, eine Vertagung zu beantragen.[12] Später gab er diese Tätigkeit zugunsten der Schriftstellerei auf. Plinius, sein einflussreicher Förderer, unterstützte ihn beim Kauf eines kleinen Landguts in der Nähe Roms[13] und erwirkte von Trajan das Dreikinderrecht (ius trium liberorum), da Sueton in seiner Ehe kinderlos blieb. Dieses Privileg erleichterte ihm den Zugang zur öffentlichen Ämterlaufbahn.[14]

Suetons Ämterlaufbahn wird in der Inschrift aus Hippo Regius dokumentiert: Er war Flamen eines Municipiums, wurde von Trajan in die Gruppe der ausgewählten Richter (iudex selectus) aufgenommen und war Priester des Vulcanus, vermutlich nicht in Ostia, sondern an einem bislang unbekannten Ort. Plinius verschaffte ihm ein Militärtribunat in Britannien unter Lucius Neratius Marcellus, das Sueton jedoch auf seinen Verwandten Caesernius Silvanus übertrug.[15] In den letzten Jahren Trajans übernahm er die Ämter a studiis (vermutlich mit Archivaufgaben) und a bybliothecis (Aufsicht über die öffentlichen Bibliotheken Roms), die er vermutlich gleichzeitig ausübte.

Nach Hadrians Machtübernahme 117 wurde Sueton vermutlich um 118 oder 121 Sekretär für die Korrespondenz (ab epistulis), ein Amt von bedeutendem politischen und verwaltungstechnischen Einfluss. In dieser Funktion leitete er die kaiserliche Kanzlei, war für die Beantwortung von Anfragen an den Kaiser, den Briefverkehr mit Provinzstatthaltern, die Verkündung von Ernennungen und Beförderungen sowie gelegentlich den Austausch mit dem Ausland zuständig. Sueton widmete die ersten Bücher seines Werkes De vita Caesarum dem Prätorianerpräfekten Gaius Septicius Clarus, seinem neuen Förderer, der bereits Plinius unterstützt hatte. Dieses Werk wurde vermutlich zwischen 119 und 122 veröffentlicht.[16] Ein kleines Bildnis des Augustus, das Sueton erworben hatte, schenkte er Hadrian.[17]

Hofintrige und Rückzug

Im Jahr 122 wurde Sueton in eine Hofintrige verwickelt. Laut der oft unzuverlässigen Historia Augusta warf man ihm, Septicius Clarus und weiteren Mitgliedern des Hofstaats vor, sich gegenüber Kaiserin Vibia Sabina ohne Hadrians Zustimmung zu vertraulich verhalten zu haben, was die Etikette des kaiserlichen Hofes verletzte. Daraufhin wurden sie vom Hof entfernt.[18] Es wird angenommen, dass Sueton Hadrian 122 auf seiner Reise nach Britannien begleitete, doch war dies vermutlich Teil einer gezielten Aktion, um eine Gruppe von Beamten, die unter Trajan gedient hatten, zu entmachten. Nach seiner Entlassung zog sich Sueton zurück und widmete sein weiteres Leben ausschließlich seinen Studien. Er lebte möglicherweise noch bis in die 130er Jahre, doch über diesen letzten Lebensabschnitt fehlen Informationen. Die große Anzahl seiner Schriften deutet jedoch auf eine längere Lebenszeit hin.

Sueton wird in den Briefen des Plinius als vir probissimus, honestissimus et eruditissimus („höchst ehrenwerter, rechtschaffener und gelehrter Mann“) beschrieben.[19] Er war ein Vertrauter (contubernalis), also gewissermaßen Freund und Klient des Plinius.[20]

Sueton als Schriftsteller

Die Schriftstellerei war in Rom gesellschaftlich weniger anerkannt als eine politische oder militärische Tätigkeit. Für Angehörige der Oberschicht blieb sie in der Regel eine Freizeitbeschäftigung, was auch bei Sueton im größeren Teil seines Lebens so gewesen sein dürfte. Plinius der Jüngere charakterisiert Sueton:

