Subalternität

Subalternität (lateinisch subalternus; „untergeordnet“, „von niedrigerem Rang“) bezeichnet abwertend Unterwürfigkeit und Untertänigkeit oder mit weniger abwertender Konnotation eine Untergeordnetheit und Unselbstständigkeit.

Subalternität bei Gramsci

Im von den herkömmlichen Bedeutungen abweichenden sozial- und kulturwissenschaftlichen Sinn ist Subalternität als Übersetzung aus dem Italienischen ein Begriff, den Antonio Gramsci zur Beschreibung gesellschaftlicher Gruppen geprägt hat, denen der Zugang zu hegemonialen Teilen der Gesellschaft verschlossen ist. Subalterne Gesellschaftsschichten sind nach Gramsci durch hegemoniale Strukturen und die Herrschaftsausübung anderer Gesellschaftsteile stark eingeschränkt in ihren Möglichkeiten, sich ihrer politischen Interessen und ihrer potentiellen politischen Stärke bewusst zu werden und sich politisch und öffentlich zu artikulieren. Beispiele Gramscis für subalterne Teile von Gesellschaften bieten die Sklaverei im Römischen Reich und Kleinbauern und Arbeiter in kapitalistischen Gesellschaften zu Lebzeiten Gramscis. Die Subalternität gründet sich entsprechend gramscianischem Verständnis nicht nur auf direkte Gewaltausübung, sondern vor allem auf die ökonomisch begründete zivilgesellschaftliche Hegemonie, die sich der zivilgesellschaftlichen Kommunikation und ihrer (zumeist versteckten) Kontrolle durch die Herrschenden bedient.

Subalternität im Postkolonialismus

Der Begriff wurde von der Subaltern Studies Group, einer Gruppe südasiatischer Historiker, in den 1980er-Jahren aufgegriffen. In einer Kritik von Gayatri Chakravorty Spivak an dieser Gruppe in ihrem Essay Can the Subaltern Speak? grenzte sie den Begriff gegenüber naturalisierenden Vorstellungen ab und stellte fest, dass Subalternität ein Ergebnis von hegemonialen Diskursen ist und durch die Praxis der sozialen Ausgrenzung (Exklusion) gesellschaftlich hergestellt wird. Mit dieser Definition von Subalternität als sozialem Konstrukt wird der Begriff häufig in den Forschungen zum Postkolonialismus verwendet.

Subaltern oder Subalternation in der Aristotelischen Syllogistik

Mit „Subaltern“ (untergeordnet) wird in der Aristotelischen Syllogistik das Verhältnis eines allgemeinen (bejahenden oder verneinenden) Aussagesatzes zu dem entsprechenden partikulären Aussagesatz genannt. Aus dem allgemeinen Aussagesatz „A kommt allen B zu.“ kann der partikuläre Aussagesatz „A kommt einem B zu.“ gefolgert werden. Oder in Form eines Beispiels: Aus dem allgemeinen Aussagesatz „Inhalte der Wikipedia sind für alle Schüler relevant.“ kann auf Basis der logischen Abhängigkeit der partikuläre Aussagesatz „Inhalte der Wikipedia sind (zumindest) für einen Schüler relevant“ gezogen werden. Die Wahrheit eines subalternen Satzes ergibt sich also aus der Wahrheit des allgemeinen Satzes. Anschaulich wird dieses Verhältnis im Logischen Quadrat (dort als „hinreichende Bedingung“ bezeichnet) dargestellt.[1]

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Büttemeyer: Einführung in die formale Logik. Studienbrief der Fernuniversität Hagen, S. 108, Kapitel Assertorische Syllogistik.

Literatur

  • Saurabh Dube / Sanjay Seth / Ajay Skaria (Hrsg.): Dipesh Chakrabarty and the Global South: Subaltern Studies, Postcolonial Perspectives, and the Anthropocene, Routledge, London/New York 2020.
  • Antonia Darder: Decolonizing Interpretive Research: A Subaltern Methodology for Social Change, Routledge, London/New York 2019.
  • Nikita Dhawan: Can the Subaltern Speak German? And Other Risky Questions. Migrant Hybridism versus Subalternity. 25. April 2007, abgerufen am 23. April 2013.
  • Partha Chatterjee: A Brief History of Subaltern Studies. In: Gunilla Budde, Sebastian Conrad, Oliver Janz (Hrsg.): Transnationale Geschichte: Themen, Tendenzen und Theorien. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 978-3-525-36736-0 (Rezension hsozkult.geschichte.hu-berlin.de).
  • Gayatri Chakravorty Spivak: Can the Subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Turia & Kant, Wien 2007, ISBN 978-3-85132-506-5.
  • Hito Steyerl, Encarnación Gutiérrez Rodríguez (Hrsg.): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-425-6.
  • Chakrabarty, Dipesh: Habitations of Modernity: Essays in the Wake of Subaltern Studies. University of Chicago Press 2002, ISBN 978-0-226-10039-5.
  • Ileana Rodríguez: The Latin American subaltern studies reader. Duke Univ. Press, North Carolina 2001, ISBN 0-8223-2712-0.
  • Guha, Ranajit: Subaltern Studies Reader, 1986–1995. University of Minnesota Press 1997, ISBN 978-0-8166-2759-2.
  • Antonio Gramsci: Gefängnishefte. Hrsg.: Klaus Bochmann, Wolfgang Fritz Haug. 10 Bände. Argument Verlag, Hamburg / Berlin, DNB 551788003 (1991–2002).