Subscriptio (römische Jurisprudenz)
Die Subscriptio (lat. subscribere für „unten hinschreiben“, „darunter schreiben“) war im römischen klassischen Recht der Kaiserzeit die kaiserliche Antwort auf Bittschriften oder rechtliche Eingaben privater Petenten. Der Reskriptstyp der subscriptio gehört generisch zu den Kaiserkonstitutionen. Geregelt wurden Einzelfälle.[1] Ulpian hielt in einem seiner bedeutenden Werke fest, dass diesen Maßnahmen gesetzesgleiche Wirkung zukam.[2] Viele der nachklassischen Konstitutionen wurden im Codex Gregorianus gesammelt und fanden damit Einlass in die justinianischen Kompilationen.
In den Fällen von subscriptiones reagierte der Kaiser nicht mit einem eigenen hoheitlichen Schreiben. Stattdessen wurde die Antwort direkt unter die Bittschrift selbst platziert. Regelmäßig erhielt der Auskunftsersuchende die Antwort per Rückschreiben. Aufgrund übergeordneter Bedeutung des geregelten Rechtsbelangs, konnte passieren, dass Adressat auch die (unbestimmte) Allgemeinheit war, etwa der Einwohner einer Stadt.[3] Die Sachverhalte, die in dieser Form eines Rechtsakts beschieden wurden, entstammten weit überwiegend dem Privatrecht. Besonders häufig ging es um Materien des Erb- und Vormundschaftsrechts.[4] Dokumentiert wurde ursprünglich mit der Erstellung von zwei Ausfertigungen, von denen eine dem Petenten zugestellt, die andere archiviert wurde. Seit Hadrian wurde aufgrund der Flut von Bescheidungen das Verfahren vereinfacht und die Auskunft – zur allgemeinen Kenntnisnahme – nur noch geeignet ausgehängt.[5] Ab diesem Moment näherten sich die Grenzen zwischen subscriptiones und epistulae an.[1]
Des Anliegens nahm sich zumeist nicht der Kaiser selbst an, sondern seine Rechtskanzlei. Dieser stand ein Spitzenbeamter des Kaisers voran, der magister libellorum. Seit den Antoninen waren sie oft Juristen.[6]
Literatur
- Richard A. Bauman, in: Hildegard Temporini, Wolfgang Haase (Hrsg.): Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung. Teil 2: Principat. Band 13: Recht (Normen, Verbreitung, Materien) 1980 (ANRW II.13). S. 166–179 (zum Strafrecht).
- Tony Honoré: Emperors and Lawyers. Gerald Duckworth & Co Ltd. (1. September 1981), 2. Auflage 1994. ISBN 978-0-715-61449-5. S. 33–70.
- Detlef Liebs, in Anne Kolb (Hrsg.): Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis. Konzepte, Prinzipien und Strategien der Administration im römischen Kaiserreich, Berlin: Akademie Verlag, 2006. Band 1, S. 137–152.
Anmerkungen
- ↑ a b Zu den Reskripten in klassischer und epiklassischer Zeit, vgl. Dieter Nörr: Zur Reskriptenpraxis in der hohen Prinzipatszeit: Wolfgang Kunkel zum Gedächtnis. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung), Band 98 (1981), Heft 1, S. 1–46.
- ↑ Ulpian 1 Institutionum libri II, in Digesten 1, 4, 1, 1.: Quodcumque igitur imperator per epistulam et subscriptionem statiu vel cognoscens decrevit vel de plano interlocutus est vel edicto praecepit, legem esse constat. haec sunt quas vulgo constitutiones appelamus. (übersetzt etwa: „Alles, was der Kaiser daher durch Brief und Unterschrift beschließt oder wissentlich beschließt, auf der Ebene erteilt oder durch ein Edikt befiehlt, gilt als Gesetz. Dies sind die sogenannten Verfassungen.“)
- ↑ José Luis Alonso, Ulrike Babusiaux: Papyrologische und epigraphische Quellen. In: Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Band 1 §§ 1–58. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5, S. 222–317, hier S. 296 f.
- ↑ Vgl. Ulpian 4 Disputationum libri X, in Digesten 28, 3, 12pr.; Ulpian 1 Ad (Masurium) Sabinum libri LI, in Digesten 28, 5, 1, 1.; beziehungsweise Ulpian 11 Ad edictum libri LXXXIII, in Digesten 4, 4, 11, 2.; Marcian 3 Regularum libri V, in Digesten 28, 5, 52pr.
- ↑ Rudolf Haensch, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik Band 100 (1994), S. 487–546.
- ↑ Lorena Atzeri: Vom Prinzipat zur Spätantike. In Ulrike Babusiaux, Christian Baldus, Wolfgang Ernst, Franz-Stefan Meissel, Johannes Platschek, Thomas Rüfner (Hrsg.): Handbuch des Römischen Privatrechts. Band 1 §§ 1–58. Mohr Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-152359-5. S. 75–101, hier S. 76–78 (Rn. 4 und 6).