Für Stubengelehrte, wie dieser einer ist, genügt weitaus soviel an Grund und Boden, wie viel sie brauchen, um ein Nickerchen zu machen.[21]

Sueton verfasste eine Vielzahl von Werken mit historischen, grammatischen und naturwissenschaftlichen Inhalten, die Mehrzahl davon in lateinischer Sprache, einige aber auch in griechischer Sprache. Der Großteil dieser Schriften ist verloren. So sind von einer um 110 entstandenen großen Schriftensammlung De viris illustribus (Von den berühmten Männern) nur noch Fragmente vorhanden: In vollständiger Form enthielt es wohl Kurzbiographien von Berühmtheiten der römischen Literatur; es hatte die Kapitel Dichter, Redner, Geschichtsschreiber, Philosophen sowie Grammatiker und Rhetoren. Von dieser letzten Abteilung, Grammatiker/Rhetoren, ist etwas mehr als die Hälfte überliefert; außerdem sind zwei weitere Biographien aus anderen Abteilungen erhalten. Ansonsten kennt man De viris illustribus nur aus Zitaten nachfolgender Autoren.

Aus solchen Zitaten kennt man auch noch mindestens vierzehn andere Werke Suetons, z. B. Über die Spiele der Griechen, von denen aber nichts im Original überliefert wurde. Man hat teilweise versucht, einige Werke aus den gefundenen Zitaten zu rekonstruieren.

De vita Caesarum

Fast vollständig erhalten ist das bekannteste Werk Suetons, das nach 120 erschien: De vita Caesarum, die Kaiserbiographien. Diese acht Bücher umfassende Schrift widmete Sueton seinem Patron Septicius Clarus. Sie enthält zwölf Biographien römischer Alleinherrscher: die des Gaius Iulius Caesar (bis 44 v. Chr.) sowie der Kaiser Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.), Tiberius (14–37), Caligula (37–41), Claudius (41–54), Nero (54–68), Galba (68–69), Otho (69), Vitellius (69), Vespasian (69–79), Titus (79–81) und Domitian (81–96).

Jede Biographie steht für sich, die Proportionen sind dabei ziemlich ungleich: Die ersten sechs Biographien der Herrscher aus der Julisch-Claudischen Dynastie sind drei- bis viermal so umfangreich wie die der späteren Kaiser. Möglicherweise entstanden die späteren Biographien erst nach Suetons Entlassung aus dem kaiserlichen Dienst (122); der Zugang zu den kaiserlichen Archiven hätte ihm demnach nicht mehr offengestanden und seine Materialbasis wäre entsprechend dünner ausgefallen. Wieweit Sueton von den kaiserlichen Archiven überhaupt Gebrauch machte, ist jedoch mehr als fraglich.[22] Eine andere Erklärung tendiert deshalb dahin, dass Suetons übrige Werke (die erhaltenen Gelehrtenbiographien sowie das verlorene Pratum) sich größtenteils mit Gestalten der ausgehenden Republik befassten; die überproportionale Länge der Caesar- und der Augustusvita ließen sich somit auf den Umstand zurückführen, dass Sueton diese Zeit von seinen anderen Arbeiten her bereits kannte und über eine entsprechend große Materialkenntnis verfügte. Die späteren Biographien wären lediglich ein „Anhängsel“, um die Reihe zu komplettieren.

Sein Werk versucht nicht, diese zwölf Herrscher in einer gemeinsamen Kette des Geschichtsverlaufes darzustellen. Stattdessen untersucht er seine Objekte einzeln und detailliert in Kapiteln, die jeweils verschiedenen Aspekten gewidmet sind: Herkunft, öffentliche Karriere, Privatleben und Sexualität, Äußeres und Gesundheit, Bildung und Interessen, Religiosität sowie Tod.

Porträts und Büsten nach den Kaiserbiografien dienten an europäischen Fürstenhöfen zur Repräsentation ihrer Herrschaft.[23]

Suetons Arbeitsweise

Sueton stützte sich wie andere antike Schriftsteller auch überwiegend auf ältere literarische Arbeiten und betrieb nur im eingeschränkten Umfang Quellenarbeit, wie sie bei modernen Historikern üblich ist.[24] Punktuell zog er etwa auch Inschriften heran. Besondere Sorgfalt widmete er Familie und Geburt der dargestellten Personen, wo er sich offenkundig bemühte, alle verfügbaren Quellen zu verwenden. Sueton zitiert an zahlreichen Stellen Passagen aus anderen Werken wie Testamenten oder Briefen, die in den meisten Fällen aber keine Archivfunde waren, sondern aus zeitgenössischen Schriften stammten. Unklar bleibt das Ausmaß der Verwendung von mündlich überlieferten Berichten; offenbar folgte Sueton ihnen nur dann, wenn sie von einer sein Vertrauen besitzenden Person (etwa sein Vater und Großvater) stammten.

Sueton wählte die Form der Biographie, damals eine relativ junge literarische Gattung. In der Biographie gab es mehrere verschiedene Strömungen, was die Struktur betraf: Sueton entschied sich für eine Biographie, wie sie für literarische Persönlichkeiten üblich war. Diese Form stammte aus Alexandria und ging teils chronologisch, teils aber thematisch vor: Den römischen Leser interessierten vor allem der cursus honorum der Person sowie Einzelheiten aus ihrem Leben. Sueton beschäftigte sich mit Träumen, Vorzeichen, Wundern und Anekdoten. Ein Beispiel hierfür kann wieder aus der Biographie von Tiberius genannt werden: Hier verrät der Säugling Tiberius beinahe die Flucht der Eltern.

Die Biographie wählte dabei wegen der besseren Übersicht jeweils einzelne Rubriken und folgte einem bestimmten Schema: 1. Herkunft, 2. Jugend und Erziehung; bis hier geht Sueton noch chronologisch vor, 3. militärische und politische Tätigkeit, 4. Privatleben, 5. Vorzeichen bei Geburt und Tod, 6. Tod, Begräbnis und Testament.

In diesem Schema gibt es dabei kein einheitliches Band, das das Bündel von Informationen zusammenhält: Sueton füllt vielmehr das Schema so konsequent aus, dass sich der Leser leicht zurechtfindet. In der Rubrik „militärische und politische Tätigkeit“ ist die Chronologie aufgehoben. Es gibt hier systematische Kategorien wie Kriegstaten, Bauten, Lebensführung u. a., schließlich wird am Ende der chronologische Faden wieder aufgenommen.

Suetons Systematisierung geht bis in skurrile Details: Die Geliebten Caesars werden geographisch geordnet nach solchen a) aus Rom, b) aus den Provinzen, c) von ausländischen Königshöfen. Sonst sind die Kategorien aber sinnvoll gewählt; es gibt z. B. eine Einteilung in Privatleben und öffentliche Leistungen, der Charakter des jeweiligen Herrschers wird beschrieben durch Tugenden und Fehler.

Wichtig ist es zu betonen, dass die Biographieform, die Sueton wählte, eigentlich für Künstler üblich war. Suetons Leistung ist es gewesen, sie auf politische Persönlichkeiten übertragen zu haben, nachdem er das Schema schon auf seine Lebensbeschreibungen von literarischen Berühmtheiten, De viris illustribus, angewandt hatte.

Form

Sueton ordnete alles seinem Rubrikenschema unter, selbst seinen Stil: Häufig beginnt er die Kapitel oder Absätze mit dem Wort, das Thema und Gegenstand des gesamten Kapitels angibt. Seine Sprache ist einfach und klar. Er verwendet einleitendes et, sed und autem („und“, „aber“, „dagegen“); er hütet sich damit vor bombastischer Ausdrucksweise, wie sie als eine der großen Stilrichtungen seiner Zeit in Mode war. Man kann Sueton aber nicht der zweiten großen Stilrichtung, dem Archaismus, zurechnen, die sich bemühte, alte lateinische Formen zu verwenden. Vielmehr hielt sich Sueton in der Mitte dieser modischen Strömungen, sein Stil wird klassisch genannt. Freilich wurde kritisiert, dass er oft unelegant wirke.

Rezeption

Antike, Mittelalter und Renaissance

Der Anfang von De vita Caesarum in der Handschrift London, British Library, Egerton 3055, fol. 2r (spätes 12. Jahrhundert)
Sueton, De vita Caesarum in der 1477 geschriebenen Handschrift Berlin, Staatsbibliothek, Ms. lat. fol. 28, fol. 73v

Sueton hat mit seinen Werken großen Einfluss auf die spätere Geschichtsschreibung ausgeübt. Seine Spuren lassen sich bis in die Spätantike und das Mittelalter verfolgen: Der Biograph Marius Maximus ahmte im 3. Jahrhundert Sueton im Stil nach, wobei er aber weitschweifiger und noch anekdotenhafter verfuhr. Seine (heute verlorenen) Biographien waren eine Quelle der Historia Augusta. Diese wurde nach Meinung der meisten Wissenschaftler Ende des 4./Anfang des 5. Jahrhunderts verfasst, wobei sich der anonyme Autor ebenfalls Sueton als Vorbild nahm (vgl. die Anspielungen in den Viten des Pupienus und Balbinus [4, 5] sowie des Probus [2, 7]). Aurelius Victor setzte im 4. Jahrhundert Suetons Kaiserbiographien in vergröberter Form fort; als eine wichtige Quelle diente ihm die Enmannsche Kaisergeschichte, die wohl ebenfalls in biographischer Form gestaltet war.

Suetons Biographien waren auch das Muster für zwei vielgelesene christliche Werke: Der Kirchenvater Hieronymus verfasste im fünften Jahrhundert eine Literaturgeschichte mit dem Namen De viris illustribus. Im neunten Jahrhundert orientierte sich der Biograph Karls des Großen, Einhard, in der Vita Karoli Magni an Suetons Rubrikenidee, ohne jedoch seinem Vorbild blind zu folgen. In der Renaissance schließlich ließ sich Francesco Petrarca von Sueton inspirieren (De viris illustribus).

Moderne Bewertungen

Im selben Maße, wie Sueton als Muster für Biographien verdrängt wurde, wuchs die negative Kritik an ihm. Es entwickelte sich, vor allem im 19. Jahrhundert, eine Ansicht, nach der Sueton kein richtiger Geschichtsschreiber sei. Zum einen wurde oft Suetons Rubrikenschema kritisiert, da Sueton damit die übliche Darstellungsform für literarische Berühmtheiten auf politische Herrscher übertrug. Die Einteilung des Lebens in Kategorien sei zu mechanisch; sie verhindere eine Einordnung in die historische Entwicklung. Selbst zusammenhängende Ereignisse habe Sueton in getrennten Rubriken angeführt.

Der zweite Vorwurf betrifft Suetons Erzählfreudigkeit bei nebensächlichen Einzelheiten. Die Kritiker sagen, ein Flickenteppich von Anekdoten schließe beispielsweise eine wirkliche Analyse des Charakters von Tiberius aus und es ergebe sich kein psychologisch stimmiges Gesamtbild. Sueton habe seine Materialsammlung einfach kritiklos zusammengestellt, so dass Nebensächliches gleichwertig mit Wichtigem werde. Ein Beispiel: Sueton beschreibt den Waldbrand in Tiberius’ Kindheit genauso ausführlich wie dessen Feldzüge. So verlören historisch bedeutende Ereignisse erheblich an Gewicht und die historische Perspektive werde verzerrt. Diesen Kritikpunkt formulierte man auch so: Sueton habe die „Sichtweise eines Kammerdieners“, seine enge Perspektive der Darstellung widerspreche der Größe der porträtierten Persönlichkeiten.

Neben der Kritik an der literarischen Qualität ist auch ein gehöriges Maß an inhaltlicher Skepsis bei der Lektüre von Suetons Biographien anzuraten. Sueton übernahm die Behauptungen seiner Quellen oft kritiklos. Viele Anekdoten basieren auf teils wilden Gerüchten und entbehren jeglicher Neutralität. Gerade was die vielen Schauergeschichten über zahlreiche Kaiser angeht, so muss man Sueton wohl eher als eine Art antiken Klatschreporter und nicht so sehr als historisch immer zuverlässige Quelle verstehen, der in seinen Schriften vielfach eher die Sensationslust seiner Leser befriedigen wollte, statt Fakten wiederzugeben.

In dieser Kritik wird jedoch außer Acht gelassen, welche Absicht Sueton überhaupt mit seinen Werken verfolgte: Tacitus und Sueton werden oft vergleichend nebeneinandergestellt. Dabei wollte Sueton nicht mit Tacitus konkurrieren, sein Ziel war es nicht, der Nachwelt eine genaue Beschreibung der Epoche zu überliefern.

Sueton hatte vielmehr folgende Absicht: Er schrieb für seine Zeitgenossen. Die geschichtlichen Zusammenhänge waren diesen weitgehend bekannt, deshalb verfasste Sueton eine unterhaltsame Ergänzung zu den Schilderungen eines Tacitus. Suetons Interesse galt vielen Bereichen, so kam es ihm gelegen, die Vielzahl seiner Details in Rubriken zu ordnen. Mit seinen Anekdoten, Klatsch und allzu menschlichen Zügen entsprach Sueton dabei dem Geschmack seiner Leser: Interesse an Einzelheiten war eine typisch römische Eigenschaft. Seine Kaiserviten werden von der modernen Forschung als eine wichtige Quelle für die frühe Kaiserzeit angesehen, in denen er auch durchaus wichtige Informationen vermittelte.

Sueton stand in der Tradition der römischen Laudatio funebris, der Grabrede. Diese Reden beim Begräbnis Verstorbener, die später aufgezeichnet wurden, waren Suetons Biographien sehr ähnlich, sie wollten unterhalten oder sogar Neugier befriedigen. Diese Zielsetzung erklärt auch, weshalb Sueton den Leser kaum politisch oder moralisch beeinflussen will: Er suchte sich die Herrscher Roms deshalb als handelnde Figuren aus, weil sie für alle Bewohner des römischen Reiches große Bedeutung hatten. Er legte großen Wert auf eine Beschreibung des Charakters, denn er sah das Leben der Kaiser weniger durch ihre geschichtliche Rolle bestimmt als durch ihre Persönlichkeit.

Eine neue Übersetzung seiner Kaiserbiographien vom Tom Holland erreichte 2025 die Bestsellerliste der Sonntagsausgabe der Times.[25]

Ausgaben

Übersetzungen

  • Max Heinemann (Übers.): Cäsarenleben. Kröner, Leipzig-Stuttgart 1936, 8. Auflage 2001, ISBN 3-520-13008-4.
  • André Lambert (Hrsg. und Übers.): Leben der Caesaren. Artemis-Verlag, Zürich 1955 (zahlreiche Nachdrucke).
  • Hans Martinet (Übers.): Das Leben der römischen Kaiser. Patmos, Düsseldorf 2001, ISBN 3-491-96032-0.
  • Hans Martinet (Hrsg. und Übers.): De vita caesarum/Die Kaiserviten. Lat.-dt., Düsseldorf 1997, ISBN 3-7608-1698-3.
  • Adolf Stahr (Übers.): Sueton’s Kaiserbiographien. Stuttgart 1857; online bei Google Books (klassische dt. Übersetzung)
  • Otto Wittstock (Übers.): Kaiserbiographien. Lateinisch und Deutsch. Akademie Verlag, Berlin, 1993, ISBN 3-05-001844-5

Literatur

  • Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boethius und ihr Fortwirken. Band 2. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-026525-5, S. 1192–1209.
  • Klaus Sallmann, Peter Lebrecht Schmidt: C. Suetonius Tranquillus. In: Klaus Sallmann (Hrsg.): Die Literatur des Umbruchs. Von der römischen zur christlichen Literatur, 117 bis 284 n. Chr. (= Handbuch der lateinischen Literatur der Antike. Band 4). C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-39020-X, S. 14–53.
  • Barry Baldwin: Suetonius. The biographer of Caesars. Hakkert, Amsterdam 1983, ISBN 90-256-0846-9.
  • Edoardo Galfré, Christoph Schubert (Hrsg.): „Suétone narrateur“. Biographie und Erzählung in De vita Caesarum (= Millennium-Studien. Band 106). De Gruyter, Berlin 2024, ISBN 978-3-11-133393-9.
  • Michael Grant: Klassiker der antiken Geschichtsschreibung. Beck, München 1973, ISBN 3-406-02647-8, S. 276–287.
  • Helmut Gugel: Studien zur biographischen Technik Suetons (= Wiener Studien. Zeitschrift für klassische Philologie und Patristik. Band 7). Böhlau, Wien 1977, ISBN 3-205-07025-9.
  • Dennis Pausch: Biographie und Bildungskultur. Personendarstellungen bei Plinius dem Jüngeren, Gellius und Sueton (= Millennium-Studien. Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. Band 4). Walter de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-11-018247-5 (= Dissertation Universität Gießen 2003), S. 233–324.
  • Tristan Power, Roy K. Gibson (Hrsg.): Suetonius the Biographer. Studies in Roman Lives. Oxford University Press, Oxford 2014, ISBN 978-0-19-969710-6.
  • Tristan Power: Collected Papers on Suetonius. Routledge, Abingdon / New York 2021, ISBN 978-0-367-55565-8.
  • Andrew Wallace-Hadrill: Suetonius. 2. Auflage. Bristol Classical Press, London 1995, ISBN 1-85399-451-0.
Commons: Gaius Suetonius Tranquillus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Gaius Suetonius Tranquillus – Quellen und Volltexte (Latein)

Einzelnachweise

  1. Plinius, Epistulae 5,10.
  2. AE 1953, 73.
  3. Plinius, Episulae 1,18; 1,24; 3,8; 5,10; 9,34; 10,94,95.
  4. Sueton, Nero 57, 2.
  5. Sueton, Domitian 12,2.
  6. AE 1953, 73.
  7. Sueton, Caligula 19,3.
  8. Sueton, Otho 10,1.
  9. Sueton, De grammaticis 4,9.
  10. Plinius, Epistulae 1,24,4.
  11. Plinius, Epistulae 1,18; 1,24.
  12. Plinius, Epistulae 1,18.
  13. Plinius, Epistulae 1,24.
  14. Plinius, Epistulae 10,94; Antwortbrief Trajans 10,95.
  15. Plinius, Epistulae 3,8.
  16. Historia Augusta, Vita Hadrianus 11,3.
  17. Sueton Augustus 7,1.
  18. Historia Augusta, Hadrian 11,3.
  19. Plinius, Epistulae 10,94,1.
  20. Plinius, Epistulae 1,24,1; 10,94,1.
  21. Plinius, epistulae, 1, 24.
  22. Vgl. dazu Luc De Coninck: Suetonius en de Archivalia. Brüssel 1983, besonders S. 74–85.
  23. Reinhard Stupperich: Die zwölf Cäsaren Suetons. Zur Verwendung von Kaiserporträt-Galerien in der Neuzeit. Mannheimer Historische Forschungen 6, 1995 (online)
  24. Luc De Coninck: Suetonius en de Archivalia. Brüssel 1983; Jacques Gascou: Suètone historien. Rome, 1984.
  25. Ella Creamer: 2,000 year old book about Roman emperors enters bestseller charts, The Guardian vom 24. Februar 2025

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Suetonius, De vita Caesarum, Berlin, Ms. lat. fol. 28.jpg
Sueton, De vita Caesarum, in der Handschrift Berlin, Staatsbibliothek, Ms. lat. fol. 28, fol. 73v.
Sueton, BL, Egerton 3055.jpg
Der Anfang des Geschichtswerks „De vita Caesarum“ in der Handschrift London, British Library, Egerton 3055, fol. 2r.